CSU-Parteitag:Bayerisches Harmoniespiel

Lesezeit: 4 min

Alphamänner in schwieriger Beziehung: Parteichef Seehofer und Ministerpräsident Söder. (Foto: ANDREAS GEBERT)
  • Beim CSU-Parteitag vier Wochen vor der Landtagswahl stehen Parteichef Seehofer und Spitzenkandidat Söder vor einer äußerst angespannten CSU.
  • Söder kann die Delegierten mit seiner Rede begeistern, Seehofer scheint in Bayern kaum jemand hinterherzutrauern.
  • Der Bundesinnenminister hat die Partei mit seinen Alleingängen verunsichert; an diesem Samstag verzichtet er auf Provokationen.

Von Ingrid Fuchs

"Aus meiner Sicht steht die CSU zu Beginn des Wahlkampfs ganz passabel da." Wäre die CSU eine normale Partei, so könnte man diesen Satz fast als bescheiden interpretieren. Vier Wochen vor der bayerischen Landtagswahl kommt die Partei in der jüngsten Umfrage des BR-Bayerntrends auf 35 Prozent - ganz passabel. Aber die CSU ist nunmal keine normale Partei. Und der Wert alles andere als passabel. Dass dieser Satz am Samstagmorgen aus dem Mund von Horst Seehofer kommt, macht die Sache nicht besser. Seehofer ist nicht als Bundesinnenminister auf dem Parteitag in München, sondern als CSU-Vorsitzender. Zusammen mit Ministerpräsident Markus Söder soll der Parteichef die Partei auf den Wahlkampf-Endspurt einstimmen: die Wogen der vergangenen Wochen glätten, Gemeinsamkeit demonstrieren, die CSU-Delegierten mobilisieren. Ob das gelingen kann?

Tatsächlich ist die Stimmung in der CSU angespannt wie nie. Erst war es der Tatendrang des neuen Ministerpräsidenten, der die Gemüter der Parteimitglieder strapazierte. Gleich nach seinem Amtsantritt im April fing Söder an, abzuliefern: einen milliardenschweren 100-Punkte-Plan, den Kreuzerlass, verschärfte Asylrhethorik. Das hat manchen CSUler überrollt.

Dann war da noch Parteichef Seehofer, der zeitgleich vom Bundesinnenministerium aus seine eigene Agenda abfeierte, eine Agenda, die bald wohl nicht mal mehr er selbst nachvollziehen konnte. Stichwort "Rücktritt vom Rücktritt".

Vier Wochen vor der Wahl ist die Ausgangslage für die CSU genauso schwierig wie das Verhältnis zwischen ihren beiden Alphamännern. Beim Parteitag geht es deswegen um alles. Viele CSU-Mitglieder an der Basis wollen eigentlich gar nichts mehr erwarten und erwarten doch das Maximum: dass sich ihre Parteispitze endlich zusammenrauft und ordentliche Politik macht.

Söder bekommt den größeren Applaus

Schon beim Einzug in die große kreisrunde Halle des Münchner Postpalastes wird deutlich, wem die Delegierten mehr gewogen sind. Während Seehofer eher Anstandsapplaus bekommt, wird für Söder ordentlich in die Hände geklatscht. Das liegt auch, aber bestimmt nicht nur an den vielen jüngeren Leuten mit den "Team Söder"-T-Shirts, die überall herumlaufen und sich auch um Organisatorisches kümmern.

Bevor der Spitzenkandidat ans Rednerpult darf, ist Horst Seehofer dran. Macht er mit, beim Harmoniespiel? Bei der gemeinsamen Sache? Seehofer hat nie einen Zweifel aufkommen lassen, dass er nur das Beste für Bayern will. Unklar ist aber, ob sich darunter alle in der CSU etwas ähnliches vorstellen.

An diesem Samstag zumindest spielt Seehofer mit. "Danke lieber Markus, du hast dich von niemandem übertreffen lassen, in deinem Einsatz für unser Land", beginnt er seine Rede und dankt Söder auch später immer wieder, während er verschiedene Themenfelder beackert. Mit übertriebener Bescheidenheit hält er sich nicht auf. "Ich danke dir für die fortschrittliche Politik", sagt Seehofer. Und: "Wenn man höchstes Niveau erreicht hat, ist es unglaublich schwer, noch besser zu sein." Auf Provokationen verzichtet der Bundesinnenminister artig. Bewährte knackige Sprüche zur Asylpolitik: ja. Neue knackige Zitate: nein.

Söder beim CSU-Parteitag
:"Franz Josef Strauß würde diese AfD bekämpfen"

Provozieren beim Thema Asylpolitik? Die CSU? Auf dem Parteitag halten sich sowohl Söder als auch sein Vorgänger zurück. Seehofer als Ministerpräsident trauern die Delegierten offenbar nicht mehr nach.

Von Ingrid Fuchs

Bei den Delegierten scheint die Rede in weiten Teilen auf Zustimmung zu stoßen, Begeisterung löst der CSU-Chef allerdings nicht aus. Der Eindruck, dass dem Ministerpräsidenten Seehofer in der Partei nicht mehr nachgetrauert wird, bestärkt sich, als sein Nachfolger die Bühne betritt. Vom ersten Wort an gibt sich Söder leidenschaftlich. An Tatendrang hat es ihm noch nie gemangelt, auch im Postpalast ist er förmlich zu spüren. Söder hat eine umfangreiche Rede vorbereitet. Auf das ausliegende Wahlprogramm - ein elfseitiges Papier mit dem Titel "Ja zu Bayern" - geht er dabei inhaltlich gar nicht weiter ein. Er hat schon im April angefangen, alles an alle zu verteilen und beim Geldverteilen keinen ausgelassen. Auf der Bühne fängt er bei der unsicheren Weltpolitik an und arbeitet sich zu seinen eigenen Versprechen vor, verteidigt die bayerischen Erfindungen Pflege- und Familiengeld, huldigt der bayerischen Einzig-, Groß-, ja, der ganzen Rundumadumartigkeit. Weil der Freistaat ja praktisch alles gut kann und es sowieso nirgends besser ist. Und genau das will Söder im Wahlkampfendspurt nun stärker betonen - um gleichzeitig zu zeigen, was die CSU alles richtig gemacht hat.

Tatsächlich haben Söder und seine Vorredner Seehofer sowie Generalsekretär Markus Blume durchaus recht damit, dass Bayern im welt-, europa- und deutschlandweiten Vergleich ziemlich gut dasteht. Wirtschaftlich, finanziell, sozial - und schön ist es hier auch noch. Aber woran liegt es dann, dass die Menschen das gar nicht mehr bemerken? Oder nur noch das Schlechte sehen?

Söder sieht einen Teil der Verantwortung bei den Medien, die zu negativ und davon zu viel berichten würden. Auch soziale Medien seien mit Schuld, in Filterblasen entstünden heutzutage Stimmungen, die keiner mehr beeinflussen könne. Und auch die AfD trage einen Teil dazu bei - die den Medien Stoff liefere und die Filterblasen selbst mit Inhalten fülle.

Das klingt, als wäre die CSU unschuldig an der negativen Stimmung. Dabei ist es auch die Rhetorik der Partei in der Asylpolitik, die Menschen verunsichert. Lange versuchte die CSU, die AfD durch die eigene Politik überflüssig zu machen, ohne sich mit ihr auseinanderzusetzen. Seit den Vorfällen in Chemnitz geht Söder anders mit der rechtspopulistischen Partei um, verurteilt sie hart.

Eine der größten Sorgen des bayerischen Ministerpräsidenten ist nach der jüngsten Umfrage ein Landtag mit sieben Fraktionen. "Linkspartei, Rechtsextreme, ein völlig zersplittertes Parteiensystem. Wenn wirklich dieser Trend sich bestätigen würde, dann erleben wir ein Bayern, das nicht mehr das gleiche ist wie vorher." Über mögliche Koalitionspartner mag Söder beim Parteitag dennoch nicht laut nachdenken, erstmal müsse man bis zur Wahl am 14. Oktober "kämpfen, kämpfen, kämpfen".

Bei den Delegierten kommt Söders Botschaft an, auch wenn es manche eher pragmatisch verpacken und loben, dass der Parteitag schneller abgelaufen sei als üblich, aber "die Rede war auch nicht schlecht". Man nimmt Söder und Seehofer nach dem heutigen Auftritt ab, dass sie sich vertragen, und, dass sie ein gemeinsames Ziel haben: die CSU vor der Normalität retten. Der Ministerpräsident nimmt das offensichtlich auch selbst so wahr: "Ich habe noch nie erlebt, dass eine Partei, die so unter Druck steht, so geschlossen agiert - Danke." Aber wann stand diese Partei auch schon mal so unter Druck?

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: