Kiefersfeldener Dachgaubensatzung:Alle für das Eine

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Die Hände zum Himmel, und keiner ist allein. (Foto: Robert Haas)

Die einstimmige Entscheidung ist so etwas wie der heimliche Fetisch der Kommunalpolitik. In Oberbayern hat ein Gemeinderat da jetzt schon mal viel für die diesjährige Quote getan.

Glosse von Matthias Köpf, Kiefersfelden

"Wer ist dafür?" Kurzer Blick in die Runde. "Gegenstimmen?" Keine. "Damit ist der Beschlussvorschlag einstimmig angenommen." So hören, sagen und sehen es Bürgermeister immer gern, und mancher lässt dann in der letzten Sitzung vor Weihnachten wohlig wissen, dass im Gemeinderat auch im abgelaufenen Jahr wieder mehr als 95 Prozent der Beschlüsse einstimmig gefasst worden seien. Wer vermutet, die Einstimmigkeit im Gemeinderat sei so etwas wie ein heimlicher Fetisch der Kommunalpolitik, der tut damit jedenfalls nicht hundert von hundert Bürgermeistern unrecht. Hajo Gruber und seine 24 Gemeinderäte im oberbayerischen Kiefersfelden sind da zwar sicherlich sachlicher gestrickt. Trotzdem haben sie neulich gleich im Januar viel für die diesjährige Quote getan und binnen einer Dreiviertelstunde 136 einstimmige Beschlüsse gefasst.

Zumindest was das Tempo betrifft, hat so etwas wohl noch nicht einmal der chinesische Volkskongress geschafft. Aber speziell dort müssen ja Demokratie vorgetäuscht und allfällige Abweichler identifiziert werden, weshalb der Blick wegen der Gegenstimmen vermutlich etwas länger durch die vielen Reihen schweifen wird als im Gemeinderat von Kiefersfelden. Und der ist ja auch gar kein Parlament wie der Volkskongress und der angeblich kaum kleinere Bundestag, in dessen Protokollen die Worte "Mehrheit ist Mehrheit" zigmal verzeichnet sind - besonders, wenn es mal wieder recht eng war.

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Rein rechtlich, so ist es beim bayerischen Gemeindetag zu erfahren, ist der ganze Gemeinderat ein kommunales Verwaltungsorgan und daher weniger mit dem Bundestag vergleichbar, als eher mit einem Kämmerer oder einem Sachgebietsleiter. Nur dass dieser Sachgebietsleiter zum Beispiel in Kiefersfelden gleich 24-köpfig ist, weshalb er auch als "Kollegialorgan" gilt. Und wie sehr der 24-köpfige Sachgebietsleiter vorher mit sich selbst im Zwiespalt gewesen sein mag, ist demnach hinterher egal, Hauptsache er hat sich halt irgendwie entschieden.

Einstimmigkeit braucht es da also gar nicht, im Gegensatz etwa zum UN-Sicherheitsrat. Der ist voller Vetomächte und hätte es darum vermutlich kaum je geschafft, innerhalb von 45 Minuten 17 Bebauungspläne durch jeweils acht einzelne Beschlüsse mit der neuen Kiefersfeldener Dachgaubensatzung in Einklang zu bringen. Die hatte der Gemeinderat schon 2022 beschlossen. Gegenstimmen?

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