Parteitag:Ab in den Überlebenskampf

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Zur Kommunalwahl sagte Landeschefin Natascha Kohnen kein Wort. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Die SPD zieht in die Kommunalwahl, die Revolte gegen Landeschefin Natascha Kohnen bleibt aus.

Von Wolfgang Wittl, Taufkirchen

Der Samstag beginnt nicht gut für Natascha Kohnen. In aller Herrgottsfrüh landet im Postfach der Bayern-SPD eine E-Mail vom Kreisvorstand aus Pfaffenhofen, deren Inhalt mit dem Begriff Brandbrief milde umschrieben wäre. Von "wiederholten parteiinternen Dreistigkeiten" der Landeschefin und ihres Vorgängers Florian Pronold ist die Rede. "Geschlossenheit ist Dir scheinbar nur dann wichtig, wenn es um Deine eigene Karriere geht", wird Kohnen gescholten: "Wie oft sollen wir uns noch verarschen lassen?"

Stunden später trifft sich die Bayern-SPD zum kleinen Parteitag in Taufkirchen. Man muss den Brief vielleicht nicht ganz so ernst nehmen, wenn man weiß, dass der Kreisvorstand Pfaffenhofen von Markus Käser angeführt wird - einem jener Mitbewerber, die Kohnen im Kampf um den Landesvorsitz vor gut zwei Jahren unterlegen waren. Oder doch? An Frust mangelt es nicht in der SPD. Bei der Landtags- und Europawahl kam sie jeweils mit weniger als zehn Prozent ins Ziel, Tendenz fallend. Entlädt sich da noch mehr auf dem Parteitag?

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Eigentlich will die SPD Fahrt aufnehmen für die Kommunalwahl am 15. März, die in Wahrheit ein Überlebenskampf ist. Die Rathäuser sind die letzten Bastionen der einst stolzen Volkspartei in Bayern. Gut 4800 Mandatsträger stellt sie in Kommunen und Kreisen, dazu fast 250 Bürgermeister und Landräte. Klaus Adelt, kommunalpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion und Landratskandidat in Hof, legt einen 13-seitigen Leitfaden vor. Er soll Kandidatinnen und Kandidaten unverbindliche Tipps geben in ihrem Werben etwa für bezahlbare Wohnungen und mehr Bürgerbeteiligung. "Die SPD ist nach wie vor eine Macht vor Ort in den Kommunen", ruft Adelt den 95 Delegierten zu: "Wir sind da - und zwar stärker als je zuvor."

Eine Reihe von SPD-Leuten sind aber auch nicht da - und zwar die Stärksten. Zehn der 25 kreisfreien Städte in Bayern werden von Oberbürgermeistern der SPD regiert, kein einziger lässt sich in Taufkirchen blicken. Münchens OB Dieter Reiter überreicht wenige Kilometer entfernt Meisterbriefe an Handwerker und hat bestimmt noch weitere wichtige Gründe, die einen Besuch verhindern. Auch die Granden aus Nürnberg, Fürth, Erlangen oder Regensburg bleiben fern. Die erfolgreichsten SPD-Kommunalpolitiker betonten schon immer ihre Unabhängigkeit vom Landesverband. Inzwischen sieht es so aus, als hätten sie Angst, sie könnten sich infizieren.

So erklärt sich, weshalb in der Talkrunde keine bekannten Köpfe, sondern vier Bewerber von Wunsiedel bis Wolfratshausen zu Wort kommen, die über Alpakas und Jogginggewohnheiten plaudern. Weniger einleuchtend ist für manche Delegierte, warum auf einem Parteitag zum Kommunalwahlkampf Beutel mit dem Aufdruck "We are Europe, Baby" über den Stühlen hängen. Oder wieso die Landeschefin keinen aufmunternden Satz für die Wahlkämpfer der nächsten Monate findet.

Natascha Kohnen konzentriert sich in ihrer Rede auf die Halbzeitbilanz der großen Koalition in Berlin. Eine klare Positionierung vermeidet sie allerdings. Sie habe Verständnis für beide Seiten, sagt Kohnen, für Befürworter der Groko wie auch deren Gegner. Sie appelliert an den Zusammenhalt. Nur wenn man die jeweils andere Meinung und das neue Spitzenduo im Bund respektiere, werde die SPD eine Zukunft als Volkspartei haben. Letztlich werde jeder Delegierte für sich entscheiden müssen, ob die SPD die Bundesregierung verlassen solle. In einem Punkt legt sich Kohnen fest: Das Zweckbündnis mit der Union sei keine Option mehr für künftige Koalitionen. "Wir brauchen in meinen Augen eine Mehrheit links von der Union - und wir müssen für diese Mehrheit kämpfen."

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Dann kommt es zur Aussprache. Martin Burkert, der scheidende Landesgruppenchef, sagt, bayerische Kritik an den Abgeordneten in Berlin sei ja in Ordnung. "Aber was nicht geht: dass man die Landesgruppe in eine rechte Ecke stellt." Das ist zwar ein Seitenhieb gegen Kohnen, die Revolution bleibt aber aus. Selbst der Bundestagsabgeordnete Florian Post, Kohnens wohl härtester Gegner, zeigt sich für seine Begriffe gemäßigt. Er zitiert einen Zeitungskommentar, wie sehr Kohnen der SPD geschadet habe. Und er sagt, niemand dürfe seine Werte über die von anderen stellen.

Die Verteidigung seiner früheren Generalsekretärin übernimmt Florian Pronold. Posts Angriffe seien "unsäglich", auch deshalb stehe die SPD öffentlich schlecht da. Es ist Pronolds vielleicht letzter Auftritt in der Bayern-SPD, bald gibt er sein Mandat ab. "Der hat's nötig", poltert Post hinterher. Jahrelang sei Pronold ein "chronisch erfolgloser Landesvorsitzender" gewesen. "Jetzt macht er sich vom Acker und andere sollen schuld sein."

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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