Gesundheitswesen:Staatsregierung beschließt Rettungsschirm für kleine Krankenhäuser

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  • Der Freistaat Bayern will in Zukunft kleine Krankenhäuser auf dem Land durch eine Finanzspritze am Leben erhalten. Für den Ausbau stehen in den nächsten fünf Jahren drei Milliarden Euro bereit.
  • "Kein schlechter Ansatz", so lautete darauf die spontane Reaktion der Bayerischen Krankenhausgesellschaft.
  • An das Rettungsprogramm für Bayerns kleine Landkrankenhäuser sind knallharte Bedingungen geknüpft.

Von Dietrich Mittler, München

Die Idee ist neu, und sie klingt auch für Fachleute zündend: Der Freistaat Bayern will in Zukunft kleine Krankenhäuser auf dem Land durch eine Finanzspritze am Leben erhalten. "Wir sind bereit, für maximal drei Jahre 85 Prozent des Defizits mit zu übernehmen", sagte Ministerpräsident Markus Söder in München. Um die 23, 24 Häuser, "die sonst gefährdet wären", wollen Söder und seine Gesundheitsministerin Melanie Huml (beide CSU) auf diese Weise vor der drohenden Schließung bewahren. "Kein schlechter Ansatz", so lautete darauf die spontane Reaktion der Bayerischen Krankenhausgesellschaft.

Weniger Euphorie löste dort unterdessen jener Kabinettsbeschluss vom Dienstag aus, nach welchem in den nächsten fünf Jahren drei Milliarden Euro für den Ausbau der bayerischen Krankenhäuser bereitgestellt werden sollen. Im Klartext heißt das nämlich, dass das jährliche staatliche Fördervolumen für den Krankenhausbau - aktuell 643 Millionen Euro - nicht weiter erhöht wird. "Das ist überhaupt nichts Neues, quasi die Fortschreibung des Status quo", sagte Siegfried Hasenbein, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft auf Nachfrage. In zuvor noch laufenden Gesprächen mit dem Gesundheits- und dem Finanzministerium sei man sich doch eigentlich einig gewesen, dass die in diesem Jahr erfolgte Erhöhung der Fördersumme von 503 Millionen auf 643 Millionen Euro "nur ein erster Schritt" gewesen sei, betonte Hasenbein. Insofern sei die Ankündigung des Kabinetts "enttäuschend".

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Auch für die örtlichen Bürgerinitiativen, die etwa im mittelfränkischen Hersbruck oder im niederbayerischen Waldkirchen für den Erhalt ihres von der Schließung bedrohten Krankenhauses kämpfen, ist noch keine Entwarnung in Sicht. An das im Münchner Klinikum Großhadern verkündete Rettungsprogramm für Bayerns kleine Landkrankenhäuser sind knallharte Bedingungen geknüpft: Die Unterstützung wird nur dann gewährt, wenn die Häuser "auch bereit sind, sich so umzustrukturieren, dass sie eben auf Dauer wirtschaftlich arbeiten können", stellte Gesundheitsministerin Huml klar.

"Es nützt nichts, wenn wir Krankenhäuser nur an den Tropf des Staates hängen", sagte Huml. Bei diesem neuen Programm gehe es also nicht darum, "nur reine Defizite auszugleichen". Vielmehr wolle die Staatsregierung sicherstellen, dass in den momentan gefährdeten Häusern "zukunftsfähige Strukturen entstehen können". Das Geld, das zu diesem Zweck fließen soll, werden die Landkreise als Träger der jeweiligen Häuser erhalten - und zwar 85 Prozent jener Summe, mit welcher sie das Betriebskostendefizit des betreffenden Hauses ausgleichen.

Auch wichtig: Die Förderung ist gedeckelt auf eine Million Euro pro Jahr, aber bei einer trägerübergreifenden Kooperation - etwa wenn mehrere Landkreise kooperativ die Krankenhausversorgung betreiben - sind sogar zwei Millionen Euro drin. Es gehe hier eben auch darum, dass sich Häuser zusammentun und künftig gemeinsam überlegten, wie sich unnötige Mehrfachinvestitionen vermeiden und Verbesserungen herbeiführen lassen. "Nicht jedes kleine Haus braucht sein eigenes Labor", nannte Ministerin Melanie Huml hier als Beispiel. Und, immerhin, das für das neue Strukturförderprogramm notwendige Geld stammt aus zusätzlichen Finanzmitteln, "die aus dem Staatshaushalt kommen sollen", wie das Gesundheitsministerium mitteilte.

"Wir haben nicht zu viele Krankenhäuser - eher zu viele Krankenkassen"

Das klare Bekenntnis zu einer flächendeckenden Krankenhausversorgung, die auch kleinere Häuser der Grundversorgung umfasst, ist vom Zeitpunkt her geschickt platziert - und das längst nicht nur wegen der bevorstehenden Landtagswahl. Bayerns Kassen, aktuell allen voran die Barmer, laufen Sturm gegen die Krankenhausdichte im Freistaat, die sie als die "höchste in Deutschland" ausgemacht haben. "Das sind zu viele", ist sich etwa Claudia Wöhler sicher, die Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern.

Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da. "Wir müssen die Zahl der Klinikbetten und deren Verteilung auf den Prüfstand stellen", fordert auch Sigrid König, die Chefin des BKK-Landesverbands Bayern. Dahinter steht folgendes Kalkül: Kleine Landkrankenhäuser sind zwar nah am Patienten, doch für komplizierte Eingriffe reiche das dort vorgehaltene Leistungspotenzial nicht aus. "Für eine qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung bei planbaren Eingriffen nehmen die Menschen auch Anfahrtswege in Kauf", sagte König am Dienstag.

Unterdessen versuchen die Freien Wähler (FW) im Landtag, aus der Sorge vieler Bürger um ihr Krankenhaus politisches Kapital zu schlagen. Auf den Barmer-Vorstoß reagierte FW-Chef Hubert Aiwanger mit dem Satz: "Wir haben nicht zu viele Krankenhäuser - eher zu viele Krankenkassen." Laut Aiwanger gebe es nur eine Lösung: eine Bestandsgarantie für alle bestehenden Krankenhäuser in Bayern.

Ministerpräsident Markus Söder indes ist sich klar, dass die Staatsregierung im Bereich Gesundheit und Pflege liefern muss, wenn die CSU im Herbst nicht Wähler auf dem Land verlieren will. In den Kabinettsbeschlüssen vom Dienstag ging es also auch um die Einführung einer Landarztquote in Bayern, durch die fünf Prozent aller Medizinstudienplätze im Freistaat für Studierende vorgehalten werden, die später als Hausarzt im ländlichen Bereich arbeiten. Auch im Programm: der geplante Hebammenbonus sowie das Landespflegegeld und eben "eine Offensive für Spitzenmedizin". "Es geht darum, diese Spitzenmedizin in die Fläche zu tragen", sagte Ministerpräsident Söder.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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