Geschichte:Wie Bayerns frühe Städte entstanden

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Blick in die Ausstellung im ehemaligen Feuerwehrhaus in Aichach. (Foto: Schlösserverwaltung, Universitätsarchiv München, Herbert Rath/HdBG/dpa)

Durch Stadtgründungen gestalteten die Wittelsbacher das Land um. Wie, das zeigt die Landesausstellung in Friedberg. Wegen der Corona-Krise fehlen aber noch einige Exponate - und vor allem die Besucher.

Von Hans Kratzer

Scherben bringen Glück, verheißt ein altes Sprichwort, und ein bisserl was von diesem Glück könnte das Haus der Bayerischen Geschichte jetzt gut gebrauchen. Irgendein Hanswurst hat nämlich mit einem Stein ein Fenster am Wittelsbacher Schloss in Friedberg (Landkreis Aichach-Friedberg) eingeworfen. Er traf damit ausgerechnet den Ausstellungsort der Bayerischen Landesausstellung 2020, die eigentlich am 28. April hätte eröffnet werden sollen, wenn nicht die Corona-Krise dazwischengekommen wäre. Zum Glück hatte die Attacke auf das Fenster nicht annähernd so dramatische Folgen wie ehedem der Brandanschlag im neuen Museum in Regensburg, dessen Eröffnung dadurch um ein ganzes Jahr verschoben werden musste. Wie lange die aktuelle Landesausstellung verschoben werden muss, ist aber noch offen. Überhaupt verlief der Aufbau der Ausstellung wegen der Corona-Krise weitaus schwieriger als sonst, wie Kurator Peter Wolf bestätigt. Ein Hemmschuh war, dass die Gestaltungsspezialisten aus Österreich und Südtirol ihre Expertise nur fernmündlich einbringen konnten.

Hans Wertinger (um 1465/70-1533) malte die obige Turnierszene aus dem alten Landshut um 1520. (Foto: Schlösserverwaltung, Universitätsarchiv München, Herbert Rath/HdBG/dpa)

Eine Absage der Landesausstellung steht aber noch nicht zur Debatte. Ebenso wenig eine Verlegung auf das kommende Jahr, wie Andrea Rüth, Sprecherin des Hauses der Bayerischen Geschichte, erklärte. "Wir gehen aktuell davon aus, unsere Landesausstellung in den nächsten Wochen eröffnen zu können." Momentan werden in den Ausstellungsräumen strenge Sicherheits- und Hygienemaßnahmen getroffen, um das Personal und die Besucher bestmöglich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. Auch die Anlieferung der Exponate stockt noch, da zum Beispiel die Transporte der Leihgaben aus dem von der Corona-Krise besonders betroffenen Italien schon vor vielen Wochen eingestellt wurden. Aufgrund des Corona-Shutdowns ist auch der Transport von Objekten aus den deutschen Partnermuseen bis jetzt nicht möglich.

Immerhin sind Wände, Repros, Texte und Vitrinen fertig und eingeleuchtet. "Man freut sich einerseits, es kommen einem aber auch die Tränen", sagt Wolf. Die aktuelle Gemengelage ist also, grob gesagt, so recht das Gegenteil von jener Befreiung, die der Titel der Ausstellung verheißt: "Stadt befreit". Auch um das Leitmotto hatte es im Vorfeld Querelen gegeben, letztlich wurde der Titel geändert.

Die Landesausstellung, die sich den Wittelsbacher Städtegründungen widmet, wird an zwei Stätten gezeigt. Zum einen im Wittelsbacher Schloss in Friedberg, zum anderen in Form einer großen Medieninstallation im einstigen Feuerwehrhaus in Aichach. "Es ist ein befremdliches Bild: eine fertig gebaute Ausstellung, an der das wichtigste fehlt, die Exponate und die Besucherinnen und Besucher. Wie wenn man mit der Badehose in einem Schwimmbad ohne Wasser steht", so bringt Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, das derzeitige Dilemma bildstark zum Ausdruck.

Seiten aus einem Matrikelbuch der Universität Ingolstadt (1472-1547). (Foto: Schlösserverwaltung, Universitätsarchiv München, Herbert Rath/HdBG/dpa)

Dass die Ausstellung in der schwäbischen Region rund um Aichach und Friedberg gezeigt wird, hat seinen guten Grund. Die Region wird auch als Wittelsbacher Land bezeichnet, weil die Wittelsbacher, das ehemalige bayerische Königshaus, dort ihren Ursprung haben. In Oberwittelsbach hatten sie einst ihre Stammburg. Die ersten Wittelsbacher Herzöge stießen den Städtebau entscheidend an. Die Ausstellung erklärt mit allem, was der moderne multimediale Baukasten hergibt, wie sie vom 13. Jahrhundert an durch die Gründung von Städten und Märkten nicht nur das Land sichtbar umgestalteten, sondern mit dieser Art von Städtepolitik ihre Macht entscheidend ausbauten.

Kurator Peter Wolf kann es kaum erwarten, das spannende Thema dieser Ausstellung, in der zweieinhalb Jahre Vorbereitungszeit stecken, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. "Hier ist alles bunt und vielfältig. Es geht schließlich um das Leben selber", sagt Wolf. Im 13. Jahrhundert habe es in Altbayern das System der Stadt noch nicht gegeben. "Es war eine der weitreichendsten Infrastrukturmaßnahmen aller Zeiten in Bayern", schwärmt Wolf. In der Breite des Landes entstand nun urbanes Leben. Die neu gegründeten Städte boten viele neue Möglichkeiten, es entstand vielfältiges Handwerk und vitaler Handel. Diese Entwicklung schlägt bis heute durch. Altbayern ist ein Städteland, was aber keine hiesige Erfindung, sondern im europäischen Kontext zu sehen ist.

Ein Trostpflaster: In diesen Tagen ist der mehr als 250 Seiten starke Katalog fertiggestellt worden. Er bildet die Vielfalt der Ausstellung eindrucksvoll ab, zeigt auf, wie das uns heute so vertraute System der altbayerischen Städte und Märkte in einem historisch gesehen verhältnismäßig kurzen Zeitraum entstand. Ins Auge springen etwa das alte Stadtmodell von Landshut, hochrangige Heiligenfiguren des Freisinger Diözesanmuseums, welche die Tracht des späten Mittelalters dokumentieren, großartige Steinskulpturen aus Italien, die Notare der frühen Stadtkultur zeigen und den Vorbildcharakter italienischer Städte für die bayerische Städtegründungspolitik belegen. Auch ein aus Frankreich kommendes Originalmanuskript, das thematisch den frühen Städtebau im Mittelalter umgreift, zeigt den internationalen Ansatz der Ausstellung, die zudem eine Brücke in die Gegenwart schlägt. Unter dem Leitbegriff "Transformation" beschäftigt sich zum Beispiel ein Abschnitt in einer Art Architekturwerkstatt mit Veränderungsprozessen, von denen Städte seit jeher geprägt werden. Beispiele bayerischer Städte werfen mit Blick auf das Mittelalter auch aktuell drängende Fragen auf, wie etwa Herausforderungen wie Städtewachstum, demografische Veränderungen und Mobilität im 21. Jahrhundert bewältigt werden könnten.

Peter Wolf ist optimistisch, dass die Ausstellung in ein paar Wochen zu sehen sein wird. "Wir warten eigentlich nur auf die Mitteilung, wann die Museen in Bayern wieder öffnen dürfen. Dann brauchen wir noch eine gewisse Zeit, um den Transport der Objekte in Gang zu bringen." An eine Verlängerung der wie geplant bis zum 8. November laufenden Ausstellung denkt er noch nicht. "Bis zum 8. November, das wäre immer noch eine lange Zeit."

Beide Ausstellungsorte sind gut 20 Kilometer voneinander entfernt und per Auto, Bahn und Rad gut zu erreichen. So spekulieren die Veranstalter darauf, dass sich hier eine gute Urlaubsperspektive biete, da man ja sowieso im Lande bleiben müsse. Schon deshalb legten die Veranstalter großen Wert auf einen familienorientierten Ansatz der Ausstellung, in der nicht nur Objekte zu bestaunen sind. Unter anderem werden ein virtueller Rundflug durch die Residenzstadt München am Ende des 16. Jahrhunderts angeboten sowie packende filmische Einblicke in die Buntheit des mittelalterlichen Stadtlebens.

Der Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2020 "Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte" erscheint im Pustet-Verlag und ist von der kommenden Woche an im Buchhandel erhältlich.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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