Union:CDU und CSU sind sich fremd wie lange nicht

FILE PHOTO: German Chancellor Merkel, leader of the Christian Democratic Union Party (CDU) and Seehofer, head of the CSU attend their first parliamentary meeting after general election in Berlin

CDU und CSU haben trotz erheblicher Differenzen bis zum Wahltag behauptet, in fast allen Punkten einig zu sein.

(Foto: REUTERS)

Im wichtigsten Land der EU steht die Regierungsbildung still, weil sich die beiden Parteien erst wieder finden müssen. Deutschland zahlt jetzt den Preis für die Verlogenheit des Unionswahlkampfs.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Das Wort Union hat seinen Ursprung im lateinischen unio, das bedeutet Einheit. Doch davon ist in der Union aus CDU und CSU derzeit kaum etwas zu spüren, die beiden Parteien sind sich fremd wie lange nicht. Am Sonntag wird in Berlin ein Schauspiel zu erleben sein, wie es sich seit dem Kreuther Trennungsbeschluss von 1976 keiner mehr vorstellen konnte. Die Spitzen von CDU und CSU kommen zu einem Beziehungsgespräch zusammen. Dabei wollen sie ausloten, auf welcher Grundlage man es noch miteinander aushalten kann. Derlei hat es vor keiner einzigen der immerhin schon drei Regierungsbildungen von Angela Merkel gegeben.

Deutschland bräuchte jetzt schnell eine Regierung, wenn möglich sogar eine starke. Der Erfolg der AfD stellt das Land vor neue Herausforderungen, und in Europa knirscht es gewaltig. Aber im wichtigsten Land der EU steht die Regierungsbildung still, weil sich CDU und CSU erst wieder finden müssen. Was für ein Offenbarungseid für die beiden Parteien, die sich so gerne als genuine Regierungsprofis preisen.

Deutschland zahlt jetzt den Preis für die Verlogenheit des Unionswahlkampfs. CDU und CSU haben trotz erheblicher Differenzen bis zum Wahltag behauptet, in fast allen Punkten einig zu sein. CDU-Vize Julia Klöckner zum Beispiel sprach von "99 Prozent Übereinstimmung". Doch CDU und CSU hatten ihren Streit mitnichten geklärt, sie haben ihn lediglich kaschiert.

Die Wähler haben sich von der Camouflage zwar nicht täuschen lassen, auch deshalb hat die Union mehr als acht Prozentpunkte verloren. Doch der Absturz hat den Streit über die Ursachen noch weiter befeuert - übrigens auch innerhalb der CDU. Deren Ministerpräsidenten Tillich und Haseloff stehen der CSU längst näher als Merkel.

Bei dem Streit geht es nicht mehr nur um die Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge. CDU-Spitze und CSU sind etwa auch in der Renten- und der Europapolitik uneins. Es geht, wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt - allerdings erst nach Schließung der Wahllokale - eingeräumt hat, keineswegs um Kommata, sondern ganz grundsätzlich darum, ob CDU und CSU "auch noch inhaltlich Schwestern sind".

Jünger? Bunter? Weiblicher? An der Spitze sitzen seit zwölf Jahren dieselben

Seehofer und Merkel bemühen sich seit Tagen in Telefonaten darum, dass das Treffen am Sonntag trotz aller Konflikte erfolgreich verläuft. Dabei treibt sie zum einen die Erkenntnis, dass ein Scheitern unabsehbare Folgen für ihre Parteien hätte. Zum anderen müssen Merkel und Seehofer auch aufpassen, dass ihre eigene Macht nicht erodiert.

JU-Chef Ziemiak verlangt zu Recht bereits "neue Köpfe" in Fraktion und Kabinett. Die Kanzlerin selbst, aber auch ihre Kernmannschaft sitzt ja bereits seit zwölf Jahren in der Regierung. Wolfgang Schäuble, Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen gehörten schon Merkels erstem Kabinett an (wie übrigens auch Seehofer). Peter Altmaier war damals bereits Innen-Staatssekretär. Und Fraktionschef Volker Kauder ist auch schon seit 2005 im Amt. Vom Diktum des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber, die CDU müsse "jünger, weiblicher und bunter" werden, ist noch nichts zu spüren. Merkel wird jetzt auch einen Generationenwechsel einleiten müssen. Andernfalls machen es andere, früher oder nicht viel später.

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