Zu hohe Fördermittel für Kinderbetreuung:Schon wieder Günzburg

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Lokalpolitikerin Stephanie Denzler steht wegen zu viel gezahlter Kita-Förderungen in der Kritik. (Foto: Privat)

Zwar ist es nach der Maskenaffäre etwas ruhiger geworden, doch den Landkreis beschäftigt noch ein Ermittlungsverfahren. Und noch eine CSU-Freundschaft.

Von Florian Fuchs, Augsburg

In Günzburg sind sie ganz froh, dass sich die Affäre um die Maskendeals etwas beruhigt hat. Der Ruf des Landkreises hat überregional gelitten, weil beim Stichwort "Günzburg" inzwischen immer alle zuerst an raffgierige Politiker denken. Im Landkreis dreht sich die Diskussion gerade eher um die Frage, wie ein angezählter Politiker wie Alfred Sauter einfach weitermachen kann, als hätte es nie Vorwürfe über Maskendeals gegeben. Er ist bei Empfängen, kommt zu Einweihungen, setzt sich in die erste Reihe und will wie selbstverständlich seine Kontakte spielen lassen, damit die Stadt Günzburg die Landesgartenschau ausrichten kann.

Das Problem ist bloß, dass zwar das mediale Dauerfeuer um Sauter und den Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein abgeebbt ist. Sie haben aber in Günzburg auch noch Politikerinnen aus der zweiten Reihe, die mit Ermittlungsverfahren auf sich aufmerksam machen. So hat die Staatsanwaltschaft gegen Stephanie Denzler (CSU) Vorermittlungen eingeleitet. Die gut vernetzte Lokalpolitikerin ist nicht nur Bezirks-, Kreis- und Stadträtin, sondern auch Vorsitzende des Trägervereins der Günzburger Kinderbetreuungseinrichtung "Kids & Company".

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Die hat mit einer verdeckten Preisliste über Jahre zu Unrecht 385 000 Euro an Fördermitteln von Kommunen und Staat eingesackt, ein bayernweiter Ausnahmefall in dieser Größenordnung. Um das Geld zurückzahlen zu können, streckten kurzerhand die Bezirkskliniken den Betrag als Kredit vor, was wiederum so dilettantisch vorbereitet wurde, dass sich das Innenministerium als Aufsichtsbehörde einschalten musste. Am Ende steht nun der Vorwurf, dass sich CSU-Granden aus dem Umkreis gegenseitig geholfen haben, um die Affäre vom Tisch zu bekommen.

Laut Landratsamt hat die Kinderbetreuungseinrichtung mit zwei Preislisten gearbeitet. Eine Elterngebührenübersicht, die den Behörden vorlag und eine zweite Preisstaffelung, die an die Eltern ging und Rabatte aufbot für Eltern, die ein Festpreisangebot mit langer Buchungszeit nutzten. Als das Landratsamt durch einen Zufall von der zweiten Preisliste erfuhr, stellte sich bei einer Prüfung heraus, dass bei "Kids & Company" die Kinder im Schnitt mehrere Stunden weniger in der Einrichtung waren als gebucht und vom Träger abgerechnet. Im Ergebnis gab es auf diese Weise knapp 400 000 Euro an kommunalen und staatlichen Fördermitteln zuviel. 21 Kommunen waren betroffen, neun von ihnen außerhalb des Landkreises Günzburg. Sie haben ihr Geld inzwischen alle zurückbekommen.

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Denzler wird nicht vorgeworfen, dass sie sich bereichert hätte. Sie sieht den Fehler auch eher im System als bei sich selbst. Sie sagt: "Der Fall ist keine Besonderheit, das passiert bei vielen Kitas." Eltern müssten die Möglichkeit haben, ihr Kind mal früher oder später abzuholen. Sie führten eben keine Stechkarte. "Denken Sie an den Arzt, der länger bei einer Operation ist", sagt die CSU-Politikerin. "Den einzigen, denen das zugute kam, waren die Familien, die ihre Kinder bei uns betreuen lassen."

Aus Sicht von Johannes Becher liegt der Fehler jedoch vor Ort. Becher ist Landtagsabgeordneter der Grünen und für frühkindliche Bildung zuständig. Die finanzielle Dimension des Falls sei in Bayern nur mit wenigen anderen Vorgängen bei Kinderbetreuungseinrichtungen vergleichbar. "Wenn eine Preistabelle dem Landratsamt und eine andere den Eltern vorliegt, wundert es mich nicht, dass jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt", sagt Becher, der zu dem Fall eine Anfrage an das Sozialministerium gestellt hat. Dort kommt auch das "Sonderkonstrukt" zur Sprache, wie es Becher nennt, dass die Bezirkskliniken einen Kredit von 400 000 Euro an den Trägerverein vergeben, damit dieser die fehlerhaften Zuschüsse zurückzahlen kann.

Innerhalb und außerhalb des Gremiums gab es erheblichen Unmut über das Darlehen

Offenbar wollte kein Kreditinstitut einspringen, weshalb am Ende die Bezirkskliniken kurzfristig ein zinsloses Darlehen ohne Sicherheiten vergaben - inzwischen wurde für das Geld das Gebäude der Kinderkrippe übernommen. Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) schreibt, dass zwar ein zinsloses Darlehen, nicht mehr aber ein Darlehen ohne Sicherheiten dem Gebot entspreche, finanzielle Risiken zu minimieren. Das Innenministerium als Rechtsaufsicht wurde deshalb den Bezirkskliniken beratend zur Seite gestellt.

Denzler selbst sitzt im Verwaltungsrat der Bezirkskliniken, Vorsitzender ist ihr CSU-Parteikollege und Bezirkstagspräsident Martin Sailer, Landrat des Landkreises Augsburg. Innerhalb und außerhalb des Gremiums gab es erheblichen Unmut über das Darlehen, mehrere Verwaltungsräte fühlten sich überrumpelt und nicht informiert. Zahlreiche Politiker, die sich mit der Sache befasst haben, stellen die Frage in den Raum, ob sich hier CSU-Politiker auf die Schnelle gegenseitig aus der Patsche geholfen haben. Sailer gibt dazu keine Antwort, Denzler wirft dem politischen Gegner vor, Stimmung zu machen. Offiziell heißt es von der Presseabteilung des Bezirks Schwaben, dass zahlreiche Kinder von Mitarbeitern der Bezirkskliniken die Kinderbetreuungseinrichtung nutzten. Das Darlehen sei nur unter der Bedingung ausbezahlt worden, dass der Trägerverein einen Beschluss zum Verkauf der Krippe an die Bezirkskliniken gefasst habe.

© SZ vom 08.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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