Politik in Bayern:Die CSU macht "aufgeklärten Patriotismus" zum Programm

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CSU-Generalsekretär Martin Huber hat das neue Grundsatzprogramm der Partei mitverfasst. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Nach sieben Jahren schreibt Bayerns Regierungspartei mal wieder ihre Grundsätze fest. Es geht um die Liberalitas Bavariae - und natürlich gegen "Gender-Ideologie, Wokeness und Cancel-Culture".

Von Johann Osel

Als die pfiffigen jungen Leute in den Saal in der CSU-Landesleitung kommen, liegt die Neuigkeit schon auf den Tischen der Journalisten: der Entwurf für das neue Grundsatzprogramm, Titel: "Für ein neues Miteinander." Generalsekretär Martin Huber sowie die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber und der Landtagsabgeordnete Gerhard Hopp, als Vorsitzende der Grundsatzkommission, stellen am Freitag erstmals das Papier vor: 90 geklammerte Seiten, noch nicht hübsch gebunden. Beim Parteitag im Mai soll es endgültig beschlossen werden.

Im Februar 2022 hatte Parteichef Markus Söder angekündigt, ein neues Programm erarbeiten zu lassen, noch vor der Landtagswahl. Von, wie er sagte, "pfiffigen jungen Leuten". Es gelte, das christliche Menschenbild im C neu zu erklären sowie eine Balance zwischen Weltoffenheit und Werteverbundenheit zu zeigen. Und das glaubt das Trio Huber, Hopp und Weisgerber, alle im fünften Lebensjahrzehnt, nun vollbracht zu haben. Huber spricht von einer "Standortbestimmung als bürgerlich-konservative Kraft" - mit Verankerung im christlichen Menschenbild und durchgängigem Bezug zur Liberalitas Bavariae, Motto "leben und leben lassen".

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Es ist das achte Programm seit dem Jahr 1946, das bislang letzte entstand 2016. Jene Kommission leitete der damalige General Markus Blume, heute Wissenschaftsminister. Auch Theo Waigel, Alois Glück und Manfred Weber waren schon zuständig fürs Grundsatzprogramm - was freilich nichts über die Karriereoptionen der drei jetzt Verantwortlichen aussagen muss. Was ist neu? Es sei "eher eine Evolution", sagt Huber, eine Fortschreibung, es sei "nicht so, dass wir alles über den Haufen geschmissen haben". Ihre Grundsätze trügen die CSU seit Jahrzehnten, die Frage sei: "Was bedeuten diese Grundsätze in der heutigen Zeit?" Und "je stürmischer die Zeiten sind, desto mehr brauche ich einen Kompass" - dieser sei nun nachjustiert worden. Wer hätte schließlich 2016 an die Pandemie gedacht, an Krieg in Europa, an "all diese Dinge, die zeigen, wie verwundbar wir sind"?

So ganz stimmt das mit Programm Nummer acht übrigens nicht, es gab im Jahr 1945 noch eine Zehn-Punkte-Erklärung. Tenor: "Wiederaufbau des Zerstörten mit dem Fleiß unserer Hände und der Kraft unserer Herzen." Nun, wer dem Furor der CSU gegen die Ampel so zuhört, wonach die Bundesregierung das Land zugrunde richte, der müsste glatt meinen: Ein ähnlicher Passus fände sich im neuen Werk. Das ist nicht der Fall. An Bezügen zur Ampel mangelt es indes nicht.

Die Ampel schreibe den Menschen vor, wie sie sich zu waschen hätten, sagt Huber

Nur die Volkspartei CSU habe die Kraft, "Themen und Menschen zu verbinden und das Land zusammenzuhalten", meint Huber. Man spiele niemanden gegeneinander aus. Das Gegenteil tue die Ampel, "mit Gender-Ideologie, Wokeness und Cancel-Culture", mit "Verboten und Verzicht", mit "kollektivistischen Ansätzen". Das münde etwa darin, dass man selbstverständliche Dinge nicht mehr beim Namen nennen dürfe, dass es Vorschriften gebe, was man zu essen oder wie man sich zu waschen habe.

Ein Blick ins neue Grundsatzprogramm. Beim Klimaschutz sei die soziale und wirtschaftliche Frage mitzudenken. Die CSU propagiert die Liebe zur Heimat, als "aufgeklärten Patriotismus", will Migration begrenzen, "ein Menschenrecht auf freie Einreise gibt es nicht". Zur Energie: "Nur Abschalten und Aussteigen bedeutet die Deindustrialisierung Deutschlands." Thema Finanzen: Vor dem Verteilen müsse das Erwirtschaften kommen, und sauber müsse es zugehen, anders als in den "Schattenhaushalten" der Ampel. Beispiel Homo-Ehe, deren Einführung nach dem Grundsatzprogramm von 2016 kam - hinter geltendes Recht könnte die CSU kaum zurück. Weisgerber rügt zwar, dass die Ampel "den Familienbegriff völlig verwischt". Das Papier zollt aber "allen Formen des Zusammenlebens" Anerkennung, gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden mit Mutter-Vater-Kind-Familien oder Patchwork-Modellen sogar im selben Satz aufgeführt.

Weisgerber sieht im Programm "eine positive Aufbruchserzählung für unser Land", getragen durch das "Leitbild der solidarischen Leistungsgesellschaft". Hopp berichtet, dass die Kommission mit ihren 62 Mitgliedern die ganze CSU abdecke, alle parlamentarischen Ebenen bis zur ehrenamtlichen Basis. In offenen Veranstaltungen wurde mit Bürgern debattiert, Verbände wurden eingebunden.

Bliebe noch die Frage: Wo ist Söder bei der Präsentation des künftigen Kompasses? Der CSU-Chef ist unterwegs. Laut Terminplan irgendwo zwischen Mühldorf und Mittenwald, von einem Innovationsprojekt zu einem Treffen von Landfrauen. Söder, erklärt Huber auf Nachfrage, habe den Anstoß gegeben und die Vorstellung durch die Kommissionsleitung für "ein schönes Format" befunden; das zeige auch Wertschätzung. Aber keine Sorge: Söder habe sich eingebracht. "Und er hat das gelesen, nicht dass sie denken ..."

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