Mühldorf am Inn:Schrödingers Katze ist ein Zug

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So sieht das Modell eines Wasserstoffzuges aus. (Foto: dpa)

In Mühldorf sollen mal Wasserstoffzüge fahren - wäre die bayerische Eisenbahnpolitik nicht komplizierter als Quantenmechanik.

Glosse von Maximilian Gerl

Um sich dem anzunähern, was mal in Mühldorf sein wird - beziehungsweise nicht sein wird -, hilft Schrödingers Katze: jenes berühmte Gedankenexperiment von Erwin Schrödinger, das die für den Laienverstand so strapaziöse Quantenphysik wohl am besten beschreibt. Denn mit dieser verhält es sich stark vereinfacht wie mit einer Katze, die man in eine Kiste sperrt. Zerfallende Atomkerne kommen in dem Experiment auch vor, das Wichtigste aber ist der Zustand der Katze: Die ist während des Ganzen lebendig und gleichzeitig tot - zumindest solange niemand den Deckel der Kiste hebt und nachschaut.

Und damit zurück nach Mühldorf, genauer: ins örtliche Eisenbahnnetz. Dort überlagern sich gerade ebenfalls zwei Zustände, die sich freilich nur für den gemeinen Laien ausschließen. Im Mühldorfer "Linienstern" sollen von 2025 an Züge mit Brennstoffzelle pendeln und Bayern in eine neue Ära der Mobilität führen. Solche Wasserstoffzüge gelten der Staatsregierung als "Baustein für klimaneutralen Schienenpersonennahverkehr", wie sich in einer Mitteilung aus dem vergangenen Jahr nachlesen lässt. Momentan aber scheint sich der Baustein eher in besagter Kiste zu befinden.

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Denn einerseits wurde laut einer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt aus dem Februar der Auftrag nicht vergeben, Wasserstoff nach Mühldorf zu liefern - weil der Aufgabenträger, die für den Regionalverkehr zuständige Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), angeordnet habe, "dass das zugrundeliegende Vergabeverfahren Linienstern Mühldorf 2025+ auf unbestimmte Zeit ruht". Was andererseits die BEG auf Anfrage so nicht bestätigen will: Zu einem laufenden Verfahren könne man keine Angaben machen, heißt es. Man sei zu Vertraulichkeit verpflichtet.

Eine Vergabe, die läuft und ruht, solange niemand darüber Auskunft gibt - schöner hätte es sich Schrödinger kaum ausdenken können. Auch eine Rückfrage bei der BEG, wie der scheinbare Widerspruch aufzulösen sei, schafft für den Laien keine Aufklärung. Was vielleicht aber auch daran liegt, dass Quantenmechanik gar nichts ist im Vergleich zu bayerischer Eisenbahnpolitik. In Mühldorf ist die Katze nämlich nicht nur lebendig und tot, sondern auch noch zu spät. Laut BEG-Website sollte das Vergabeverfahren im Dezember 2021 abgeschlossen sein.

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