Gesundheit:Registrierungspflicht für die Pflege ist stark umstritten

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In Bayern gibt es etwa 165 000 Pflegekräfte. Davon sind gerade einmal 4000 in der Vereinigung der Pflegenden in Bayern organisiert. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Landtages bekunden Experten zum Teil massive Bedenken gegen die Pläne der Staatsregierung für eine Reform der Vereinigung der Pflegenden.

Von Nina von Hardenberg

Der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) klingt zu Beginn ein wenig kleinlaut: Von Anfang an habe man gewusst, dass die Berufsgruppe, die man hier vertrete, "nicht sehr freudig" auf neue Strukturen reagiere und auch nicht leicht zu bewegen sei, in eine Selbstverwaltung einzutreten: "Wir wussten, dass das ein langer Weg wird."

Etwas mehr als 4000 Mitglieder stark ist die Vereinigung der Pflegenden in Bayern jetzt, jene von der Politik 2017 verordnete Interessenvertretung der Pflege. Angesichts von etwa 165 000 Pflegekräften in Bayern kann sie damit kaum von sich behaupten, für die Pflege insgesamt zu sprechen. Genau das aber ist der Wunsch der Staatsregierung, sie will eine "starke Selbstverwaltung der Profession Pflege in Bayern" etablieren. So steht es in dem Gesetzentwurf, der am Dienstag im Gesundheitsausschuss diskutiert wird. So sehen es auch die Opposition und alle am Dienstag zur Anhörung geladenen Experten. Über das Ziel ist man sich einig: Die starke Selbstverwaltung soll die Pflege attraktiver machen und somit auch den absehbaren Notstand in der Pflege lindern. Der Weg indes ist sehr umstritten.

Die Staatsregierung will die Pflegevereinigung auf verschiedene Weisen stärken. Einerseits soll diese künftig für die Erstellung einer Berufs- und Weiterbildungsordnung zuständig sein, was viele Redner befürworten. Kritischer gesehen wird indes der Plan, dass künftig alle Pflegekräfte verpflichtet werden sollen, sich bei der VdPB zu registrieren.

Das geplante verpflichtende Berufsregister soll gleich zwei Probleme lösen: Einerseits wüsste man dann erstmals, wie viele Pflegekräfte mit welchen Qualifikationen überhaupt in Bayern arbeiten. Während der Corona-Pandemie habe man nicht mal gewusst, wie viele Intensivpflege-Fachkräfte es in Bayern gibt, erklärt der Pflegeforscher Thomas Klie, der die Vereinigung der Pflegenden in juristischen Fragen berät. Zweitens kann die Registrierungspflicht auch ein Weg sein, mit den Pflegekräften in Kontakt zu kommen, und sie für eine Mitgliedschaft zu gewinnen. So die Hoffnung. Das aber ist unter den geladenen Experten sehr umstritten.

Dem Bayerischen Landespflegerat (BLPR) etwa ist die Registrierungspflicht zu wenig. Seit vielen Jahren schon setzt er sich für eine Pflegekammer mit Pflichtmitgliedschaft für alle Pflegekräfte ein, ähnlich wie es sie auch für Ärzte oder etwa Handwerker gibt. Die Registrierung könne nur ein erster Schritt dahin sein. Im Gesetzentwurf vermisst er ein politisches Bekenntnis zu einer echten, autonomen, berufsständischen Selbstverwaltung.

Unterstützung erhält der Landespflegerat bei der Anhörung von der Ethikprofessorin der Katholischen Stiftungshochschule München, Constanze Giese: "Es kann nicht sein, dass ich verpflichtet werde, mich bei jedem Jobwechsel neu zu registrieren. Aber um in der Standesvertretung mitreden zu können, muss man im Verband sein." Sie findet, die Pflegekräfte sollten mit der Registrierung automatisch auch Mitglied der Vereinigung der Pflegenden werden.

Der Pflegeexperte ist gegen den Zwang

Eine Pflicht, sich registrieren zu müssen, könne auf großen Widerstand stoßen, warnt dagegen Peter Baumeister, Professor für Recht der Sozialen Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Er sieht gar die Gefahr, dass die ganze Idee der Vereinigung daran scheitern könnte, zumal wenn diese mit Zwang oder gar der Androhung die Berufszulassung zu Widerrufen durchgesetzt werden würde. "Will man wirklich hergehen und die Registrierung mit Zwang durchsetzen?", fragt er. "Das halte ich für starken Tobak."

Auch Pflegeexperte Klie spricht sich ausdrücklich gegen einen Zwang aus. Die Registrierungspflicht an sich befürwortet er. Sie bringe zum Ausdruck, wie wichtig es sei, dass sich die Pflege ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stelle. "Ohne eine anerkannte und eigenständige Pflege werden wir die Herausforderungen demografische Veränderungen nicht bestehen können", sagt Klie. Künftig werde man mit weniger Pflegekräften mehr alte Menschen versorgen müssen.

Der Kipppunkt sei für Bayern schon 2027 erreicht. Dann würden mehr Schwestern und Pfleger in Rente gehen, als Junge in den Beruf einstiegen. Es sei also extrem wichtig, Überblick über die vorhandenen Kräfte zu gewinnen und diese in einer eigenständigen Interessenvertretung zu organisieren. Allerdings sollte dies aus seiner Sicht nicht mit Zwang, sondern eher mit Anreizen durchgesetzt werden. Gerade Pflegekräfte in Leitungspositionen könnten von einer Anbindung an die Pflegevereinigung und dem Mitspracherecht profitieren.

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