Regierungsbildung:Wer wird was im bayerischen Kabinett?

Lesezeit: 3 min

FW-Mann Thorsten Glauber hat als Franke gute Chancen. Michaela Kaniber hat sich in der CSU schnell hochgearbeitet. (Foto: Tobias Hase/dpa, Christian Endt)

Noch geht es bei den Koalitionsgesprächen von CSU und Freien Wählern um Inhalte. Danach werden die Posten verteilt. Doch wer bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzt, hat gute Chancen.

Von Wolfgang Wittl, München

Nichts verraten, freundlich lächeln und dann schnell die Treppe Richtung Landtagsgaststätte hinab: Es ist jeden Tag das gleiche Prozedere, wenn die Unterhändler von CSU und Freien Wählern zur Mittagszeit ihre Gespräche unterbrechen. Am Anfang war noch innerparteiliche Grüppchenbildung angesagt, am Donnerstag plaudern die Partner in spe schon koalitionsübergreifend - die CSU-Frauen Ilse Aigner und Michaela Kaniber mit FW-Mann Florian Streibl, Gesundheitsministerin Melanie Huml im vertieften Austausch mit Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Einige von denen, die gerade auf ein warmes Mittagessen zusteuern, werden bald dem bayerischen Kabinett angehören. Was hat es zu bedeuten, wer der Verhandlungsrunde angehört? Eine ganze Menge, aber längst noch nicht alles.

Über Personal wird traditionell erst am Schluss gesprochen, es ist Sache der Parteien, wen sie nominieren. Sicher ist: In Saal 2 des Landtags am Verhandlungstisch zu sitzen, dürfte die Chancen auf eine herausgehobene Rolle nicht schmälern. In der CSU sind wichtige Posten bereits vergeben. Markus Söder wurde von der Fraktion einstimmig für seine eigene Nachfolge als Ministerpräsident bestimmt, seine bisherige Stellvertreterin Ilse Aigner soll Landtagspräsidentin werden. Fraktionschef Thomas Kreuzer und der parlamentarische Geschäftsführer Tobias Reiß wurden in ihren Ämtern bestätigt, ein Wechsel ins Kabinett ist damit passé. Und dann?

Das fiktive Verhandlungsprotokoll
:"Ich glaube, wir sind uns einig"

Sind die Freien Wähler wirklich so heiß aufs Regieren? Wozu wären die Grünen bereit gewesen? Die SZ veröffentlicht das geheime und völlig frei erfundene Protokoll der Sondierungen.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Finanzminister Albert Füracker gilt in der CSU als unantastbar. Er hat bewiesen, dass er weit mehr ist als nur Söders engster Vertrauter. Sein nüchterner Stil ist in Partei und Fraktion anerkannt, mit der Oberpfalz führt er einen der größten CSU-Bezirke. Dass Füracker außerdem das beste Erststimmenergebnis im Land holte, er kam als einziger Abgeordneter über 50 Prozent, dürfte ihm kaum geschadet haben.

Joachim Herrmann, Chef der Mittelfranken-CSU, sollte als Innenminister gesetzt sein - sofern er nicht in gleicher Funktion im Bund benötigt wird. Herrmann wird immer wieder als Kandidat für Berlin genannt, falls die Zeit von Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer demnächst abläuft - wovon mehr und mehr Parteifreunde ausgehen. Herrmann zeige allerdings kein Interesse, seinen Posten am Odeonsplatz nach zehn Jahren aufzugeben, heißt es in der CSU. Denn er müsste ohne Bundestagsmandat und somit ohne Absicherung wechseln. Ohnehin weiß im Moment niemand, wie es mit der Berliner Koalition nach der Hessen-Wahl am Sonntag weitergeht. Wie auch immer: Das Finanz- und Innenministerium werden in der CSU als Schlüsselressorts betrachtet, beide gelten als nicht verhandelbar.

Sollte das Innenministerium wider Erwarten neu besetzt werden müssen, wäre Florian Herrmann ein Aspirant. Er hat jahrelang den Innenausschuss geleitet, ehe Söder ihn zum Chef der Staatskanzlei berief. Als solcher ist er unverzichtbares Verhandlungsmitglied, wie übrigens auch Karolina Gernbauer, Bayerns höchste Beamtin. CSU-Generalsekretär Markus Blume bildet die Schnittstelle zur Partei. Trotz vereinzelter Rücktrittsforderungen nach dem Wahlkampf gehört er weiter zu den Zukunftshoffnungen der CSU. Parteifreunde halten den Abgeordneten aus München für ministrabel, es dürfte jedoch vorerst beim Amt des Generalsekretärs bleiben.

Als Fingerzeig wird die Berufung zweier Frauen ins Verhandlungsteam bewertet: Gesundheitsministerin Melanie Huml holte ein ansprechendes Ergebnis in Oberfranken. Wie auch Blume steht sie als stellvertretende CSU-Chefin für die Rückkopplung mit der Partei. Sie dürfte einen Platz im Kabinett sicher haben. Überraschender war die Berufung von Michaela Kaniber, auch sie ist fester Teil der CSU-Gruppe. Die Landwirtschaftsministerin bekam intern den Vorzug vor ihrer oberbayerischen Kollegin Kerstin Schreyer, ein Manifest ihres raschen Aufstiegs. Sozialministerin Schreyer wurde wie andere Ressortchefs nur in die Verhandlungen gebeten, wenn es um ihr Fachgebiet ging. Am Donnerstag kam Umweltminister Marcel Huber hinzu, später ging es um Europa und Digitales - die Themen von Georg Eisenreich.

Die wichtigste Frage bei den Freien Wählern stellt sich für Hubert Aiwanger

Schreyer, Huber und Eisenreich dürfen sich Hoffnungen auf Weiterbeschäftigung machen. Einen festen Platz sollte Kultusminister Bernd Sibler finden. Er hat das brisante Thema Schule im Wahlkampf weitgehend entschärft und in der niederbayerischen AfD-Hochburg Deggendorf landesweit eines der besten Ergebnisse eingefahren. Offen ist, wer in der regionalproporz-gläubigen CSU auf dem unterfränkischen und schwäbischen Ticket ins Kabinett reisen darf. Bislang waren das Winfried Bausback (Justiz) und Franz Josef Pschierer (Wirtschaft). Ihre Zukunft hängt auch davon ab, welches Ministerium die Freien Wähler für sich beanspruchen.

Nur von kurzer Dauer dürfte die politische Laufbahn von Wissenschaftsministerin Marion Kiechle gewesen sein. Die Seiteneinsteigerin fremdelt bis heute mit der CSU-Fraktion. Eine erneute Berufung ohne Landtagsmandat gilt mit Blick auf die geschrumpfte Zahl von Posten als äußerst unwahrscheinlich, zumal die Freien Wähler im Ausschussvorsitzenden Michael Piazolo eine parteiübergreifend anerkannte Alternative anbieten können.

Die wichtigste Frage bei den Freien Wählern stellt sich für Hubert Aiwanger: Zieht er ins Kabinett ein - oder bleibt er Fraktionschef, wie er hin und wieder kokettiert? Die meisten seiner Parteifreunde glauben, dass Aiwanger sich den Titel des stellvertretenden Ministerpräsidenten gut vorstellen könnte, vielleicht in einem um Heimat erweiterten Bau- und Verkehrsministerium. Als Justizminister kämen der parlamentarische Geschäftsführer Florian Streibl und Fernsehrichter Alexander Hold infrage, Streibl könnte auch zum Fraktionschef aufrücken. Für das Wirtschaftsressort böte sich womöglich Thorsten Glauber an, auch er gehört zu den Unterhändlern. Als Oberfranke würde er die Süd-Lastigkeit seiner Fraktion zumindest etwas lindern.

Das Frauen-Problem der Freien Wähler wäre damit nicht gelöst. Nur drei weibliche Abgeordnete haben Parlamentserfahrung: Die innenpolitische Sprecherin Eva Gottstein, die sozialpolitische Sprecherin Gabi Schmidt und Jutta Widmann aus Aiwangers Nachbarschaft in Niederbayern. Vielleicht kommt eine von ihnen als Landtagsvizepräsidentin zum Zug. Festgelegt hat sich die Fraktion noch nicht - zu viele hoffen auf einen Platz im Kabinett.

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Nach der Bayern-Wahl
:Verliert München an Bedeutung?

In der Stadt ist die CSU geschwächt, die Freien Wähler waren hier noch nie stark. Schon warnen erste Stimmen, die Interessen Münchens könnten hinten runterfallen.

Von Dominik Hutter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: