SZ-Serie: Urlaub daheim:Schönheit auf den zweiten Blick

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Das Fichtelgebirge hält viele Wanderwege bereit. Am sogenannten Steinbruchweg reihen sich die ehemaligen Steinbrüche rund um den Epprechtstein aneinander. (Foto: N/A)

Die herbe Ausstrahlung des Fichtelgebirges macht es dem Wanderer nicht leicht, die Reize der Landschaft zu erkennen. Doch wer sich darauf einlässt, wird belohnt.

Von Katja Auer

Einfach macht es das Fichtelgebirge dem Besucher nicht, und das gar nicht wegen der doch erheblichen Höhenmeter, die sich in diesem Mittelgebirge ersteigen lassen. Aber lieblich ist sie nicht, die Gegend im Norden des Freistaats; man ist nicht so vorbehaltlos gefangen wie vom postkartenkitschigen Alpenvorland oder den wildromantischen Ecken der Fränkischen Schweiz.

Zwar haben einige Orte im Fichtelgebirge eine lange Tradition als Tourismusregion; früher kamen vor allem West-Berliner regelmäßig zur Sommerfrische wie zum Wintersport, doch von Overtourismus kann wahrlich nicht die Rede sein. Selbst frankenaffine Kollegen stutzen kurz bei den Ausflugsplänen. Das mag an den Bäumen liegen, den namens- und landschaftsprägenden. Die Ästhetik der Fichte - wie ein Kollege die Vorbehalte umschreibt - muss sich dem Wanderer erst erschließen, steht der Wald doch dunkler da und vielleicht auch bedrohlicher als ein lichter Buchenhain.

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Von der Burgruine Epprechtstein zeigt sich die Weite des Fichtelgebirges.

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Der Weg führt vorbei an ehemaligen Steinbrüchen.

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Die alten Warnschilder kann man getrost ignorieren.

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Am Ende lockt das Granitlabyrinth. Fotos: Katja Auer

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Die historischen Scheunenreihen sind eine städtebauliche Besonderheit in Weißenstadt. Der Ort zieht heute Erholungssuchende an.

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Der Weißenstädter See ist aufgestaut, wer nicht nur spazieren will, kann schwimmen und Wassersport treiben. Allerdings wird gerade vor Blaualgen gewarnt.

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Der Schloßbrunnen-Bruch ist einer der letzten Steinbrüche rund um den Epprechtstein, in dem noch Granit abgebaut wird.

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Der Steinbruchweg ist gut markiert, die markante Kennzeichnung macht es dem Wanderer leicht.

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Viele ehemalige Steinbrüche sind heute Biotope und Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Der Wanderer entdeckt geradezu verzauberte Ecken.

Es wird jedoch belohnt, wer sich einlässt auf die herbe Landschaft. Man muss nicht gleich auf den Schneeberg steigen oder den Großen Kornberg, das Fichtelgebirge hält unzählige Wanderwege bereit. Eine kleine Runde nahe Kirchenlamitz führt nicht nur durch die typische Landschaft, sondern auch durch deren Geschichte. Am Steinbruchweg, der als solcher beschildert ist, reihen sich die ehemaligen Steinbrüche rund um den Epprechtstein aneinander. Schon im Mittelalter wurde Granit abgebaut. Erst machten sich die Steinhauer an Findlinge und Felsen, zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden große Steinbrüche angelegt. Viele Kirchenlamitzer schufteten dort hart für ihren Lebensunterhalt.

Es geht auf weichen Waldwegen hinauf auf den Epprechtstein. 798 Meter hoch ist der Gipfel, auf dem sich die Reste einer Burganlage finden, die 1248 erstmals erwähnt und im 16. Jahrhundert zerstört wurde. Das bisschen Burg ist schnell angeschaut, doch oben auf der Aussichtsplattform legt sich das Fichtelgebirge dem Wanderer zu Füßen. Die Windräder im Norden zeugen von der nahen Zivilisation, zu hören sind sie nicht. Die Gegend ist mit dem Strukturwandel beschäftigt; sie musste den Niedergang nicht nur von Granitabbau, sondern auch von Textil- und Porzellanindustrie verkraften. Auch die Glasherstellung hat schon bessere Zeiten erlebt. Aber auch der täuscht sich, der nur auf vom Schicksal gebeutelte Menschen zu treffen glaubt. Wer noch da ist oder gar hinzieht ins Fichtelgebirge, der lässt kaum etwas kommen auf seine Heimat.

Dass sich die Ruine zum einstigen Raubritternest recht komfortabel auf Stufen erklimmen lässt, hat der Wanderer König Friedrich Wilhelm III. und seiner Gemahlin Luise zu verdanken, die den Epprechtstein im Juni 1805 besuchten. Die Gegend war damals preußisch, was sich kurz nach jenem Besuch ändern sollte, währenddessen den König die Nachricht erreicht haben soll, dass Napoleon den Rhein übertreten hatte. Dieser besetzte das Fürstentum Bayreuth ein Jahr später; fraglich also, ob dem Königspaar der Ausflug in besonders angenehmer Erinnerung geblieben ist.

Zurück vom Gipfel führt der Weg nun durch die Steinbrüche. Biotope sind aus manchen geworden, mit Wasser gefüllt und von Buschwerk überwuchert, Lebensraum für Tiere und Pflanzen; wahre Steinskulpturen aus den anderen. Die Natur hat sich zurückgeholt, was der Mensch ihr einst abtrotzte. In der vermeintlichen Idylle erklären Infotafeln dem Wanderer das beschwerliche Handwerk und man beneidet sie nicht, die Steinhauer und ihre "Suppentroger", die Kinder, die den Männern mittags das Essen in die Steinbrüche bringen mussten. "Rauh ist die Arbeit und rauh sind wir", ist als Zitat der Steinarbeiter über sich selber zu lesen.

Heutzutage geht es beschaulicher zu, die Schienen der Loren sind längst zugewachsen, die alten Warnschilder vor Sprengungen dürfen getrost ignoriert werden. Selbst an einem Vormittag in den Sommerferien trifft man nicht zwingend andere Leute, nur Falken und Eichhörnchen sind unterwegs. Und nach einer einsamen Weile würde man sich tatsächlich weniger über die sieben Zwerge mit Zipfelmützen und Spitzhacken wundern als über eine Gruppe Aktiv-Urlauber mit Outdoor-Jacken und Walking-Stöcken.

Gegen Ende der Runde schließlich meint man doch Zivilisationsgeräusche zu hören, ein Hämmern vielleicht? Es ist der Krach aus dem Schlossbrunnen-Bruch, in dem noch immer Granit gewonnen wird. Drei der einstmals 20 Steinbrüche rund um den Epprechtstein sind heute noch in Betrieb. Die Bahnstrecke nicht mehr, auf der die Steine früher abtransportiert wurden. Der Wanderweg führt zum ehemaligen Haltepunkt der Nebenbahn zwischen Kirchenlamitz und Weißenstadt, von dem aus Steine zum Export bis nach Übersee verladen wurden. Auf der ehemaligen Trasse läuft es sich bequem zurück zum Ausgangspunkt und auch zum Granitlabyrinth, in dem noch spazieren oder meditieren kann, wer möchte. Kinder haben ohnehin Spaß daran, auf den großen Granitblöcken umherzuspringen.

Nach viel Wald bietet sich noch ein Abstecher nach Weißenstadt an, ein ebenfalls vom Steinbau geprägtes Städtchen, dessen städtebauliche Besonderheit die historischen Scheunen sind, die sich am Ortsrand aneinanderreihen. Heute ist Weißenstadt Erholungsort mit Kurzentrum am See. In diesem lässt sich hübsch baden, wenn er nicht gerade von Blaualgen geplagt wird, allerlei Wassersport gibt es auch. Und trotzdem viel Ruhe. Wer dann um den See spaziert, den Blick auf die fichtenbewachsenen Berge rundum gerichtet, der denkt möglicherweise schon über den nächsten Ausflug ins Fichtelgebirge nach.

© SZ vom 04.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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