Mitten in Hof:Initiative aus Oberfranken verschenkt eine Million Schuhsohlen

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Der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle zog 2002 mit dem sogenannten Projekt 18 in den Bundestagswahlkampf. Seine Sohle hielt er in jede Kamera. (Foto: Thomas Koehler/imago/photothek)

So sollen die ungetragenen Teile vor der Müllverbrennung gerettet werden. Die Vermittler haben Schuster oder Künstler im Blick - aber wäre das nicht was für die FDP?

Glosse von Thomas Balbierer

Im Jahr 2002 startete die FDP mit einer schrägen Kampagne in den Bundestagswahlkampf. Die Partei war vier Jahre zuvor aus der Regierung geflogen und kriselte seitdem vor sich hin. Um den Abwärtssog zu stoppen, erdachten die Parteistrategen ein Konzept, das möglichst viel Aufmerksamkeit auf die FDP lenken sollte: das sogenannte Projekt 18. Parteichef Guido Westerwelle rief sich dafür zum "Kanzlerkandidaten" aus, trat in der Reality-Show "Big Brother" auf und tourte mit einem gelben Campingbus durchs Land, dem "Guidomobil". Das selbsternannte Ziel: 18 Prozent der Wählerstimmen.

Die Zahl ließ er sich sogar in die Sohle seiner Lederschuhe einprägen, in gelber Farbe, klar. Bei jeder Gelegenheit streckte er sie in die Kameras. Der ulkige Wahlkampf brachte zwar Aufmerksamkeit (oft in Form von Spott), am Ende landete die FDP bei nur 7,4 Prozent.

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Vielleicht träumen die Liberalen heute trotzdem von einem Westerwelle-Moment. Wie damals steckt die FDP in der Krise und könnte einen Schubs vertragen. Die letzten fünf Landtagswahlen gingen übel aus, zuletzt flogen die Liberalen aus dem Berliner Senat. Und im Herbst wird auch in Bayern gewählt, Umfragen sehen sie unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Da kann diese Meldung aus Oberfranken schon als Fingerzeig des Himmels erscheinen: Die Hofer Nachhaltigkeitsinitiative "Weiter Geben Org" will rund eine Million Schuhsohlen verschenken.

Die Organisation vermittelt üblicherweise Möbelspenden an Vereine und soziale Einrichtungen, doch vor Kurzem fiel ihr eine außergewöhnliche Gabe zu: 100 Tonnen Schuhsohlen - "fabrikneu, aber einige Jahrzehnte alt". Wie Sprecher Harald Prokscha erklärt, lagen die Sohlen diverser Marken vergessen in einer Halle, ein Teil sei bereits porös. Sie gehörten einem Unternehmen, das Überproduktionen auf- und verkaufte, den Betrieb aber längst eingestellt hat. "Nun soll die Halle geräumt werden", sagt Prokscha. "Wir wollen die Sohlen retten." In den nächsten fünf Wochen müssen sich Abnehmer finden, sonst droht die Müllverbrennung.

Prokscha hat Schuhmacher oder Künstlerinnen im Blick, aber wäre das nicht etwas für die FDP - als Werbegeschenk am Wahlkampfstand zum Beispiel? Sie könnte die Welt vor einer üblen Ressourcenverschwendung bewahren und kurzerhand eine alte Kampagne wiederbeleben. Nur sollte diesmal besser eine 5 auf der Sohle stehen.

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