Als die Show vorbei und die Live-Kameras ausgeschaltet waren, trat der Chor der Politiker auf die Bühne. Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen und Landtagsvizepräsidentin Inge Aures waren dabei, die grüne Doppelspitze Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, der Freie Wähler Hubert Aiwanger und natürlich der Prinzregent in spe, Markus Söder. Gemeinsam mit Würdenträgern des Bayerischen Rundfunks und anderen Fastnachtern stimmten sie parteiübergreifend schunkelnd das Rosenmontagslied an, den deutschen Faschings-Gassenhauer. Auch der grau geschminkte, künftige Ministerpräsident Söder in seiner blauen Monarchen-Uniform machte mit, gleichwohl er Lippen und Körper eher zurückhaltend bewegte.
Nun ist Zurückhaltung normalerweise nicht Söders Art. Doch die politischen Zeiten ändern sich gerade in Bayern und wer dafür ein Gefühl entwickeln wollte, konnte bei der "Fastnacht in Franken" in Veitshöchheim wunderbare Feldstudien betreiben. Vor, während und nach der Livesendung. Das fing damit an, dass einige derer fehlten, die in der Ära von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer zu Posten gekommen sind und deren politische Zeit vorbei sein könnte, wenn Söder demnächst die Macht im Freistaat übernimmt. Noch einmal aber hatte Seehofer durchgegriffen und getreue Minister und CSU-Offiziere an seine Seite zu den Koalitionsverhandlungen nach Berlin abkommandiert, anstatt sie kostümiert vor fast viereinhalb Millionen Fernsehzuschauern, darunter halb Bayern, Fastnacht feiern zu lassen.
Sogar leibhaftige Minister grämten sich darüber allerdings so sehr, dass der ein oder andere in den Tagen zuvor verzweifelt bei den Machern der Fastnachtsshow anrief und vorsichtig nachfragte, ob die nicht vielleicht mal mit dem Chef reden könnten. Konnten oder wollten sie aber nicht und so war die Bahn für Markus Söder so frei wie noch nie. Dem war die Seehofer-Anordnung ohnehin egal.
Fasching in Veitshöcheim:Monarchen, Revoluzzer und Tiefenentspannte
Bei der "Fastnacht in Franken" holt die Prominenz ihr bestes Gwand aus der Kostümkiste. Was wollen Politiker wie Markus Söder uns damit sagen? Ein Interpretationsversuch.
Für seine Verhältnisse ungewöhnlich früh, nämlich fast eine Stunde vor Beginn der Sendung kam er mit seiner Frau Karin in den Veitshöchheimer Mainfrankensälen an. Kostümiert und geschminkt als Prinzregent Luitpold, einem Franken, der ab 1886 von München aus das Land regierte. Man sagt ihm nach, ein präsidialer, ja gemütlicher und gelassener Regent gewesen zu sein, ganz im Gegensatz zu seinen Neffen, Popstar-König Ludwig II. und dessen geistig umnachteten Bruder und Nachfolger Otto I. Eher widerwillig und zögernd nur hatte Luitpold die Regentschaft angetreten, was ihn zwar von Markus Söder eklatant unterscheidet. Diesen aber nicht daran hindert, sich den Prinzregenten als Vorbild zu nehmen. "Er hat sich nicht in politische Abenteuer gestürzt, sondern sich um Land und Leute gekümmert", ließ Söder wissen. Ein milder Herrscher sei dieser Luitpold gewesen, "nahe an den Bürgern".
Seinem Vorbild nacheifernd, gab der künftige Bayern-Regent im Monarchen-Gewand den geduldigen, huldvoll lächelnden Landesvater. Vor und nach der Sendung nahm er sich so viel Zeit wie noch nie, um mit dem gemeinen Narrenvolk freundlich zu sprechen, Hände zu schütteln, sich fotografieren zu lassen und überhaupt zu fraternisieren. Kein Seehofer weit und breit, der ihm diesmal die Schau hätte stehlen können. Söder tippte auch nicht ständig auf seinem Handy rum, wie in den vergangenen Jahren, wenn ihn gerade keine Kamera einfing. Und auch die Künstler auf der Bühne gingen insgesamt pfleglicher mit ihm um; das jahrelang obligate Söder-Bashing hielt sich diesmal in Grenzen.
Dafür gab es im närrischen Veitshöchheim seltsamerweise Umtriebe, die den echten Freistaat Bayern in eine Identitätskrise mittleren Ausmaßes stürzen würden. Ein Karl Marx (alias Kabarettist Oliver Tissot) als Präsident. Der ehemalige Ministerpräsident und Harter-Hund-Innenminister Günther Beckstein als Hippie mit (allerdings unechtem) Joint und Che- Guevara-T-Shirt. Und ein BR-Fernsehdirektor österreichischen Ursprungs namens Reinhard Scolik, der als Conchita Wurst ein Kostüm-Highlight setzte. Apropos BR. Die Fastnacht in Franken bescherte dem Sender einen Marktanteil von 51,6 Prozent im Freistaat, knapp unterhalb der Rekordwerte von 2017.