Nürnberg:Ausstellung zu NSU-Tatorten: Verstörende Lakonie

Nürnberg: In der Liegnitzer Straße liegt im Südosten Nürnbergs wurde Enver Şimşek ermordet.

In der Liegnitzer Straße liegt im Südosten Nürnbergs wurde Enver Şimşek ermordet.

(Foto: Regina Schmeken)

SZ-Fotografin Regina Schmeken hat die Tatorte des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds dokumentiert. Ihre Bilder sind nun in Nürnberg ausgestellt.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Als Regina Schmeken zum zweiten Mal den Ort aufsuchte, an dem Enver Şimşek am 9. September 2000 ermordet worden war, stand da ein Blumenhändler, ein Blumenhändler ähnlich wie Şimşek einer war. Der Tatort an der Liegnitzer Straße in Nürnberg liegt in einem Waldstück, dass sie dort jemanden antreffen würde, hatte Schmeken so nicht erwartet. Es sollte einer der bewegendsten Begegnungen werden, die der Kunstfotografin bei ihrem Projekt - der Dokumentation aller Tatorte des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds - widerfahren ist. Der Verkäufer kannte Şimşek. Als Schmeken sich zu erkennen gab, ging er zu seinem Lieferwagen, wo er ein Blatt mit allen Bildern der Opfer griffbereit aufbewahrte. Er nahm das Blatt in die Hand und fragte: "Warum?"

Im Jahr 2013 hat die Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung, Annette Ramelsberger, bei Schmeken angefragt, ob sie sich vorstellen könnte, alle Tatorte des NSU-Terrors für die SZ aufzusuchen. In dem Moment, erzählt Schmeken, sei ihr klar gewesen, dass ihr etwas "ganz Wichtiges" bevorstehe. Sie hat sich die Tatorte dann mehrfach angeschaut, entstanden sind Fotos von verstörender Lakonie und bedrückender Alltäglichkeit. Trotzdem erwischt man sich kurz beim Gedanken, in der Pfütze an der Liegnitzer Straße mehr zu sehen als nur eine Pfütze. Absicht ist das nicht. Diese Pfütze, erklärt Schmeken, spiegelte bei jedem ihrer Besuche den Himmel. "Sie ist da wohl immer", sagt Schmeken.

Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist die fünfte Station der Ausstellung mit dem Namen "Blutiger Boden. Die Tatorte der NSU", zuvor war sie in Dresden, Berlin, München und Kassel zu sehen. Der Bau auf dem früheren NS-Areal war in den vergangenen Jahren immer wieder Ort für Ausstellungen, die man gesehen haben musste. Diese gehört zu den beklemmendsten.

Zu sehen bis zum 23. Februar 2020. Das Dokuzentrum bietet ein umfangreiches Begleitprogramm an. Am 5. November diskutiert Annette Ramelsberger unter anderem mit dem Autor Feridun Zaimoglu über das Thema "Der Rechtsstaat in Gefahr".

Zur SZ-Startseite
NSU+jetzt

SZ JetztNSU
:Ein Prozess wie ein Mahnmal

Der NSU-Prozess hat fünf Jahre lang daran erinnert, wie präsent Rassismus in der Gesellschaft ist. Nach dem Urteil darf dieses Bewusstsein nicht wieder verloren gehen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: