Parteitag in Deggendorf:"CSU-Herrschaft ist nicht zementiert": Grüne wollen in Bayern mitregieren

Lesezeit: 3 Min.

Die wiedergewählte Landesvorsitzende der bayerischen Grünen, Sigi Hagl. (Foto: dpa)
  • Die Grünen wollen nach der Landtagswahl 2018 auch in Bayern mitregieren - und die CSU in einer schwarz-grünen Koalition zu einer anderen Politik zwingen.
  • Das Spitzenduo der Grünen für die Landtagswahl soll in einer Urwahl bestimmt werden, das wurde auf dem Parteitag offiziell beschlossen.
  • Grünen-Landeschefin Sigi Hagl ist für weitere zwei Jahre in ihrem Amt bestätigt worden - allerdings nur mit 67,9 Prozent der Stimmen.

Von Katja Auer, Deggendorf

Beim Rechtsruck, da hat es Josef Mayerhofer endgültig gereicht. Als Horst Seehofer ankündigte, die rechte Flanke schließen zu wollen, hat Mayerhofer mit der CSU abgeschlossen. Er ist ausgetreten. Kein leichter Schritt nach all der Zeit, 30 Jahre war er dabei.

Er erzählt das beim Grünen-Parteitag in Deggendorf, seinem ersten, gerade hat er den Mitgliedsantrag abgegeben. "Ich war immer ein politischer Mensch", sagt er, und es gehöre für ihn dazu, Mitglied einer Partei zu sein. Als er mit 17 in die CSU eintrat, da gehörte sich das auch so, "Mainstream" nennt er es heute. Dennoch fühlte er sich lange gut aufgehoben bei der CSU, vor allem bei jener, wie sie der langjährige Fraktionschef Alois Glück vertreten habe. Einer CSU, die auf ihr S, auf das Soziale noch großen Wert gelegt habe. Aber jetzt, die Flüchtlingsfrage, das Betreuungsgeld, die Dieseldebatte. Josef Mayerhofer ist die CSU fremd geworden. Und die Grünen, die er persönlich kennt, sagt er, die habe er "als Menschen der Mitte" erlebt.

Da ist er nicht der Einzige, das zeigen die Ergebnisse der Bundestagswahl. Die CSU hat verloren, viele Stimmen wohl an die AfD, aber es gibt auch jene, die der selbsternannten bayerischen Staatspartei nicht nach rechts folgen wollen. Die Grünen legten zu auf 9,8 Prozent im Freistaat, das sind 170 000 Stimmen mehr als vor vier Jahren. Zwar sind sie nicht dritte Kraft geworden im Bund und auch nicht zweistellig, das waren die selbst gesteckten Ziele. Dass sie aber viel besser lagen, als die meisten Demoskopen vorhergesagt hatten, das wird von mehreren Rednern betont.

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"Wir haben das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten in Bayern erzielt", sagt der Landesvorsitzende Eike Hallitzky. Damit sei Bayern nach Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg das drittgrünste deutsche Flächenland. Eine große Sympathie hätten die Wahlkämpfer gespürt, sagt Hallitzky, der Zuspruch manifestiert sich in den Mitgliederzahlen: 8900 Grüne gibt es demnach in Bayern, so viele wie noch nie.

Nun soll es also eine Jamaika-Koalition geben im Bund, ein Bündnis mit der CSU, die die Grünen so leidenschaftlich bekämpfen. Und umgekehrt. Doch in Deggendorf überwiegen die pragmatischen Töne, nicht nur Parteichef Cem Özdemir appelliert an alle Beteiligten, ernsthaft zu verhandeln und Kompromisse zu schließen. Der Bundestagsabgeordnete und frühere Landesvorsitzende Dieter Janecek sieht gar in den Grünen "momentan die einzige Partei, die sagt, dass wir die Chancen wahrnehmen wollen. Dass wir nicht raus wollen, sondern rein wollen."

Rein in die Regierung wollen die Grünen auch in Bayern. "Die CSU-Herrschaft in Bayern ist nicht zementiert auf ewig", sagt die Landesvorsitzende Sigi Hagl. Im Wahlkampf wollten die Grünen sich nicht an die CSU anbiedern, sondern sie herausfordern. Es gehe nicht um Macht, sondern darum, grüne Themen voranzubringen. "Und wir wollen das nicht auf den Hinterbänken tun, wir wollen das in Regierungsverantwortung tun."

Das Spitzenduo soll in einer Urwahl gekürt werden

Mit wem die Grünen in den Landtagswahlkampf ziehen, das soll die Basis bestimmen. Der Parteitag beschloss eine Urwahl, das sei "die Krönung der Demokratie", sagt Hallitzky. Während andere Parteien ihr Spitzenpersonal in den Hinterzimmern ausklüngelten, dürfen bei den Grünen die Mitglieder mitreden. Bis Ende November können sich nun Bewerber melden, die entweder einen eigenen Stimmkreis haben oder die Unterstützung von mindestens drei Kreisverbänden.

Offizielle Kandidaten gibt es noch nicht, Interesse bekundet haben jedoch bereits die Fraktionschefs Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sowie der Bildungsexperte im Landtag, Thomas Gehring. Das Ergebnis soll Anfang Februar feststehen, damit das neue Spitzenduo am politischen Aschermittwoch den Wahlkampf eröffnen kann. Bei der Landtagswahl 2013 hatten die Grünen 8,6 Prozent der Stimmen erreicht und damit gegenüber 2008 leicht an Zustimmung verloren.

Traditionell sind die Grünen in den Städten stark, auf dem Land gibt es dagegen noch Regionen, wo sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffen. Das zu ändern gibt Fraktionschefin Schulze als Ziel für die Landtagswahl aus. Darauf bereitet sich die Partei auch thematisch vor. Punkten wollen die Grünen vor allem mit ihrem Volksbegehren gegen den Flächenverbrauch. 13 Hektar werden in Bayern pro Tag zubetoniert, die Grünen wollen die Menge auf fünf Hektar reduzieren.

Ein Thema, von dem Initiator Hartmann glaubt, dass es viele Menschen in Bayern bewegt, die erleben, wie sich die Gewerbegebiete an den Ortsrändern ausbreiten und die Landschaft verschandeln. Zumal die Staatsregierung in diesem Jahr das Anbindegebot lockerte, sodass Kommunen nun noch leichter Gewerbegebiete ausweisen können. Darauf müssten sie gar nicht verzichten, sagt Hartmann, allerdings müsse besser geplant werden. So sollten beispielsweise mehr Parkhäuser anstelle von riesigen Parkplätzen entstehen, Gebäude mehrstöckig statt einstöckig gebaut werden. "Damit Bayern Heimat bleibt", lautet der Slogan für das Volksbegehren, ein Begriff, den die Grünen nicht länger der CSU überlassen wollen.

Am Sonntag wurde Sigi Hagl als Landesvorsitzende für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt, allerdings mit einem relativ schwachen Ergebnis von 67,9 Prozent der Stimmen. Eine kurzfristig angetretene Gegenkandidatin, Judith Bogner aus Mühldorf am Inn, erhielt immerhin 21,9 Prozent. Die Landshuterin Hagl ist seit 2013 Landesvorsitzende der Grünen. Co-Landeschef Eike Hallitzky war schon auf dem Parteitag vor einem Jahr wiedergewählt worden.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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