Beleidigungen und Drohbriefe:Mehr Schutz für Kommunalpolitiker

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Hass und Hetze gegen Politiker werden in Bayern immer mehr, dagegen wollen Innen- und Justizminister verstärkt vorgehen. Das Angriffsziel sei letztendlich immer die Demokratie.

Von Dietrich Mittler, München

Die von der Polizei erhobenen Daten lassen keine Zweifel zu: Kommunalpolitiker in Bayern sind in steigendem Maße Hass und Hetze ausgesetzt. Viele können aus eigener Erfahrung darüber berichten, wie sie beleidigt und bedroht wurden. Oder in Einzelfällen sogar körperlich angegriffen - 2019 immerhin in vier Fällen. Am Mittwoch stellten Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) ihr gemeinsames Schutzkonzept für Kommunalpolitiker vor.

Für den Justizbereich bedeutet das: Künftig können von Hass-Botschaften bedrohte Lokalpolitiker ihre Anzeigen online an die Justiz melden. Geprüft werden diese von Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb, seit Februar dieses Jahres Bayerns Beauftragter für Hate-Speech-Delikte. Insbesondere für Attacken, die nicht im Internet erfolgt sind, stehen alle 22 Staatsanwaltschaften im Freistaat als Ansprechpartner bereit. Und: Die Betroffenen müssen nicht mehr selbst prüfen, ob sie auch Opfer einer Straftat geworden sind. "Die Staatsanwälte übernehmen", sagte Eisenreich. Auch die Polizei habe "ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt", sagte Innenminister Herrmann. So etwa würden Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger von "besonders geschulten Experten des Polizeilichen Staatsschutzes bearbeitet". Zudem würden bei Gefahr Personen- und Objektschutzmaßnahmen geprüft.

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Auch wenn sich die Hass-Attacken zumeist gegen Einzelpersonen richten, so sei doch letztlich immer die Demokratie das Angriffsziel. Das habe sich bei den zurückliegenden Kommunalwahlen gezeigt. "Gerade auf dieser Ebene gibt es vermehrt die Situation, dass Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bereit sind, für politische Ämter zu kandidieren", sagte Eisenreich. Wie Herrmann betonte, sei die Unruhe unter lokalen und regionalen Mandatsträgern groß. "Jeder Politiker hat mal einen blöden Brief bekommen", sagte er, "aber jetzt ist da so viel Hass, dass es vielen zu Herzen geht." Uwe Brandl (CSU), der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, bringt auf den Punkt, was derzeit im Freistaat viele Kommunalpolitiker denken: "Die Spirale der Gewalt ist nach oben offen."

Für Innenminister Herrmann sind indes nicht nur die Polizei und die Justiz, sondern auch die Gesellschaft gefordert, eine deutliche Antwort zu geben - wurden doch in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits 158 Straftaten angezeigt, die sich allesamt gegen in der Kommunalpolitik engagierte Menschen richteten. 2017 waren es 194 Vorfälle, die erfasst wurden, 2018 bereits 232, und 2019 stieg die Zahl weiter an auf 272 Fälle. Die Palette der Attacken reicht von anonymen Hassbotschaften im Internet bis hin zu scharfer Munition oder Rattengift im Briefkasten. Frauen werden oft Opfer sexuell konnotierter Beleidigungen, wie Gudrun Donaubauer, die Bürgermeisterin im niederbayerischen Hauzenberg, am Telefon berichtet.

Gemeindetagschef Brandl warnt, solche Vorgänge auf die leichte Schulter zu nehmen: "Nach Beleidigungen kommt Spucken und Schlagen und danach Stechen und Schießen, wie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeigt." Die Minister Herrmann und Eisenreich sehen Bayern gut aufgestellt, doch müssten auch die Betreiber sozialer Medien mitspielen - was sie aber nur in "ungenügendem Maße" täten. Deshalb laufe die Suche nach den Absendern von Hassbotschaften noch oft ins Leere. Herrmann und Eisenreich hoffen hierbei auf eine europäische Initiative.

© SZ vom 02.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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