Fragwürdige Abschiebung:Passauer Amt lockt Iraner in die Abschiebe-Falle

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"Betrügerisch" nennt der Bayerische Flüchtlingsrat das Vorgehen des Passauer Landratsamts bei der Abschiebung eines Iraners. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Mit einer Lüge hat das Landratsamt einen Geflüchteten vorgeladen und festnehmen lassen. Nun soll er nach Teheran ausgeflogen werden - obwohl dort die größten Unruhen seit Jahren herrschen.

Von Thomas Balbierer, Passau

Die Mail des Passauer Ausländeramts liest sich nüchtern-bürokratisch, doch für Reza R. muss die Nachricht vom 26. September nach Hoffnung geklungen haben. "Sehr geehrter Herr R.", steht in dem kurzen Anschreiben, "Ihr Reisepass ist nun von der Überprüfung zurück. Die Beschäftigung kann nun in Ihre Duldung eingetragen werden." Bei dem seit 2018 als Flüchtling in Bayern lebenden Iraner war unklar, wie lange er noch in Deutschland würde bleiben dürfen. Sein Asylantrag war abgelehnt worden, weil die Behörden nicht glauben, dass er als praktizierender Christ im islamisch regierten Iran tatsächlich verfolgt werde. In der Asylbürokratie galt er als "geduldet". Im April wurde er wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass zu einer Geldstrafe verurteilt, den Pass legte er erst später vor.

Doch nun sah der 41-Jährige die Chance, eine Ausbildung als Pflegekraft zu absolvieren und langfristig in Deutschland zu arbeiten - in einer Branche, die dringend nach Personal sucht. Das zuständige Amt gab vor, die Pläne zu unterstützen, wie aus einer Mail hervorgeht, die der SZ vorliegt. Um die Formalien zu klären, solle R. "zeitnah" ins Landratsamt Passau kommen, schreibt eine Sachbearbeiterin und versichert: "Die Beschäftigung wird dann direkt bei dem Termin eingetragen." Doch das ist eine Lüge.

Fall aus Passau
:Innenministerium stoppt umstrittene Abschiebung nach Iran

Kurz vor seiner Ausweisung nach Teheran kommt ein abgelehnter Asylbewerber wieder frei. Nun wird der fragwürdige Vorgang geprüft, der zu seiner Festnahme im Passauer Landratsamt geführt hat. Die Opposition fordert, gar nicht mehr in die Krisenregion abzuschieben.

Von Thomas Balbierer

Als er am vergangenen Donnerstag im Landratsamt erscheint, warten bereits zwei Polizisten, um den Iraner in Abschiebegewahrsam zu nehmen. An diesem Mittwoch soll Reza R. per Flugzeug in die iranische Hauptstadt Teheran abgeschoben werden. "Einen Geflüchteten mit einem falschen Versprechen in die Ausländerbehörde zu locken, um ihn dort festnehmen zu lassen, ist betrügerisch", sagt Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. "Das ist ein Verhalten, das eines Rechtsstaats unwürdig ist." Er appelliert an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), den Vorgang zu überprüfen. Das Innenministerium lässt eine Anfrage am Dienstag unbeantwortet.

"Im Iran wird derzeit jeder festgenommen, der den Staat diskreditiert"

Iran wird derzeit von den größten Freiheitsprotesten seit Jahren erschüttert. Seit dem Tod einer jungen Frau demonstrieren Tausende gegen die islamistischen Herrscher, immer wieder kommt es zu Gewalt durch Sicherheitskräfte. Dutzende Menschen starben. Auch Reza R. soll sich vor seiner Flucht an Protesten beteiligt haben. "Im Iran wird derzeit jeder festgenommen, der den Staat diskreditiert", sagt R.s Anwältin Maral Noruzi. Sie versucht, seine Ausweisung in letzter Minute zu verhindern. "Die Abschiebung muss gestoppt werden."

Dass der 41-Jährige überhaupt ins Visier der Behörden geraten ist, macht Mojgan Heidary fassungslos. Sie ist Chefin eines kleinen Pflegedienstes am Rande von München, bei dem R. in den vergangenen Monaten ein unbezahltes Praktikum gemacht hat. "Am 1. Oktober sollte er bei uns seine Ausbildung starten", sagt sie. "Nur die Erlaubnis vom Amt hat noch gefehlt." R. habe Deutsch gelernt, sei fleißig gewesen. "Die Patienten waren unglaublich zufrieden mit ihm." Auch die Unternehmerin fühlt sich von der Behörde getäuscht.

Das Passauer Landratsamt will sich zu dem Fall nicht äußern, teilt auf SZ-Anfrage nur allgemein mit, dass man Abschiebungen in der Regel nie ankündige - "insbesondere dann, wenn der Verdacht besteht, dass sich die ausreisepflichtige Person der Abschiebung entziehen könnte".

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