Schulen in Bayern:Wissen gegen Judenhass

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Mit Informationen und Wissen will Spaenle dem zunehmenden Judenhass entgegensteuern. (Foto: dpa)

Die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten in Bayern steigt. Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Staatsregierung, will mit Bildungsprojekten gegensteuern.

Von Jakob Wetzel, München

Wie schnell es gehen kann, habe sich in der Corona-Krise wieder gezeigt, sagt Ludwig Spaenle, der Antisemitismus-Beauftragte der Staatsregierung. Da habe man zusehen können, wie sich ein Sündenbock-Syndrom entwickle. In diesem Fall sei Bill Gates ins Visier der Verschwörungsideologen geraten; es hätte aber genau so gut "die Juden" treffen können, die Mechanismen seien die gleichen: "Antisemiten fühlen sich bedroht, und sie suchen sich dann jemanden, der dafür verantwortlich sein soll." Warum das so gut funktioniere, liege nicht zuletzt an fehlender Bildung.

Spaenle will jetzt genau hierbei gegensteuern, ebenso wie Rupert Grübl, der Leiter der bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Gemeinsam haben Spaenles Geschäftsstelle und die Landeszentrale zunächst ein Themenheft über Antisemitismus erarbeitet. Ende Juli soll es erscheinen und an alle Schulen verteilt werden; dazu kann man es über die Landeszentrale bestellen. Weitere Projekte sind geplant, so ein Argumentationstraining gegen antisemitische Parolen oder auch ein Heft zu jüdischem Leben in Bayern. Denn das Judentum gehöre dazu, sagt Grübl: Die Geschichte der Juden in Bayern und Deutschland sei nicht nur die der Verfolgung und des Holocaust, vielmehr hätten jüdische Bürger einen erheblichen Beitrag etwa zu Kultur, Politik und Wirtschaft geleistet. Neben der Erinnerung an die Schoah müsse auch diese positive Geschichte stärker ins Bewusstsein dringen.

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Fast 300 der Straftaten rechnet das Innenministerium dem rechten politischen Spektrum zu. Der Anstieg sei besorgniserregend, sagte ein Sprecher - rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr.

Spaenle, früher bayerischer Kultusminister, ist seit gut zwei Jahren Beauftragter der Staatsregierung gegen Antisemitismus. Die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten in Bayern steige; 2019 habe es mehr als 300 Fälle gegeben, sagt er. Er wolle nicht nur reagieren, sondern handeln, sagt Spaenle. In den vergangenen Monaten hat er ein Präventionskonzept ausgearbeitet, er hat es "Wissen gegen Judenhass" getauft: Er will antisemitischen Vorurteilen Bildung entgegensetzen, nicht nur an Schulen, auch in der Erwachsenenbildung, in der Wissenschaft, in der Erinnerungsarbeit oder auch im öffentlichen Dienst, also etwa bei der Polizei. Dazu hat er jeweils Material gesammelt, eine Übersicht über existierende Projekte und Broschüren zusammengetragen und zum Beispiel einen Leitfaden für Lehrer, die mitbekommen, dass sich Schüler extremistische Bilder auf ihre Handys schicken. Aus dieser Fülle soll sich jede Einrichtung bedienen, um ein Konzept für sich selbst zu entwickeln.

Das gemeinsam mit der Landeszentrale erstellte Themenheft ist eine dieser Anregungen: Hierfür haben nicht nur renommierte Antisemitismus-Forscher Aufsätze geschrieben, es spricht auch zum Beispiel der Rapper Ben Salomo über antisemitische Anfeindungen in der Szene. Deutsche und israelische Jugendliche unterhalten sich über ihre persönlichen Erfahrungen mit Vorurteilen und Antisemitismus. Und Robert Sigel, Historiker und Mitarbeiter Spaenles, weist auf Defizite in der Lehrerbildung hin: Dort und auch in Fortbildungen für Lehrer sei Antisemitismus bislang nur ein Randaspekt. Deswegen gebe es Wissenslücken zum Beispiel über die Geschichte des Zionismus oder auch über den Teilungsplan der Vereinten Nationen für Palästina und dessen Ablehnung durch die arabischen Staaten. Solche Lücken seien oftmals Grundlage für irrige Urteile über Israel - und Einfallstor für Antisemitismus.

Als Kritik an der Arbeit der Lehrenden wollen Spaenle und Grübl das Heft freilich nicht verstanden wissen. "Ich glaube, dass jede Generation Lehrer und Politiker das getan hat, was sie für gut und nötig gehalten hat", sagt Grübl. Er war selber 28 Jahre lang Lehrer, zuletzt leitete er ein Gymnasium in München. Doch man müsse nun einen Schritt weitergehen, und es brauche mehr Wissen im Detail. An den Schulen passiere schon viel, sagt auch Spaenle, "doch es muss einfach mehr sein". Die Lage habe sich verändert: Das vorherrschende Bild von Israel habe sich gewandelt, der Staat werde negativer wahrgenommen als zuvor. Antisemitismus sei mittlerweile oft Israel-bezogen; und auch islamistischer Antisemitismus sei hierbei vergleichsweise neu. Das Internet sei als Brandbeschleuniger nicht zu unterschätzen. "Unser Ziel ist, eine Situation zu schaffen, in der kein jüdischer Bürger mehr glaubt, dass er von hier weggehen muss", sagt Grübl. "Das ist einfach furchtbar."

© SZ vom 31.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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