CDU/CSU:Ein Herz für Merz

Lesezeit: 5 min

Hier bahnt sich eine Freundschaft an: Bereits im Europawahlkampf im Frühjahr 2019 sind Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, und Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder (rechts) recht gut miteinander ausgekommen. (Foto: Jens Krick/Imago)

Beim Starkbierfest der CSU wird klar, wen sich die Parteibasis als neuen CDU-Chef und Kanzlerkandidaten wünscht. Das dürfte dem selbsternannten Erneuerer Markus Söder nicht sonderlich gefallen.

Von Lisa Schnell

Kurz nach 19 Uhr, Starkbierfest der CSU Kaufbeuren. Lange Arme quetschen ein Akkordeon, dicke Backen blasen in eine Tuba. Viele Damen sind im Dirndl da, gestärkte Blusen, beige Haferlschuhe. Auf der Bühne thront ein dunkles Holzfass, gefüllt mit dunklem Bier, dem "Buronator". "Bei der CSU ist sogar das Bier schwarz!", lachen sich zwei auf ihrer Bierbank schlapp und rutschen gleich ein bisschen. Den Spaß wollen sie keinem verwehren. Die Auskunft auch nicht.

Wo sonst, als hier beim Bockbiertrinken in weiß-blauen Sphären, lässt sich erspüren, was sie bei der CSU gerade so denken? Etwa über die Männer aus Nordrhein-Westfalen, die sich nicht nur um den Vorsitz der CDU bewerben, sondern auch um die Kanzlerkandidatur, zu der die CSU ihren Segen geben muss. Wie wichtig es ist, das richtige Gesicht auf den Plakaten zu haben, zeigte sich für die CSU 2017 zur Bundestagswahl. Die damalige Kandidatin der Union, Kanzlerin Angela Merkel, wurde bei ihren Auftritten in Bayern nicht selten ausgebuht. Jetzt gibt es neue Bewerber: Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen. Wer soll es sein?

"Klipp und klar: Friedrich Merz", sagt Gerhard Bucher, 52, hinter ihm staut sich gerade die Leberkässchlange. "Nach Merkel muss der Linksruck in der CDU korrigiert werden." Dann Larissa Lüder-Pethke, 50, grünes Dirndl, auch für Merz. Das sei jetzt "nicht rassistisch gemeint", sagt sie, aber es sei an der Zeit, "dass mal wieder einer mehr an uns Deutsche denkt". Ein bisschen Akkordeon, ein Stück Leberkäse, dazwischen die Sehnsucht nach "einem Aufbruch Merz". Und dann sitzt man auf einmal neben Adalbert Vogt, 75. Ein Mann mit weißen Schneckerllocken, ein Mann, der mal von jemand anderem schwärmt. Merkel, die finde er toll, sagt Vogt. Das mit dem "Wir schaffen das" in der Flüchtlingsdebatte hätten alle falsch verstanden. Was er dann von Armin Laschet hält, dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, der Merkel immer verteidigt hat, ist ja eigentlich klar. Man fragt trotzdem. Vogt muss nicht lang überlegen. Er sagt: "Ich bin für Merz."

Gut, man hat es verstanden. Die Herzen in der CSU schlagen für Friedrich Merz. Das spürt man in Kaufbeuren, so wird es einem von Abgeordneten erzählt. Die Frage nach dem Wunschkandidaten der CSU könnte hiermit also beantwortet sein und dieser Text enden, gäbe es da nicht diesen einen Mann. Sein Name ist Markus Söder, er ist CSU-Parteichef, und obwohl er öffentlich keine Empfehlung ausspricht, klingt in seinen Aussagen vor allem eines durch: Skepsis gegenüber Friedrich Merz. So groß die Verzückung ist, die Merz an CSU-Stammtischen auszulösen vermag, so zurückhaltend wird seine Kandidatur offenbar in der Parteizentrale gesehen. Dafür werden die Worte, mit denen Laschet von CSU-Vorstandsmitgliedern bedacht wird, immer freundlicher. Wer ihnen lauscht, fragt sich: Was ist da eigentlich passiert? Und: Waren Zu- und Abneigung früher nicht genau umgekehrt verteilt? Viele Geschichten über Markus Söder handeln von einer Wandlung, diese auch. Gerade, weil jetzt wieder eine Flüchtlingsdebatte geführt wird, die 2015 ähnelt, erinnert man sich gut daran, wie das Verhältnis von Söder zu Laschet und Merz früher war.

Gerhard Bucher, 52, Stadtratskandidat. (Foto: Lisa Schnell)

Wer als Integrationsminister in NRW den Spitznamen "Türken-Armin" bekam, passte nicht zum harten Kurs der CSU in der Flüchtlingsfrage. Laschet stand für Söder als Hauptverteidiger von Merkel für eine CDU, die nur noch wie eine Variante von Rot-Grün wirke. Öffentlich kritisierte Söder 2016, dass Laschet sich "euphorisch" freue, dass in Österreich ein Grüner Präsident geworden sei. Söder redete von einem "Linksruck der CDU", Laschet attestierte ihm dafür eine blühende "Fantasie". Einen aber gab es, der Söder verstehen konnte: Friedrich Merz. 2016, so ist es in Zeitungsartikeln nachzulesen, wurde in der CSU sogar diskutiert, ob er nicht der bessere Kanzlerkandidat wäre. 2017 wurde Söder gefragt, ob Merkel zu viele Konservative in der CDU verdrängt hätte. Söders Antwort: Persönlichkeiten wie Friedrich Merz fehlten einfach.

2020 ruft Söder nicht mehr nach Merz. Das hat zum einen strategische Gründe. Oberstes Ziel der CSU ist es, dass die CDU sich nicht zerlegt wie die SPD. Laschet wird eher zugetraut, die Lager wieder zusammenzuführen. Zudem versteht er sich gut mit Merkel, ein Umstand, der früher in der CSU Unwillen hervorrief, nun aber als Vorteil gesehen wird. Wie die Erzrivalen Merkel und Merz an einem Strang ziehen sollen, ohne dass es alles zerreißt, kann sich Söder wohl nicht vorstellen. Auch seine angestrebte Kabinettsumbildung in Berlin würde damit erschwert, da es dazu die Zustimmung von Merkel bräuchte. Es gibt aber auch inhaltliche Gründe, Stichwort: die Wandlung des Markus Söder.

Larissa Lüder-Pethke, 50, CSU-Mitglied. (Foto: Lisa Schnell)

In Kaufbeuren steht jetzt der Kabarettist Wolfgang Krebs neben dem Bierfass auf der Bühne, und zwar in seiner Rolle als Söder. Seinen Job als bayerischer Grünen-Schreck habe er aufgegeben, sagt der Satire-Söder. Sein Programm jetzt? "Ich du immer mehr Bäume umarmen." Sanftmütig sei er geworden, sagt Söder und "Bayerns oberster Artenschützer und Frauenversteher". Da raunt es schon ein bisschen zwischen den Bierbänken. Dann breitet Söder die Arme aus und verkündet stolz: "Ich bin Bayerns oberster Bienenretter!" Vom Publikum kommt ein lang gezogenes "Ohhh" - als wäre das nun ein besonders gemeiner Witz gewesen.

Der echte Söder hat für sich nicht nur den Umweltschutz entdeckt, sondern auch seine Wertschätzung für die "Ära Merkel", mit der es keinen Bruch geben dürfe. Es ist einer der Aussprüche, aus denen seine Skepsis gegenüber Merz herausgelesen werden kann. Söder hat für sich nun die Rolle des modernen Erneuerers gefunden, der die CSU in die Zukunft führt. Er will liberaler sein, aber liberaler als die CDU? Mit einem Merz als Parteichef könnte der Eindruck entstehen. Es wäre ein Rollentausch, der mit dem Selbstverständnis der CSU nur schwer vereinbar ist. Neben einem Laschet dagegen, kommt selbst der neue Söder recht konservativ daher.

Und dann ist da noch die Sache mit der AfD. Die Hoffnung, von ihr Wähler zurückzuholen, scheint Söder aufgegeben zu haben. Es ist seine Lehre aus dem Landtagswahlkampf 2018, als die CSU sich rhetorisch an der AfD orientierte und am Ende sowohl rechts als auch in der Mitte verlor. Merz dagegen meint, mit einem konservativeren Kurs bei der AfD wildern zu können. Bei der CSU gibt es nicht wenige, die eine ähnliche Hoffnung hegen. Das hört man in Kaufbeuren an den Biertischen, aber auch aus der Landtagsfraktion. Die Analyse lässt sich in etwa so zusammenfassen: Bleibt die AfD so stark wie sie ist, werden bürgerliche Mehrheiten immer unwahrscheinlicher. Viel öfter würde dagegen das Dilemma entstehen, dass die Union mit linken Parteien koalieren müsse. Das Ergebnis: noch mehr Enttäuschte und potenzielle AfD-Wähler. Als Konsequenz müsse alles unternommen werden, die AfD zu schwächen.

Dass die Union mit einem rechtskonservativeren Kurs Wähler an Grüne oder SPD verliere, sei ein Preis, den man zahlen könne nach dem Motto: Besser sechs Stimmen an eine demokratische Partei wie die Grünen verloren als sechs an die AfD. Merz also ist aus dieser Sicht so gar so etwas wie der Retter der Demokratie. In Kaufbeuren sind nun schon ein, zwei Krüge "Buronator" geflossen. Eines aber würde man schon noch gerne wissen. Was die Merz-Fankurve bei der CSU denn davon hält, dass Söder eher nicht bei ihnen steht? Kurzes Zögern. Dann die Lösung: Warum macht es Söder nicht einfach selbst? "Er wäre der ideale Kandidat", sagt einer.

Auch hier könnte es sein, dass sie das in der Parteizentrale anders sehen.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

TV-Runde bei "Anne Will"
:Söders Plädoyer gegen Merz

Überraschend deutlich sät der CSU-Vorsitzende Zweifel an der Eignung von Friedrich Merz für den Chefposten der CDU. Auch bei der Kanzlerkandidatur der Union will Söder mitreden.

Nachtkritik von Thomas Hummel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: