Nürnberg:NS-Kongresshalle wird fürs Publikum geöffnet

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Der Innenraum der ehemaligen NS-Kongresshalle in Nürnberg besteht vor allem aus Gängen und Treppenhäusern. (Foto: Olaf Przybilla)

Sollen Künstler in der Halle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände einziehen? Diese und andere Nutzungen werden diskutiert. Erst einmal können sich die Menschen aber selbst ein Bild der Naziruine machen.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Presslufthämmer rattern am NS-Kongresshallentorso, haben aber nichts mit den großen Plänen zu tun, die die Stadt Nürnberg derzeit in Erwägung zieht. Das vor 20 Jahren eröffnete Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, untergebracht in einem der Kopfbauten des Torsos, wird gerade renoviert und erweitert - im bislang lediglich als Lager genutzten NS-Hufeisen aber ist der Lärm an diesem Vormittag nicht das primäre Problem.

In dem zum Teil hallenartigen Riesentreppenhaus steht sogar im Herbst die Kälte, der fröstelnde Hans-Joachim Wagner verspricht Anwesenden, den Bau frühestmöglich wieder verlassen zu dürfen. Vermutlich aber fröstelt's einen in dem Bau gar nicht der Temperaturen wegen. Das Gebäude gilt als größter noch existierender NS-Propagandabau.

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Wagner ist Leiter der "Stabsstelle Ehemaliges Reichsparteitagsgelände/Zeppelintribüne und Zeppelinfeld", ein Titel, der ungefähr so komplex ist wie seine Aufgabe. Momentan hagelt es neue Vorschläge zum Nürnberger Themengroßkomplex "Opernhaussanierung/Interimsstandort/NS-Kongresshalle/Konzerthaus" etwa im 48-Stunden-Rhythmus, es könnte einem ganz schwindelig werden davon.

An diesem Vormittag geht's nun aber darum, "Informations- und Diskursformate" für jene vorzustellen, die gerade den Überblick ein wenig zu verlieren drohen: das Publikum. Dieses, und das ist die gute Nachricht, wird an den kommenden zwei Samstagen die Chance bekommen, sich ein eigenes Bild zu machen vom Zustand der üblicherweise geschlossenen Naziruine. Und das auf geführten Rundgängen und unter den Titeln "Try out Kongresshalle" (13. November, Anmeldung unter zep@stadt.nuernberg.de), respektive "Open up Kongresshalle" (20. November, Anmeldung unter https://tickets.nuernberg.de).

In Rede steht ja sehr viel gerade: Künstlerinnen und Künstler sollen im NS-Torso "Ermöglichungsräume" - also Ateliers oder Probenräume - zur Verfügung gestellt bekommen. Realisierungschance zurzeit: wahrscheinlich. Auch ein Interimsopernbau im Hof des NS-Kongresshalle wird debattiert. Realisierungschance: eher wahrscheinlich. Und manche wollen dort nun auch noch eine international konkurrenzfähige Konzerthalle (hat Nürnberg nicht, trotzdem unwahrscheinlich) sehen - oder gar ein neues Opernhaus für immer (sehr unwahrscheinlich).

Bei den Rundgängen soll's nicht bleiben. Die Stadt plant, Experten aus Architektur, Philosophie, Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur in die Debatte einzubeziehen. Geplant ist ein Podiumsgespräch, ein "Café" mit Thementischen und Austausch und eine Ausstellung zu "Architektur-Visionen". Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU) freut sich auf einen "möglichst intensiven" interdisziplinären Dialog. Die Zeit aber drängt: Schon Mitte Dezember soll, so ist es jedenfalls geplant, der Stadtrat über ein Operninterim entscheiden.

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Während der Reichsparteitage der Nationalsozialisten wurde der Prachtbau zum Teil der NS-Choreografie. Aber mit ihrer Umgestaltung des Gebäudes waren die Machthaber selbst unglücklich. Unter der minderwertigen Akustik leidet der Bau bis heute.

Von Olaf Przybilla

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