Es gab immer schon einen Verknüpfungspunkt zwischen den beiden Fällen NSU und Peggy. Jedoch bestand der bislang nicht aus einer DNA-Spur. Das Gemeinsame, das die beiden Fälle verbindet, ist ein Ermittler: Wolfgang Geier. Er übernahm knapp ein Jahr nach dem Verschwinden des neunjährigen Mädchens die zweite Sonderkommission als Chefermittler im Fall Peggy. Und bald nachdem dieser Fall vermeintlich gelöst war - damals dachte man noch: zur allgemeinen Zufriedenheit - , wurde er Chefermittler in Nürnberg. Die Soko, die eine Mordserie an Migranten aufklären sollte, nannte sich "Bosporus". Und nahm vor allem in Deutschland lebende Türken ins Visier ihrer Ermittlungen.
Zwei der spektakulärsten Justizfälle der Nachkriegsgeschichte, zweimal leitete derselbe Polizist die Ermittlungen. Und in beiden Fällen muss er sich inzwischen harte Kritik anhören. Er habe sich, so lautet der Vorwurf, zweimal sehr früh auf eine Tathergangs-Hypothese festgelegt und andere Spuren konsequent ignoriert. Und er habe sich zweimal sozusagen auf "Klischeetäter" konzentriert - eine Formulierung des Autors Christoph Lemmer, der ein Buch über den Fall Peggy geschrieben hat.
In dem einen Fall habe er sich auf einen behinderten Mann mit Migrationshintergrund festgelegt, der Vater von Ulvi K. stammt aus der Türkei. In dem anderen Fall auf angebliche Mafiastrukturen unter Migranten in Deutschland. Im zweiten Fall lag die Soko mit dem Namen "Bosporus" katastrophal falsch, wie man heute weiß. Im ersten Fall musste der Mann, auf den sich Geiers Ermittlungen fixierten, nach Jahren in der geschlossenen Psychiatrie freigelassen werden. Nach einem Wiederaufnahmeverfahren, in dem Geiers These vom Tathergang nicht standhielt.
Als Geier in Nürnberg die Soko für jene Mordserie übernahm, die sich später als die Taten des NSU herausstellen sollten, wurde er von einer Boulevardzeitung als Superermittler gefeiert. Angeblich, so war es oft zu lesen, soll sich Günther Beckstein sogar persönlich dafür eingesetzt haben, dass Geier diese Aufgabe übernehmen durfte. So wie Beckstein ihn auch auf den Fall der verschwundenen Peggy angesetzt haben soll, nachdem der erste Leiter der Soko über Monate nicht weitergekommen war. Geier galt als smart, als Vorzeigepolizist, als einer, den man Medien präsentieren kann. Und ihm eilte spätestens nach der Verurteilung von Ulvi K. der Ruf als Siegertyp voraus: einer, dem man den Durchbruch in den komplexen Fällen zutraut.
Als "Macher", sagt der Anwalt Michael Euler, habe sich Geier selbst gesehen und sich entsprechend verhalten: ein Polizist, der Ermittlungserfolge liefert, nicht nur Ansätze. Euler ist der Anwalt, der das Wiederaufnahmeverfahren für Ulvi K. vorbereitet hat. Er glaubt, dass Geier von Belastungseifer gegen Ulvi K. getrieben war. Sämtliche Entlastungszeugen für Ulvi K. habe Geier "durch Mehrfachbefragungen" quasi aus dem Verfahren genommen, sagt Euler. Und diese frühe Fixierung auf einen Täter beziehungsweise eine Tat-Hypothese habe sich später bei den NSU-Morden auf fatale Weise wiederholt.