Kundgebung in München:Gegen den Wolf

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Ein Wolf in freier Natur - was Tierschützer befürworten, ist für viele Landwirte keine schöne Vorstellung. Sie fürchten um ihre Tiere. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

So streng er auch geschützt sein mag, der Wolf hat nicht nur Freunde. Vor allem Landwirte fürchten um ihr Vieh. Am Samstag soll es deswegen eine große Demonstration geben. Aber es gibt auch Bauern, die wollen nicht gegen das Raubtier protestieren.

Von Christian Sebald, München

Natürlich ist René Gomringer in großer Sorge. Der 68-jährige Agraringenieur aus Beilngries im Altmühltal hält 20 Schafe und zwei Pferde - die meiste Zeit des Jahres im Freien. Vor knapp zwei Jahren ist eine junge Wölfin in das Altmühltal zugewandert. Sie hat ihr Revier bei Eichstätt, keine 40 Kilometer entfernt von Gomringers Weiden. "Das ist keine Strecke für so eine junge Wölfin, die läuft sie in einer Nacht hin und her", sagt Gomringer, der viele Jahre Geschäftsführer des Landesverbands bayerischer Schafhalter war und große Expertise in Sachen Nutztierhaltung hat . "Ich denk mir oft, was ist, wenn die Wölfin eines Nachts meine Tiere angreift?" So wie Gomringer sorgen sich viele Schäfer und andere Nutztierhalter, dass irgendwann einmal ein Wolf ihrem Vieh etwas antun könnte. Vor allem in den Regionen des Freistaats, in denen bereits Wolfsrudel oder einzelne standorttreue Wölfe leben.

An diesem Samstag ruft der Bayerische Bauernverband zu einer großen Kundgebung gegen eine Wiederbesiedlung Bayerns durch Wölfe auf. Sie findet in München statt, das Motto lautet "Ausgebimmelt". Erwartet werden nicht nur Bauern aus Bayern. Sondern auch aus Südtirol, Tirol und Mecklenburg-Vorpommern, wo es viel mehr Wölfe als in Bayern gibt. Beim Bauernverband rechnen sie mit bis zu tausend Teilnehmern. Sie alle eint die Überzeugung, dass Wölfe in Bayern und die Weidehaltung von Schafen und Rindern, aber auch von Pferden und anderen Nutztieren auf Wiesen und Weiden nicht zusammenpassen. Sollten sich die Raubtiere wieder ungehindert ausbreiten, so haben es die Bauern schon auf vielen Kundgebungen, Demonstrationen und anderen Veranstaltungen erklärt, sind nach ihrer Einschätzung über kurz oder lang die Weidehaltung und insbesondere die Almwirtschaft nicht mehr möglich.

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Aus Sicht vieler Bauern sind Wölfe viel zu streng geschützt. Ihrer Überzeugung nach gibt es weltweit und inzwischen auch in Europa so viele Wölfe, dass der strenge Schutz der Raubtiere nicht mehr angemessen ist. Zusammen mit dem Bauernverband fordern sie, dass die EU den Schutzstatus absenkt. Außerdem verlangen sie, Abschüsse zu erleichtern. Den Almbauern in den oberbayerischen Bergen und den Alphirten in den Allgäuer Alpen wäre es am liebsten, wenn der Freistaat durchsetzen könnte, dass Almen und Alpen komplett frei von Wölfen gehalten würden. Die Unterstützung der Staatsregierung haben sie. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU), aber auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), der selbst Landwirt ist, erklären immer wieder, dass sie ebenfalls gegen den strengen Schutz der Wölfe und für die Erleichterung von Abschüssen sind.

Abschüsse würden die Probleme nicht lösen

René Gomringer, der mit Leib und Seele Schafhalter ist, wird nicht zu der Kundgebung in München fahren. Zwar versteht der 68-Jährige die Sorgen und Ängste seiner Berufskollegen sehr wohl. Aber er hält wenig von solchen Protestaktionen und den Forderungen, die dort meist lautstark vorgetragen werden. "Dem Wolf ist es herzlich egal, wie streng er geschützt ist", sagt Gomringer. "Die Raubtiere sind Kulturfolger, sie kommen in unseren Kulturlandschaften sehr gut zurecht. Deshalb breiten sie sich wieder aus bei uns."

Aus Gomringers Sicht macht auch die Forderung nach Erleichterung von Abschüssen wenig Sinn. "Zum einen gibt es keine Anzeichen dafür, dass sie schnell erhört werden könnte", sagt er. "Aber selbst wenn sie durchgesetzt werden könnte, wird das viele Jahre dauern. Und die Zeit bis dahin müssen wir Tierhalter ja irgendwie mit dem Wolf zurecht kommen." Zum anderen ist Gomringer überzeugt, dass Abschüsse die Probleme mit dem Wolf nicht lösen werden. "Denn für jeden Wolf, der abgeschossen wird, wird ein anderer nachkommen", sagt der Schafhalter.

Gomringers Credo lautet deshalb, dass "wir Nutztierhalter wieder lernen müssen, mit dem Wolf zu leben". Und das heißt, Vorsorge zu treffen, dass die Raubtiere möglichst keine Gelegenheit bekommen, Schafe oder andere Nutztiere auf den Weiden anzugreifen. "Das beste Mittel sind Zäune", sagt Gomringer. "Und zwar nicht mehr Zäune, sondern sichere Zäune." Sie sind oft schon mit ganz einfachen Mitteln möglich. Gomringer hatte früher drei Litzen in den Zäunen um seine Schafweiden. Jetzt sind es vier. Früher standen die Litzen nur unter Spannung, wenn die Schafe auf der Weide waren. Jetzt fließt der Strom immer. "Denn der Wolf soll sich ja grundsätzlich von meinen Weiden fernhalten, egal ob da gerade Schafe drin sind oder nicht." Außerdem schaut Gomringer jetzt zwei Mal am Tag nach seinen Schafen. Früher hat er das nur ein Mal täglich getan.

Natürlich ist es mit kleinen Maßnahmen wie diesen nicht getan. Zusammen mit Naturschutzverbänden wie dem Bund Naturschutz fordert Gomringer, dass der Freistaat seine Angebote für den Herdenschutz massiv ausbaut. So bezahlt der Freistaat den Weidetierhaltern Schutzzäune nur in eng umgrenzten Regionen, in denen Wölfe nachgewiesen sind. Gomringer verlangt, die Förderung auf ganz Bayern auszudehnen. Außerdem soll es Zuschüsse für den Unterhalt der Anlagen geben.

Vor allem aber soll sich die Staatsregierung dafür einsetzen, dass sich die Weidehaltung wieder mehr lohnt. "Völlig unabhängig vom Wolf ist sie ja mit immens viel Arbeit verbunden", sagt Gomringer. "Die Preise für das Fleisch, die Milch und die Wolle sind aber so gering, dass sich der ganze Aufwand eigentlich nicht lohnt. Das ist ein viel größeres Problem als der Wolf."

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