Der Igel oder Erinaceus europaeus, wie Biologen die Tiere nennen, ist eine Allerweltsart. Jeder hat schon einmal so einen Insektenfresser beobachtet, etwa wenn dieser nachts durch einen Garten oder einen Park streift auf der Jagd nach Beute. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass so ein Igel pro Nacht Wegstrecken von bis zu drei Kilometern zurücklegt, bis er satt ist. Und zwar immer alleine, denn Igel sind ausgesprochene Einzelgänger.
Nun taucht der Igel plötzlich auf der Roten Liste der Säugetiere auf und zwar auf der sogenannten Vorwarnstufe. Sie zeigt an, dass eine Art an einem so dramatischen Schwund leidet, dass sie womöglich in naher Zukunft als bedroht eingestuft werden muss. "Ausgerechnet der Igel", sagt Christian Magerl. Der Grünen-Politiker zählt nicht nur zu den dienstältesten Landtagsabgeordneten. Er ist einer der versiertesten Artenkenner im Freistaat. "Dass es jetzt dem Igel an den Kragen geht, ist wieder ein Beleg dafür, wie kaputt unsere Landschaften und unsere Natur in Bayern inzwischen sind."
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Von 3250 Arten in Bayern sind mehr als 400 nicht mehr nachweisbar. In den vergangenen 25 Jahren machten industrialisierte Landwirtschaft und Flächenfraß den hübschen Insekten das Leben schwer.
So wie das auch die beiden neuen Roten Listen für die Säugetiere und die Libellen in Bayern insgesamt zeigen, die das Landesamt für Umwelt (LfU) am Donnerstag publiziert hat. Zwar hat sich seit den Vorgängerlisten aus dem Jahr 2003 insgesamt wenig verändert. Aber das belegt einmal mehr, dass nach wie vor fast die Hälfte der heimischen Säugetier- und der Libellenarten gefährdet sind. Genau sind es 42 Prozent der Säugetierarten und 43 Prozent der Libellenarten. Natürlich gibt es welche, bei denen die Bestände zunehmen, die Hausspitzmaus zum Beispiel.
Andere wie die Gabel-Azurjungfer wurden sogar zum ersten Mal in Bayern nachgewiesen. Die Libellenart ist entlang der Donau von Südost-Europa nach Bayern zugewandert. Dafür wird die Mond-Azurjungfer nun als ausgestorben geführt, 2003 war sie noch als "extrem selten" eingestuft. Doch dieses Hin und Her im Detail zeigt nur, dass die Bemühungen der Naturschützer um grundsätzliche Verbesserungen für die heimische Tier- und Pflanzenwelt nichts fruchten. "Und von dem vormaligen Ziel der Staatsregierung, bis 2020 den Status bedrohter Arten um wenigstens eine Stufe zu verbessern, sind wir weiter entfernt, denn je", sagt Magerl.
Die Gründe der Misere sind längst bekannt: die anhaltende Betonierung der Landschaft und die Landwirtschaft mit ihrem massiven Einsatz von Agrarchemie, wie dem umstrittenen Glyphosat. Die Libellen etwa, so erläutern die LFU-Fachleute, leiden massiv daran, dass nach wie vor Feuchtwiesen trockengelegt und kleine Tümpel aufgefüllt werden.
Mit den beiden neuen Roten Listen von 2017 sind nun fünf Rote Listen auf aktuellen Stand gebracht worden, 2016 sind die aktualisierten Werke für Brutvögel, Heuschrecken und Tagfalter erschienen. Die Überarbeitung der restlichen mehr als 50 Roten Listen steht weiter aus - obwohl Experten wie Magerl sie seit langem als "überfällig" anmahnen. "Das ist auch so ein Skandal", sagt Magerl. "Egal ob es um die Fische geht, die Amphibien, die Reptilien, die Käfer oder die Spinnen, wir wissen nicht, wie es um sie steht. Und es scheint die Staatsregierung auch nicht zu interessieren, sonst würde sie die Aktualisierungen beschleunigen."