Berufliche Bildung:Im Ausland für Bayern lernen

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Johannes Reischl hat in Lenting das Schreinerhandwerk gelernt - und seine Kenntnisse anschließend bei einem Auslandsaufenthalt in Rotterdam verfeinert. (Foto: privat)

Schreiner Johannes Reischl hat mehrere Monate in den Niederlanden zugebracht. Im Studium sind solche Auslandsaufenthalte ganz normal, in der beruflichen Bildung dagegen oft noch die Ausnahme.

Von Maximilian Gerl, Lenting/München

Wenn Johannes Reischl nachdenkt, was ihm aus seinem Auslandsaufenthalt besonders in Erinnerung geblieben ist, dann fällt ihm die Aussicht ein. Ein Auftrag führte damals ihn und seine Schreinerkollegen in eines von Rotterdams höchsten Häusern: mit mehr als 50 Stockwerken, erzählt er, aber schon aus dem 26. sei der Blick über die Stadt "sehr beeindruckend" gewesen. Überhaupt klingt Reischl am Telefon so, als habe das Arbeiten in den Niederlanden Eindruck bei ihm hinterlassen. In seinem Handwerk gelte, je mehr Erfahrung, desto besser - und dazu gehöre auch zu sehen, wie andere die Dinge anpackten und Herausforderungen lösten.

Erfahrungen sammeln, den Horizont erweitern: Im Studium sind Aufenthalte in anderen Ländern ganz normal. Tausende junge Menschen verschlägt es deshalb jedes Semester von bayerischen an ausländische Universitäten. Doch in der beruflichen Bildung passiert das relativ selten. Dabei halten Kammern und Innungen inzwischen große Stücke auf das Thema Auslandserfahrung - auch weil sie versuchen, mehr Menschen für eine Ausbildung zu begeistern und diese als gleichwertige Alternative zum Studium zu präsentieren. Da passt es gut ins Bild, dass man nicht nur als Studierender reisen kann. Zumindest theoretisch.

So gesehen wäre Schreiner Reischl eine Ausnahme. Auch in seinem Jahrgang an der Berufsschule, sagt er, sei er seines Wissens der Einzige gewesen, der einige Zeit ins Ausland gegangen sei. Für vier Monate arbeitete er in Rotterdam und baute Küchen ein. Für Reischl eine interessante Abwechslung, aus dem väterlichen Betrieb in Lenting bei Ingolstadt kannte er sich vor allem mit Türen, Fenstern, Eckbänken und Ähnlichem aus. Und: "Anderer Stil, andere Technik", sagt er. Während in Bayern öfter rustikal gebaut werde, sei das Küchendesign in Rotterdam moderner ausgefallen.

Für seine Reise ins Ausland griff Reischl auf Erasmus Plus zurück. Dieses Austauschprogramm der EU nutzen vor allem Studierende, es steht aber ebenso Azubis und Berufsschülern offen. Vereinfacht zahlt das Programm einen Zuschuss für die Reise- und Aufenthaltskosten sowie für die Organisation. Um die Vermittlung zwischen Interessenten und Betrieben kümmern sich Beraterinnen wie Kathrin Budick von der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Dort zählen sie im Rahmen von Erasmus Plus für Januar bis August dieses Jahres 24 sogenannte Mobilitäten: Zum Beispiel sei ein Schreiner gerade in Japan und ein Bäcker in Dubai, sagt Budick. Demnächst sollen vier Elektroniklehrlinge nach Graz reisen, gemeinsam. Auch solche Gruppenmobilitäten sind möglich. Diese gehen oft nur über wenige Wochen, dafür lassen sie sich einfacher mit dem Ausbildungsalltag in Bayern vereinbaren.

Manchmal spielt der Chef nicht mit

Wie viele Handwerkerinnen und Handwerker bayernweit solche Angebote nutzen, ist schwer zu beziffern: Es gibt verschiedene Stipendien mit teils mehreren Partnerorganisationen, jede mit eigenen Kontingenten. Manchmal bemühen sich junge Gesellen auch privat um Austauschmöglichkeiten oder wechseln an eine Zweigstelle im Ausland, falls ihr Betrieb dort eine hat. Verglichen mit dem Studium erfolgt der Gang ins Ausland aber selten. Denn im Handwerk ist die Stundentafel durchgetaktet, mit Arbeitszeit in der Firma, Unterricht in der Berufsschule und den Einheiten in der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung. Zwar erlaubt beispielsweise das Erasmus-Programm, den Auslandsaufenthalt auch bis zu einem Jahr nach Abschluss nachzuholen. Viele Gesellen sind da aber schlicht froh, die Lehrjahre geschafft zu haben. Bisweilen macht auch der Chef nicht mit - und verweigert die Freigabe. Eine Fachkraft lässt man nur ungern ziehen, selbst wenn es nicht für lange ist. Den Wettbewerb, in dem sich das Handwerk mit der akademischen Welt wähnt, gewinnt man aber so natürlich eher nicht für sich.

Auch Geselle Reischl war frisch ausgelernt, als er nach Rotterdam ging: So habe er keine Rücksicht auf die Berufsschule nehmen müssen, sagt er. Außerdem sei er ja erst 19 Jahre alt, "ich habe noch viel Zeit". Nachdem es aber Reischl im Ausland so gut gefallen hat, plant er schon den nächsten Aufenthalt. Das Ziel, wenn alles klappt: Österreich. "Ich bin da guter Dinge, dass das funktioniert."

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