Bayern-Ei-Skandal:Zu wenige Kontrollen gefährden Verbraucher

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Bei der Kontrolle von Eiern liegt, wie bei der Lebensmittelüberwachung insgesamt, vieles im Argen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Der Oberste Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht zum Bayern-Ei-Skandal die Lebensmittelüberwachung umfassend.
  • Die SPD im Landtag kritisiert das Umweltministerium scharf.
  • Umweltministerin Scharf hat nun angekündigt, Konsequenzen ziehen zu wollen.

Von Christian Sebald und Wolfgang Wittl, München

Bis zwei Uhr nachts saß Florian von Brunn von Montag auf Dienstag über dem Gutachten des Bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH), das Aufschluss über den Zustand der bayerischen Lebensmittelüberwachung liefern soll. Danach fühlte sich der SPD-Abgeordnete einerseits bestätigt, andererseits wuchs sein Zorn: "Eine gravierende Mängelliste im Verbraucherschutz" habe der Bericht zutage gefördert.

"Der ORH musste leisten, wozu die Staatsregierung nicht in der Lage war", kritisiert Brunn: Vorschläge zu entwickeln, um das bayerische Kontrollsystem sicherer zu machen. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher spricht von "Totalversagen", von Desorganisation und Unordnung im Umweltministerium. Das betreffe nicht nur Ministerin Ulrike Scharf. Auch ihre Vorgänger Markus Söder und Marcel Huber nehme er ausdrücklich in die Verantwortung mit hinein, sagt Brunn.

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Huber, inzwischen Staatskanzleichef, lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Die Staatsregierung habe hohen Respekt vor dem ORH, man müsse sich das Gutachten aber erst im Detail anschauen. Den Eindruck, in der Lebensmittelsicherheit in Bayern seien "lauter Schlamper" am Werk, weise er entschieden zurück. In der Kabinettssitzung wird das Gutachten eher nüchtern zur Kenntnis genommen, berichten Teilnehmer. Kritik an Scharf wird nicht laut, sie bekommt den Auftrag, die Vorschläge der Prüfer abzuwägen. Darum soll sich nun eine interministerielle Arbeitsgruppe kümmern.

Was der ORH in seinem Bericht fordert

So unterschiedlich können Reaktionen auf ein- und dasselbe Gutachten also ausfallen. Tatsächlich hat es der ORH-Bericht in sich. Die Prüfer haben sich sämtliche Bereiche der Lebensmittelüberwachung vorgenommen - an den 71 Landratsämtern, den sieben Bezirksregierungen, dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) oder im Verbraucherministerium selbst - und ihre Ergebnisse auf 178 Seiten akribisch niedergelegt.

Scharf hatte die Analyse in Folge des Bayern-Ei-Skandals bestellt. Mit Salmonellen-Erregern kontaminierte Eier der Firma sollen 2014 europaweit mehrere Hundert Salmonellen-Erkrankungen und zwei Todesfälle verursacht haben. Die ORH-Prüfer verstehen ihren Bericht aber nicht als Aufklärung dieses Skandals. Sie richten den Fokus auf die Lebensmittelüberwachung als Ganzes.

Und da liegt offenkundig so viel im Argen, dass der ORH eine grundlegende Reform fordert. Die Lebensmittelüberwachung soll nach seiner Vorstellung komplett von den Landratsämtern abgezogen und auf zwei Bezirksregierungen übertragen werden, eine in Südbayern, die andere in Nordbayern. Schließlich, so schreiben die Prüfer, sollte es "oberstes Ziel aller Maßnahmen sein, die wichtigen Aufgaben des gesundheitlichen Verbraucherschutzes so effektiv und effizient wie möglich zu erfüllen". Der Grund: Die Lebensmittelüberwachung sei eine "wichtige Staatsaufgabe zur Gefahrenabwehr".

Wie die Prüfer die aktuelle Lage beschreiben

Was ihren jetzigen Zustand anbelangt, kommen die Prüfer streckenweise zu vernichtenden Urteilen. So heißt es in dem Bericht: "Die vorgesehen Kontrollen (. . .) werden nicht im vorgeschriebenen Turnus und in der nötigen Anzahl erledigt." Als Beispiel führen sie die Schweinemast an. In dem Bereich sollten vergangenes Jahr bayernweit 1180 Kontrollen stattfinden, tatsächlich waren es nur 506.

In den Kontrollbehörden fehle Personal, an nur 17 Prozent der Landratsämter seien Veterinäre, Lebensmittelüberwachung und Vollzugsbehörden zu organisatorischen Einheiten zusammengefasst. Eine regelmäßige Rotation der Amtstierärzte sei nicht gewährleistet. Viele Kreisbehörden überprüften auch nicht, ob Eierproduzenten die eigenen Laborkontrollen wie vorgeschrieben an die Ämter meldeten. "Wird die nur halbjährlich, jährlich oder gar nicht kontrolliert, können Millionen Eier in den Verkehr gelangen, obwohl im Stall Salmonellen festgestellt wurden", schreibt der ORH.

Umweltministerin Scharf verspricht am Dienstag, sie nehme das Gutachten sehr ernst und werde Konsequenzen ziehen. Sie verweist auf einen "Masterplan", der entwickelt werden soll, und außerdem auf eine Projektgruppe, die schon daran arbeite, die Abläufe bei den Lebensmittelkontrollen zu verbessern. Der Opposition ist das zu schwammig. Alle Vorschläge des ORH seien "schnell, gründlich und transparent" umzusetzen, fordert Brunn.

In einem Dringlichkeitsantrag wird die SPD einen Zeitplan für die Umsetzung der ORH-Forderungen verlangen. Der Landtag soll dann halbjährlich über die Fortschritte unterrichtet werden. Die Grünen-Abgeordnete Rosi Steinberger dringt auf einen "Sanktionskatalog, um Verstöße gegen die Vorgaben schnell ahnden zu können". Die Freien Wähler pochen auf eine Bündelung der Lebensmittelüberwachung an zwei Bezirksregierungen.

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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