Kriminalität:Regensburg hat ein Problem mit Intensivtätern

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Der Regensburger Hauptbahnhof hat seit Langem einen schlechten Ruf und gilt als besonders gefährlicher Ort. (Foto: Manfred Segerer/Imago)

Die jüngsten Zahlen zeigen, dass in der Stadt 2023 so viele Straftaten begangen wurden wie in den vergangenen zehn Jahren nicht, ein Anstieg um 15 Prozent. Eine Gruppe von Tunesiern fällt dabei besonders auf.

Von Lisa Schnell, Regensburg

Der Regensburger Hauptbahnhof, ein Ort der Angst, vor dem man seine Töchter warnen muss. Der anschließende Park quasi nicht mehr alleine durchquerbar. Den Eindruck konnte man gewinnen, wenn man die Schlagzeilen liest, die es in letzter Zeit über das Regensburger Bahnhofviertel gab. Schon vor diesem Mittwoch, an dem die Polizei ihre Zahlen zur tatsächlichen Kriminalität vorstellte, musste relativiert werden. Auslöser für die Aufregung waren die Meldungen von zwei mutmaßlichen Vergewaltigungen im Umfeld des Bahnhofs. Mittlerweile ist klar, dass eine von ihnen nicht stattgefunden hat. Sie hatte sich angeblich am helllichten Tag ereignet und deshalb für besonders großes Entsetzen gesorgt. Bei der zweiten Vergewaltigung handelte es sich offenbar zu Anfang um Beschaffungsprostitution. Eine Frau bot laut Polizei sexuelle Dienste an, um Drogen zu bekommen, die Dealer seien dann aber weiter gegangen als vereinbart.

Das Problem ist also nicht so groß, wie es manche Schlagzeile vermuten lässt. An diesem sonnigen Mittwoch ist es für eine Frau problemlos möglich, ohne Belästigungen zur Mittagszeit durch den Fürst-Anselm-Park zu laufen. In der Nacht soll das schon anders sein. Denn ein Problem gibt es, das zeigen die Zahlen, die die Polizeiinspektion Regensburg Süd am Mittwoch vorstellte, und zwar nicht nur im Bahnhofsviertel. Zunächst einmal wurden in Regensburg 2023 so viele Straftaten begangen wie in den vergangenen zehn Jahren nicht, ein Anstieg um 15 Prozent. Im Vergleich zu anderen Großstädten wie etwa München hat Regensburg laut Gerhard Roider, Leiter der Polizeiinspektion Regensburg Süd, schon lange die meisten Delikte pro 100 000 Einwohner.

Neu ist die Belastung durch Intensivtäter aus Tunesien. Seitdem diese konzentriert im "Ankerzentrum" in Regensburg untergebracht werden, steigt die Anzahl an tunesischen Tatverdächtigen an. Insgesamt haben sie einen Anteil von 14,5 Prozent an allen Straftaten, ihr Anteil an der Regensburger Bevölkerung liegt dagegen nur bei 0,14 Prozent. Es handele sich um eine "echte Problemgruppe", sagt Roider. Dabei geht es offenbar um wenige Intensivtäter, die vor allem Laden- und Taschendiebstähle sowie Drogendelikte begingen. Von organisierter Kriminalität spricht Roider nicht, Strukturen aber seien schon dahinter.

Bei den nicht-deutschen Tatverdächtigen machen Tunesier fast die Hälfte aus, meistens Männer zwischen 18 und 40 Jahren. Unter den Tatverdächtigen, die wegen Raubes verfolgt wurden, waren 22 Prozent Tunesier. Sie verübten ein Viertel aller Ladendiebstähle, von 206 Sexualdelikten wurden 13 von tunesischen Staatsbürgern verübt. Dabei handelt es sich vor allem um sexuelle Belästigung, nicht um Vergewaltigung. Anfang 2024 richtete Regensburg deshalb ein Spezialreferat ein, um die Verfolgung von Intensivtätern zu beschleunigen. So können Mehrfachtäter der "Ankereinrichtung" etwa auch für eher geringe Vergehen wie Ladendiebstahl in Untersuchungshaft genommen werden. Eine Maßnahme, die laut Roider Wirkung zeige. Bis jetzt wurden 46 festgenommen, 41 von ihnen waren laut Roider Tunesier.

Und der Bahnhof? Auch hier habe man laut Roider bei Straftaten "mit Abstand den höchsten Wert im Mehrjahresvergleich, den man jemals in Regensburg hatte". So habe sich im Fürst-Anselm-Park am Bahnhof eine zweite Drogenszene herausgebildet, die im Vergleich zur jetzigen aggressiv vorgehe. Dealer würden aktiv Passanten ansprechen, ob sie nicht etwas kaufen wollten, Kuriere holten ihre Ware aus Erdbunkern, insgesamt elf solcher Verstecke hat die Polizei gefunden. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Straftaten im Bahnhofsviertel 2023 um 45 Prozent auf 1081 Fälle an. Dies sei vor allem auf Drogen- und Rohheitsdelikte zurückzuführen wie Körperverletzungen oder Raub. Letztere stiegen von 92 auf 148 Fälle, Drogendelikte verdoppelten sich fast von 248 auf 473 Fälle. Im Diebstahlbereich nannte Roider einen Anstieg um 62 Prozent und auch bei Sexualdelikten gebe es einen Anstieg um 66 Prozent.

Betrachtet man allerdings die absoluten Zahlen, ergibt sich ein anderes Bild. So gab es 2023 insgesamt 15 Sexualdelikte, drei Vergewaltigungen waren darunter, die Mehrzahl allerdings war im Bereich der sexuellen Belästigung. Unter den Tatverdächtigen waren dabei drei Tunesier, denen sexuelle Nötigung und Belästigung vorgeworfen wird.

Um wieder für mehr Sicherheit zu sorgen, hat die Polizei neben dem Spezialreferat für Intensivtäter ihre Präsenz im Fürst-Anselm-Park stark erhöht. In Zukunft soll die Videoüberwachung ausgeweitet werden, zudem gibt es diverse Aktionen der Polizei und der Stadt wie etwa Infostände, die ein anderes Publikum anziehen sollen oder Parkbänke, die fest verankert werden sollen.

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