Museum Mödlareuth:Sanierter Grenzturm erinnert an DDR-Grauen

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Raps blüht vor dem letzten DDR-Grenzturm auf sächsischem Boden in Heinersgrün nahe der bayerischen Landesgrenze. Der Turm wurde saniert, bald soll er vom Deutsch-Deutschen Museum in Mödlareuth aus besichtigt werden können. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Der letzte DDR-Grenzturm zwischen Sachsen und Bayern ist steinerner Zeuge der Brutalität, mit der sich der Osten einst vom Westen abschirmte - und die viele Menschen das Leben kostete.

Peter Stegemann aus der Region Zwickau wurde am frühen Morgen des 22. Juli 1978 bei Heinersgrün jäh aus dem Leben gerissen. Er starb beim Versuch, im Vogtland die innerdeutsche Grenze zu überwinden und nach Bayern zu fliehen. Stummer Zeuge seines Todes ist bis heute der Grenzturm Heinersgrün in direkter Nähe. Er hat die Wiedervereinigung überdauert und wurde nun für 278 000 Euro saniert. Künftig soll er als eines der letzten Relikte der DDR-Grenzsicherung zwischen Sachsen und Bayern einen Beitrag zur Erinnerung und historischen Aufarbeitung leisten.

Der Grenzturm war erst einige Monate vor Stegemanns Tod im Januar 1978 in Betrieb gegangen. Bei ihm handle es sich um eine sogenannte Führungsstelle, erklärt Susan Burger vom Deutsch-Deutschen Museum Mödlareuth. Das Museum wird künftig die inhaltliche Gestaltung des Turms übernehmen.

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Von den Führungsstellen aus sei die tägliche Arbeit in den Grenzabschnitten organisiert worden, sagt Burger. "Hier lief die Technik für die Grenzsignalzäune zusammen und auch die Kommunikation der Grenzposten mit dem diensthabenden Kommandeur. Zudem gab es Verbindung zu übergeordneten Stellen." Mit Scheinwerfern konnte das Gelände um die Türme ausgeleuchtet werden. Stationiert war hier das Grenzkommando Süd, III. Grenzbataillon, Grenzregiment-10 Plauen "Ernst Grube".

In dem Heinersgrüner Grenzabschnitt sei es zu mehreren Zwischenfällen gekommen, sagt Burger. Dazu zähle der Fluchtversuch Stegemanns in direkter Nähe zum Turm. Seinen Tod durch Splitterminen habe das Ministerium für Staatssicherheit verschleiern wollen.

Mödlareuth wurde wegen seiner Trennung auch "Little Berlin" genannt

Der Grenzturm soll inhaltlich zum Deutsch-Deutschen Museum Mödlareuth gehören, das eine Viertelstunde mit dem Auto entfernt an der bayerisch-thüringischen Grenze liegt. Mödlareuth wurde bekannt als "Little Berlin", weil es von den 60er-Jahren bis zum Fall des Eisernen Vorhangs durch eine Mauer getrennt war - wie Berlin. Der kleine Ort war früher schon durch den Tannbach getrennt, eine Hälfte lag in Thüringen, die andere in Bayern. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Osten russische Besatzungszone wurde und der Westen an die Amerikaner ging, wurde die Trennung für die Menschen auch spürbar. Mit dem Mauerbau war ein Grenzverkehr nicht mehr möglich, Familien und Freunde wurden getrennt.

Das Museum soll daran erinnern, Teile der Grenzanlagen sind noch erhalten, kürzlich erst war der Spatenstich für einen Neubau für die Dauerausstellung. Nun kommt mit dem Grenzturm in Heinersgrün ein drittes Bundesland dazu, dann betrifft das Museum die Geschichte Bayerns, Thüringens und Sachsens.

An den Grenzturm und das Licht der Suchscheinwerfer nachts kann sich Reiner Thiele aus Heinersgrün noch gut erinnern. "Wir sahen das Licht regelmäßig. Die Scheinwerfer kamen wohl zum Einsatz, wenn etwas vorgefallen war", erzählt der 66-Jährige über das Leben in dem damaligen Grenzdorf, das unterhalb des Turms liegt. Sogenannte Passierscheine brauchten die Heinersgrüner, um in ihren eigenen Ort zu kommen. "Besuch durften wir nur von engeren Verwandten empfangen. An Feiertagen oder bei Tanzveranstaltungen in der Umgebung, wenn viele Menschen unterwegs waren, wurden wir ununterbrochen kontrolliert."

Zeitzeuge Reiner Thiele steht vor dem letzten DDR-Grenzturm auf sächsischem Boden in Heinersgrün nahe der bayerischen Landesgrenze. Der 66-Jährige lebt in dem damaligen Grenzdorf, das unterhalb des Turms liegt. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Um ein anderes, ebenfalls weithin sichtbares Gebäude kümmerten sich viele Heinersgrüner in den 1970er-Jahren selbst, erzählt Thiele. Die Kapelle Santa Clara mit ihrer zwiebelförmigen Kuppel steht am oberen Rand des Dorfes fast als Pendant zu dem schmucklosen Grenzturm. Der Kirchenvorstand und viele Helfer übernahmen damals in Eigenregie die Sanierung, erinnert sich Thiele. "Das gefiel den Grenzposten überhaupt nicht, der strahlend weiße Putz der Kirche war weithin sichtbar und hätte als Orientierungspunkt genutzt werden können." Noch heute können Interessierte bei Thiele den Kirchenschlüssel abholen und die kleine Kapelle besuchen.

Auch der Grenzturm soll bald für Besucher öffnen, sagt die Sprecherin des Vogtlandkreises, Madlen Schulz. Acht Infotafeln im Außenbereich sollen frei zugänglich einen Kurzüberblick über die Geschichte der innerdeutschen Grenze geben. Im Inneren werden weitere Informationen zu den damaligen Führungsstellen vorbereitet. Besichtigt werden könne der sanierte Turm in Zukunft etwa bei Seminaren über das Museum Mödlareuth. "Ein Reisebus wird als Shuttle dienen. Und an historischen und kulturellen Jahrestagen soll der Turm ganztägig geöffnet sein." Ein genauer Eröffnungstag steht aber noch nicht fest.

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