Bergtourismus:Naturschützer klagen gegen die Modernisierung des Watzmannhauses

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Das Watzmannhaus ist ein Magnet für Bergsteiger und Wanderer. An schönen Tagen wird es förmlich überrannt. (Foto: DAV-Sektion München)
  • Der Bund Naturschutz und der Deutsche Alpenverein sind im Berchtesgadener Land heftig aneinandergeraten.
  • Es geht bei dem Streit um die Modernisierung und den Ausbau des Watzmannhauses.
  • Der DAV hatte einen spektakulären Anbau geplant, der den Puristen gar nicht gefiel.

Von Christian Sebald, Ramsau

Wenn es um den Schutz der Bergwelt geht, haben der Bund Naturschutz (BN) und der Deutsche Alpenverein (DAV) zuletzt immer Seite an Seite gekämpft. Der erbitterte Streit um die Skischaukel am Riedberger Horn steht beispielhaft für die Allianz der beiden Organisationen. Auf lokaler Ebene indes bekriegen sich BN und DAV bisweilen. Besonders heftig geht es derzeit im Landkreis Berchtesgadener Land zur Sache.

Dort klagt die BN-Kreisgruppe gegen die Modernisierung und den Ausbau des Watzmannhauses. Träger der Bergunterkunft ist die DAV-Sektion München. "Die Münchner haben sich eine regelrechte Aussichtskanzel über dem Abgrund genehmigen lassen", empört sich die BN-Kreischefin im Berchtesgadener Land, Rita Poser. "Die Bergwelt am Watzmann ist aber so spektakulär, dass es dort oben keine Eventarchitektur und andere Sensationen braucht."

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Ausgerechnet der Watzmann und das Watzmannhaus. Der Gebirgsstock in den Berchtesgadener Alpen und die Unterkunft oben auf dem 1930 Meter hohen Falzköpfl genießen einen so legendären Ruf wie nur wenige andere Bergregionen und DAV-Häuser in Bayern - unter Bergsteigern genauso wie unter Wanderern. Zudem liegen Watzmann und Watzmannhaus mitten in der Kernzone des Nationalparks Berchtesgaden. Der Alpennationalpark hat allein deshalb einen einmaligen Stellenwert in der Naturschutzszene, weil er der einzige seiner Art in Bayern und damit in Deutschland ist.

Dieses Renommee hat seinen Preis. Bei gutem Bergwetter werden Watzmann und Watzmannhaus regelrecht überrannt. An schönen Tagen werden auf der ebenso berühmten wie schwierigen und anstrengenden Watzmann-Überschreitung bis zu 300 Bergsteiger gezählt. Und das Watzmannhaus selbst reißt immer öfter die Rekordmarke von 10 000 Übernachtungen im Jahr, wie es nicht ohne Stolz in den Jahresberichten der Sektion München heißt.

Das Watzmannhaus, das heute in seinen Matratzenlagern und Gästezimmern 219 Übernachtungsplätze anbietet, ist vor 130 Jahren eröffnet worden. Seinerzeit war es ein kleiner, bescheidener Bau mit Platz für gerade mal 25 Bergsteiger. Doch schon damals war der Ansturm auf den Watzmann groß. Also erweiterte die Sektion München die Unterkunft 1894 das erste Mal. Zehn Jahre später wurde das sogenannte Salettl errichtet. Der hölzerne Anbau, der nah an den Steilhang des Falzköpfls heranreicht, wird seit jeher als Gaststube genutzt. 1911 wurde dann der wuchtige Anbau im Westen eingeweiht.

Frevel an der Bergwelt

Es ist das Salettl, um das der heftige Streit zwischen dem BN im Berchtesgadener Land und der DAV-Sektion München entbrannt ist. Denn im Zuge der überfälligen Sanierung des Watzmannhauses will die DAV-Sektion München den alten und reichlich angegrauten Anbau abreißen lassen und einen Neubau hinstellen. Der hat es für BN-Kreischefin Poser in sich. Laut Baugenehmigung soll der halbrunde, großzügig verglaste Neubau etwa 1,60 Meter über den Steilhang hinausragen.

"Die Gäste an den Tischen direkt an der verglasten Front thronen gleichsam direkt über dem Abgrund", sagt die Naturschützerin. "Damit soll ihnen offenbar eine besonders spektakuläre Aussicht über den Königssee hinweg auf die Bergwelt dahinter angeboten werden." Für Poser ist die Baugenehmigung ein Frevel an der Bergwelt. "So eine Architektur kennt man höchstens von Seilbahn-Bergstationen", sagt sie. "Aber nicht von Berghütten, die sich harmonisch in die karge Natur und Landschaft einfügen." Die Baugenehmigung steht für Poser nicht nur im Widerspruch zum Grundsatzprogramm des DAV, wonach bei der Sanierung von Berghütten besondere Rücksicht auf den Naturschutz genommen werden muss. Sie sei auch unvereinbar mit der Nationalpark-Verordnung.

Dies sieht auch der Nationalpark-Chef Roland Baier so. Er ist ebenfalls sehr unglücklich über die Baugenehmigung. Allerdings sind Baier die Hände gebunden. Schließlich hat sein Vorgänger Michael Vogel dem Projekt im förmlichen Genehmigungsverfahren das Plazet erteilt. Im DAV herrscht offenkundig ebenfalls Verärgerung über die Pläne. Vor allem im Hauptverband. Wie Poser sprechen dort etliche von "Eventarchitektur" und "Frevel an der Bergwelt". Offiziell will sich aber keiner zu den Plänen äußern.

Weniger spektakuläre Pläne eingereicht

Die Kritik im Hauptverband hat aber bereits Folgen. Wie bei Hüttensanierungen üblich will die Sektion München vom Hauptverband für den Neubau des Salettls einen Zuschuss. Schließlich ist das Projekt mit einem Volumen von 680 000 Euro sehr teuer. Deshalb reichte sie den entsprechenden Antrag beim Hauptverband ein. "Wenig später hat sie ihn aber wieder zurückzogen und eine Überarbeitung angekündigt", sagt DAV-Vizepräsident Roland Stierle. Inzwischen sind beim Hauptverband neue Pläne eingegangen. "In ihnen haben wir das Salettl so verkürzt, dass es gleichsam mit der Kante des Steilhangs abschließt und nicht mehr über ihn hinausragt", sagt der Hüttenreferent der Sektion München, Thomas Gesell. Wie Sektionschef Günther Manstorfer hofft er, dass sich der Streit damit erledigt hat.

Für den BN Berchtesgaden ist die Sache freilich nicht vorbei. Zum einen weiß die Kreischefin nichts von den überarbeiteten Plänen. Zum anderen kommt es für sie auf die Baugenehmigung an. "Sie ist entscheidend", sagt Poser. "Denn mit dieser Genehmigung kann es sich der DAV München jederzeit wieder anders überlegen und doch seine Eventkanzel über dem Steilhang bauen." Poser und der BN in Berchtesgaden werden an ihrer Klage festhalten.

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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