Liberale in Bayern:Wie sich die FDP aus der Versenkung hebt

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Mit etwa 5500 Mitgliedern zählt die FDP heute 300 mehr als noch 2013, als sie aus Landtag und Bundestag flog. (Foto: Getty Images)

Die Liberalen in Bayern erleben einen lange nicht gekannten Zuspruch - und liegen in den Umfragen noch vor der Bundespartei.

Von Lisa Schnell, München

Wie es der FDP in Bayern geht, lässt sich an einer Veranstaltung ablesen, die man als politische Tupperware-Party bezeichnen könnte. FDP at home heißt das Konzept und es geht so: Um den Kaffeetisch reihen sich Gäste aus der Nachbarschaft. Statt auf Plastikschüsselchen richtet sich ihr Blick auf einen 63-jährigen Mann. Er hat die grau-weißen Haare hinter die Ohren gelegt, trägt gerne rosa Hemden und Künstlerschal: Albert Duin, Landeschef der Bayern-FDP. Es gab Zeiten, da kamen nur ein paar Neugierige. Jetzt reichen manchmal die Stühle kaum.

Die FDP macht sich wieder auf, jemand zu sein. In Bayern liegt sie mit zehn Prozent Zustimmung in der aktuellsten Umfrage über dem Bundestrend. Mit etwa 5500 Mitgliedern zählt die Partei heute 300 mehr als noch 2013, als sie aus Landtag und Bundestag flog. Tendenz steigend. Was ist das für eine Partei, die zaghaft ihren Kopf aus der Versenkung erhebt?

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Eine, die ganz anders sein will, als die Verlierer-FDP von 2013. Fünf Jahre vorher waren die Liberalen in der Krise der CSU von ganz unten nach ganz oben geschossen. Nach 14 Jahren außerparlamentarische Opposition direkt in eine schwarz-gelbe Koalition. Doch kaum hatten sie begriffen, wo bei der Regierungsbank vorne und hinten ist, ging es schon wieder bergab. "Wir waren am Boden", erinnert sich Landeschef Duin. Der Niedergang seiner Partei war sein Aufstieg. Als Quereinsteiger setzte sich der Münchner Unternehmer im Kampf um den Landesvorsitz gegen den ehemaligen Fraktionschef Thomas Hacker durch.

Die Partei wollte den absoluten Neuanfang. Neue Gesichter, ein neues Image. Was Bodenhaftung bedeutet, konnten die Liberalen mit dem Umzug der Parteizentrale erfühlen. Früher, als man sich bei den Liberalen noch zu Koalitionsgesprächen traf, residierte die FDP standesgemäß mitten in der Stadt, am Rindermarkt. Jetzt riecht es in ihrem Treppenhaus im Bahnhofsviertel nach Döner. Duin spricht auch mal vom kleinen Mann und von seinem Elternhaus, in dem es keine goldenen Löffel gegeben habe. Sicher, mittlerweile ist er Unternehmer, wettert gegen Bürokratisierung und "gewerkschaftlich verseuchte Ministerien", trotzdem: "Die Zeiten, in denen die FDP nur die Partei der reichen Unternehmer war, sind vorbei", sagt Duin. Genau wie die, in denen sie nur ein Thema zu kennen schien: Steuersenkungen.

Die will die FDP immer noch, der Soli müsse weg und die kalte Progression, sagt Duin, aber es gebe da viel mehr: Die FDP stehe für Chancengleichheit in der Bildung und für Bürgerrechte. Themen, die auch SPD und Grüne für sich reklamieren. Vor allem mit dem Anliegen, den Gründergeist in Bayern neu zu beleben, könne sich die FDP hervortun, sagt Lukas Köhler, der Vorsitzende der Jungen Liberalen (Juli). Und dann sei da noch das "Knallerthema", Cannabis zu legalisieren. Auch wenn die Prioritäten bei den Themen unterschiedlich ausfallen, freut man sich an allen Ecken, dass die Partei jetzt wieder breit aufgestellt sei.

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Statt Unsicherheit herrsche nun wieder Selbstgewissheit, sagt ein Mitglied. Und statt Streit Einigkeit. Die Kämpfe zwischen der alten Riege und den Neuen seien beigelegt, heißt es mit dem Verweis auf die Aufstellung für die Bundestagsliste, bei der einige ehemalige Landtags- und Bundestagsabgeordnete einen guten Platz bekamen. Die Partei habe verstanden, dass sie die Erfahrung brauche, sagen die Erfahrenen. Die Altgedienten kapierten endlich, dass auch sie Fehler gemacht hätten, sagen die Neuen. Auf jeden Fall herrsche Frieden.

Und so ist es sehr wahrscheinlich, dass bei der nächsten Landtagswahl 2018 wieder zwei Vertreter der alten Ära kandidieren: Der ehemalige Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch gibt sich zwar noch unentschlossen, nur wenige zweifeln aber an einer Kandidatur. Und Ex-Wirtschaftsminister Martin Zeil sagt: "Ich bin bereit, einen Beitrag zu leisten, wenn die Partei das will." Ob die Partei das will, da sind sich manche nicht ganz sicher. Denn gerade Zeil, der frühere Spitzenkandidat, zeigt für einige zu wenig Selbstkritik.

Die Misere der FDP 2013 in Bayern erklärt er sich vor allem durch den negativen Bundestrend. Es sei leider nicht gelungen, sich davon abzukoppeln und mit den Ergebnissen der bayerischen Regierungsarbeit zu punkten, sagt Zeil. Auch den Vorwurf, die Basis sei damals nicht genügend einbezogen worden, lässt er pauschal nicht gelten. Was Juli-Chef Köhler von solchen Reden hält, will er nicht sagen.

Er argumentiert umgekehrt: Genau, weil die Basis in den vergangenen Jahren so viel mitreden durfte wie wohl noch nie, habe sich die Partei wieder berappelt, sagt Köhler. Diese Bindung dürfe nicht abreißen, auch wenn die FDP wieder Mandatsträger habe. Ein böses Wort gegen die Zeils in der Partei hört man von ihm aber nicht.

Bis zur Bundestagswahl hält man sich auch in der FDP an die Parteidisziplin. Für die Zeit danach gibt es mehrere Szenarien. "Schaffen wir es nicht in den Bundestag, dann bin ich weg", sagt Landeschef Duin. Ansonsten meldet er seinen Anspruch auf die Spitzenkandidatur im Landtag an. Ob die Partei ihm die gewährt, scheint nicht ganz sicher zu sein. Duin hat sein Gesicht hingehalten in Zeiten, in denen einer, der sich als Liberaler outete, mindestens eine Tapferkeitsmedaille verdient gehabt hätte. Dass er sich abgerackert und der Partei wieder Selbstbewusstsein gegeben habe, rechnen ihm viele hoch an. Nur: Können sich die Mitglieder ihren Landesvorsitzenden auch im Landtag vorstellen? Gar auf der Regierungsbank?

Duin ist impulsiv, redet, wie es ihm passt, nicht immer besonders ausgewogen. Mal teilt er auf Facebook einen Artikel, der politisch eher von rechts der Mitte kommt, mal scheint er sich selbst in die Richtung zu bewegen, wenn er das "Geschäftsmodell" Asyl kritisiert. Er entschuldigt sich schon mal, wenn er sich im Ton vergreift, vorsichtiger wird er kaum. Das kann man erfrischend finden oder nur schädlich. Einig ist man sich in der FDP aber, dass man jetzt nicht darüber spricht. Über die eigenen Leute lästern, auch das sei doch die alte Verlierer-FDP. Jetzt aber will man mal wieder gewinnen.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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