CSU:Alle sind glücklich, Frau Seehofer nicht

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  • Bis zuletzt habe er um die Entscheidung gerungen, sagt Seehofer über seine erneute Kandidatur als CSU-Chef und Ministerpräsident.
  • In der Partei und auch bei der CDU kommt das gut an, nur daheim soll die Begeisterung überschaubar gewesen sein.
  • Mancher in der CSU spricht von einer historischen Sitzung, vielleicht auch deshalb, weil Seehofers Gegner schweigen.

Von Robert Roßmann, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl, München/Berlin

Es sind skurrile Szenen, die sich Montagfrüh in der CSU-Zentrale abspielen. Horst Seehofer steigt gerade die Treppe hinab, soeben hat er dem engsten Führungszirkel mitgeteilt, dass er den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl vorschlagen will. Er ist nun auf dem Weg in die Vorstandssitzung, um Auskunft über seine eigene Zukunft zu geben. Da laden Mitarbeiter eines Fernsehteams den Aufzug mit technischem Gerät für ein bereits vereinbartes Interview mit ihm voll. Seehofer wird sich darin den Menschen in Bayern erklären, die Fernsehleute wissen also bereits, was irgendwie jeder im Land zu wissen scheint, nur der CSU-Vorstand immer noch nicht, zumindest nicht offiziell: dass Seehofer, 67, entgegen früheren Aussagen in diesem November ein weiteres Mal als CSU-Chef und 2018 als bayerischer Ministerpräsident antreten will.

Mancher spricht von einer historischen Sitzung, selbst die größten Gegner schweigen

Bis zuletzt habe er um die Entscheidung gerungen. Erst am Samstagabend habe er sie abschließend getroffen, nach einem Gespräch mit seiner Frau. Er habe schon lange nicht mehr so viel Rotwein getrunken, sagt Seehofer. Offenbar hat er seine Frau mit allen Mitteln überzeugen müssen, ihre Begeisterung soll dennoch überschaubar ausgefallen sein.

Anders im CSU-Vorstand. Starken Applaus habe Seehofer erhalten, berichten Teilnehmer. Dann setzt der Reigen der Hymnen ein. Als erste spricht Angelika Niebler, die Vorsitzende der Frauen-Union. Die CSU sei sehr gut beraten, in diesen unruhigen Zeiten mit einem Parteivorsitzenden mit dieser Erfahrung in die Zukunft zu gehen, sagt Niebler. Auch die Fürsprecher der vergangenen Wochen melden sich: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der am Samstag noch vier Stunden bei Seehofer gewesen sein soll und nach der Wahl im September die CSU-Landesgruppe leiten soll. Auch Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und die Parteivizes Manfred Weber und Barbara Stamm danken und loben. Stamm schlägt vor, Seehofer zu bitten, für beide Ämter zu kandidieren. Der Vorstand folgt einstimmig.

Mancher in der CSU spricht von einer historischen Sitzung, vielleicht auch deshalb, weil Seehofers größte Gegner schweigen. Der ehrgeizige Finanzminister Markus Söder hat Seehofer bereits vor der Zusammenkunft seiner "ehrlichen Unterstützung" versichert. Es komme jetzt auf die Geschlossenheit an, sagt Söder. Ein wichtiges Ziel immerhin hat er erreicht, obwohl er weiter auf die Macht warten muss. Seehofer tritt selbst wieder an, womöglich auch weil es ihm nicht gelungen ist, andere Kandidaten an Söder vorbei zu installieren. Im Fußball würde man wohl von unentschieden sprechen.

Warum die CSU weiter auf Seehofer setzt, erklärt ausgerechnet Söders Mentor Edmund Stoiber. "Das Zugpferd schlechthin" sei Seehofer, betont Stoiber, "das stärkste Kaliber mit einer hohen Wasserverdrängung" auf deutscher und internationaler Bühne. Dass der CSU-Chef seine Meinung geändert hat und doch weitermacht, erklärt Stoiber fast besser, als Seehofer es könnte. Es habe sich schließlich einiges verändert in der Welt, man müsse solche Entscheidungen "immer im Lichte der Aktualität betrachten".

Seehofer räumt ein, dass seine Ankündigung von 2013, in fünf Jahren aufzuhören, "nicht zu den klügsten Aussagen meiner politischen Karriere" gehörte. Daher bleibt er eine Antwort schuldig, ob er wieder für eine komplette Amtszeit zur Verfügung stehe. Ein Versprechen für weitere fünf Jahre lässt er sich nicht entlocken. "Im Allgemeinen mache ich einen Fehler nur einmal im Leben", sagt er. Die Opposition in Bayern wird sich mit dieser Antwort im Wahlkampf nicht zufriedengeben. Auch die Bürger werden wissen wollen, für wie lange sie den Mann wählen sollen, der sie wieder regieren will. Seehofer bleibt vorerst dabei: "Ich mach' keine Zeitangaben mehr. Dann schauen wir mal, wie es in den nächsten Jahren weitergeht."

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Horst Seehofer hat in seiner politischen Karriere Triumphe erlebt und krachende Niederlagen. Mal stand er fast vor dem politischen Aus, dann regierte er wieder unangefochten.

In der CDU wird die Entscheidung Seehofers begrüßt. Das mag auf den ersten Blick erstaunen. Immerhin hat der CSU-Chef die Kanzlerin mehr als ein Jahr lang mit scharfen Angriffen malträtiert. Aber seit einigen Wochen laufe es mit der CSU sehr gut, heißt es in der CDU-Spitze. Die Schwesterpartei im Süden sei "ruhig" und "konstruktiv" geworden. Offenbar habe auch Seehofer erkannt, dass die Union im Bundestagswahlkampf nur geschlossen erfolgreich sein könne.

Mit Genugtuung wird in der CDU aufgenommen, wie deutlich sich Seehofer inzwischen wieder hinter Angela Merkel stellt - und wie rigide er Kritiker der Kanzlerin zur Ruhe mahnt. Das liege am Wiedererstarken der SPD und der Gefahr einer rot-rot-grünen Koalition, außerdem habe das überraschend gute Abschneiden der CDU im Saarland die Lage in der Union entspannt.

Stück für Stück wolle er künftig von seinen Aufgaben als Parteichef an Bundesminister und den Landesgruppenchef übertragen, kündigt Seehofer an. Es sei ja auch für die Kanzlerin eine Erleichterung, wenn er nicht jede Woche zwei, drei Tage in Berlin aufkreuzen werde. Eine Schlüsselrolle soll Joachim Herrmann zufallen. Der Innenminister stehe wie kein Zweiter für Sicherheit und eine "vernünftige Zuwanderungspolitik", sagt Seehofer. Herrmann sei ein Minister, auf den er sich "blind verlassen" könne.

Vor sechs Jahren hätte der 60-jährige Mittelfranke für die CSU schon einmal nach Berlin wechseln sollen, damals hatte er abgelehnt. Nun sagt Herrmann, er empfinde es als Ehre, seine Partei in die Bundestagswahl zu führen. Die Menschen hätten ein Recht auf Sicherheit, "ich bin bereit, diese Themen kraftvoll zu vertreten". Themen, für die derzeit Thomas de Maizière (CDU) zuständig ist. Über Posten brauche man ohnehin noch nicht zu reden, sagte Seehofer. Erst müsse die CSU die Wahlen gewinnen. Mit ihm an der Spitze.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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