Landespolitik:"Wenn man München aus Oberbayern rausnimmt, reißt man fast das Herz raus"

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Florian Streibl ist Fraktionsvorsitzender der bayerischen Freien Wähler. Im Hintergrund verfolgt CSU-Chef Markus Söder die Rede im Landtag. Derzeit streiten die beiden (und ihre Parteien) um einige von Söders Plänen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Freien Wähler halten Markus Söders Idee vom achten Regierungsbezirk für "so gut wie gestorben". Die CSU gibt sich trotzig. Und das ist nicht der einzige Streitpunkt derzeit.

Von Andreas Glas und Lisa Schnell, München

An einem Freitag im Mai 2021 spricht Florian Streibl aus, was Markus Söder wohl schon im Januar 2020 hätte wissen können: "Nach meiner Meinung ist das Projekt so gut wie gestorben", sagt der Fraktionschef der Freien Wähler und beerdigt damit so nebenbei eine von Söders großen Visionen.

Was war das für ein Rumms, den der Ministerpräsident Söder damals auslöste! München soll ein eigener Regierungsbezirk werden, verkündete er bei der CSU-Klausur in Seeon, von einer "Rakete" sprach er. "Was für eine Vision!", schrieb eine Zeitung, Seite um Seite wurde gefüllt, wie Söders Pläne Bayern verändern würden.

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Nur hatte man die Rechnung offenbar ohne den Koalitionspartner gemacht. Dabei war schon damals klar, für einen achten Bezirk bräuchte es eine Gesetzes-, wenn nicht eine Verfassungsänderung und damit auch die Zustimmung des Koalitionspartners. Die aber wollen die FW nicht geben. "Wenn man München aus Oberbayern rausnimmt, reißt man fast das Herz raus", sagt Streibl.

Auch in der CSU haben sich viele mit dem Scheitern der Söder-Idee abgefunden. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) dagegen sagt am Freitag der Deutschen Presse-Agentur: "Wir sind vom achten Regierungsbezirk überzeugt." Es sei doch immer klar gewesen, dass es sich "um ein längerfristiges Vorhaben handelt, das nicht bereits in dieser Legislatur umgesetzt werden kann". In der Tat hatte Söder das Jahr 2025 als Zielmarke ausgegeben, nach der nächsten Landtagswahl. Weil ihm klar war, dass die FW sowieso nicht mitziehen?

Hätte Söder seine Idee nicht in die Welt geschickt, hätte es jedenfalls all die schönen Schlagzeilen nicht gegeben. Damals wurden die FW laut Streibl nur eine halbe Stunde zuvor in Kenntnis gesetzt. Seitdem erheben sie bei der Behördenverlagerung immer dort Einspruch, wo sie können. Um der CSU zu zeigen, dass sie ihren Koalitionspartner das nächste Mal doch besser einweiht, oder aus rein inhaltlichen Gründen, mag sich jeder selbst denken.

Geht es um Behördenverlagung? Oder den Verkauf der bayerischen Seele?

Klar ist: Bei den Projekten, bei denen die Zustimmung des Parlaments und damit der FW nötig ist, stellten sie sich erst mal quer. Dazu gehört der achte Bezirk München und die Verlagerung von Gerichten, die nur durch Gesetzesänderung möglich ist. Vor allem um die von Söder angekündigte Errichtung eines Verwaltungsgerichts im Kreis Freyung-Grafenau ist auf lokaler Ebene ein Streit entbrannt, der vermuten ließe, es ginge um den Verkauf der bayerischen Seele, nicht um 40 Beamtenstellen. Die FW hätten Niederbayern "verraten", ätzen sie von der CSU, die CSU verbreite Unwahrheiten, schimpfen die FW zurück.

Die CSU ist für den Standort Freyung, die FW für Grafenau. Da in Grafenau die Bahnverbindung besser ist, da es dort einen FW-Bürgermeister gibt, da es in Freyung einen CSU-Bürgermeister gibt, die Erklärungen sind mannigfaltig. Klar ist, man kann sich nicht einigen und der Schwarze Peter, wer nun verhindert hat, dass Niederbayern als letzter Bezirk ein eigenes Verwaltungsgericht bekommt, wird hin und her geschoben. FW-Fraktionschef Streibl machte daraufhin einen Vorschlag, der es besonders gut meint mit Niederbayern.

Statt des Gerichts und damit 40 Stellen, sollte doch die Lotterie-Verwaltung von München in die Region geholt werden und somit 350 Stellen. Und wenn nicht die Lotterieverwaltung, dann eine andere ähnliche große Behörde, Minimum 200 Beamtenstellen, so die Forderung der FW.

In der CSU dagegen waren einige schon zuvor der Meinung, das einzige Gericht, das man den FW zubilligen könnte, wäre vielleicht ein Schweinebraten, aber sicher keine ganze Lotterieverwaltung. "Niederbayern ist bei der Behördenverlagerung sehr großzügig bedacht worden", sagt Finanzminister Albert Füracker (CSU). Noch "etwas on top zu fordern, ist den anderen Regierungsbezirken gegenüber sehr unfair."

Zu einem Kompromiss kamen CSU und FW aber beim Verwaltungsgerichtshof. Der soll doch nicht komplett von München nach Ansbach verlegt werden, sondern nur elf Senate. Unstrittig sind zudem die Projekte, bei denen die FW eh nichts ausrichten könnten. Wo ein Ministerium seine Behörden errichtet, liegt nämlich allein im Ermessen des Ministeriums und Söder hatte da nur CSU-Ministerien ausgesucht. Als größtes Projekt soll die Regierung von Oberbayern mit je 500 Mitarbeitern in die Regionen um Rosenheim und Ingolstadt verlegt werden. Das Landesamt für Finanzen soll nach Weiden kommen, das Grundsteuerfinanzamt etwa nach Zwiesel.

Am Dienstag wird sich wohl das Kabinett mit der Behördenverlagerung befassen. Kritische Projekte aber sollen ausgeklammert werden, auch München als achter Bezirk. "Die Idee bleibt allerdings sinnvoll und gut", sagt Staatskanzleichef Herrmann, der also darauf setzt, dass es in der nächsten Legislatur klappt, vielleicht ja mit neuem Koalitionspartner. Fragt sich bloß, mit wem? In der Opposition ist die Euphorie für Söders "Rakete" überschaubar.

© SZ vom 15.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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