Grafenau:Wirtschafts- oder Naturschutzwald: Was ist effizienter für den Klimaschutz?

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Selbst schnell wachsende Bäume sind gut fürs Klima. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Politik und Waldbesitzer streiten mit Naturschützern um die Antwort.

Von Christian Sebald, Grafenau

So sehr die Wälder in Bayern an der Klimakrise leiden, so wichtig sind sie, um deren schlimmen Auswirkungen abzumildern. Denn die Wälder speichern immens viel CO₂, den Hauptverursacher der Klimakrise. "Wenn Bäume wachsen, entziehen sie der Atmosphäre Kohlendioxid und speichern es als Kohlenstoff", sagt Forstministerin Michaela Kaniber (CSU), "allein in Bayern handelt es sich um etwa 27 Millionen Tonnen pro Jahr." Das ist ein Drittel des energiebedingten CO₂-Ausstoßes im Freistaat. Kaniber weiß auch, welche Wälder besonders gut sind gegen die Klimakrise: Es sind die Wirtschaftswälder, deren Besitzer genau darauf achten, dass sie "intakt, stabil und vital" sind. Denn, so hat sie erst unlängst wieder betont, "sterbende Bäume setzen das Klimagas wieder frei".

Der Waldbesitzerverband argumentiert genauso. "Lediglich ein nachhaltig bewirtschafteter Wald ist ein Klimawald", schreibt er im Internet. Denn auch bei der Nutzung des Holzes - egal ob als Tisch oder Holzhaus - bleibe das in ihm gebundene CO₂ auf Jahre hinaus darin gespeichert und trage nicht zur Klimaerwärmung bei. Aber nicht nur das: Durch die Verwendung von Holz aus heimischen Wäldern könnten CO₂-intensive Rohstoffe wie Beton oder fossile Energieträger wie Heizöl eingespart werden. Dem sogenannten Substitutionseffekt komme entscheidende Bedeutung "bei der Rettung unseres Klimas" zu.

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Naturschützer ärgern sich sehr über diese Argumentation, die ja nicht nur Kaniber und der Waldbesitzerverband vorbringen. Sondern auch renommierte Forstprofessoren lehren. "Denn sie enthält den Vorwurf, dass Wirtschaftswälder CO₂ speichern, während Naturschutzwälder als CO₂-Quelle agieren", sagt der Chef des Nationalparks Bayerischer Wald, Franz Leibl. "Und damit ist man dann sofort bei der Frage, ob man sich in Zeiten der Klimakrise nutzungsfreie Wälder und damit Biotop- und Artenschutz leisten kann." Tatsächlich unterstellt die Argumentation, dass Naturschutzwälder deutlich weniger wirksam sind gegen die Klimakrise als Wirtschaftswälder. Denn in Naturschutzwäldern wird das Holz ja nicht genutzt, in ihnen werden die Bäume getreu dem Nationalpark-Grundsatz "Natur Natur sein lassen" uralt, sterben dann langsam ab und verfaulen schließlich, bis wie wieder Humus sind. Dabei geben sie das CO₂ wieder in die Atmosphäre ab, das sie einst gespeichert hatten.

Gleichwohl sind aus Leibls Sicht Naturschutzwälder keinesfalls weniger effizient für den Klimaschutz als Wirtschaftswälder. Denn entscheidend für deren CO₂-Bilanz sei, wie lange die Holzprodukte genutzt werden, die aus ihren Bäumen hergestellt werden. "Das sind im Mittel 21 Jahre", sagt Leibl unter Berufung auf Untersuchungen aus Thüringen. "Nach 20 bis 25 Jahren werden 66 Prozent der Holzprodukte verbrannt." In den Naturschutzwäldern bleibt das sogenannte Totholz - also die absterbenden und verfaulenden Bäume - dagegen 40 bis 50 Jahre liegen. "Totholz hält CO₂ also deutlich länger zurück als Holzprodukte", sagt Leibl. Er verweist zudem auf Berechnungen, nach denen der Urwald, der derzeit im Rachel-Lusengebiet heranwächst, in hundert Jahren bis zu doppelt so viel CO₂ speichern wird als derzeit. Für Leibl ist die Sache deshalb klar: Nationalparks und andere Naturschutzwälder sind wichtige CO₂-Speicher, sie sind ebenso bedeutsam für den Klimaschutz wie für den Biotop- und den Artenschutz.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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