Landtagsdebatte:Die Opposition will bei den Corona-Regeln mitreden

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Seit Monaten ringen Regierung und Opposition um die Mitspracherechte des Landtags bei den Maßnahmen gegen das Coronavirus. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Grünen fordern mehr Mitsprache des Parlaments, wenn es um neue Einschränkungen geht. CSU und Freie Wähler lehnen das ab - wieder einmal

Von Andreas Glas, München

Nein, eine Landtagsdebatte fällt auch laut Infektionsschutzverordnung nicht in die Kategorie Comedy, das macht Florian Herrmann (CSU) gleich mal klar, als er am Donnerstagmittag am Rednerpult steht. "Kabarett? Ja", sagt der Staatskanzleichef, Kabarett finde er grundsätzlich gut. Aber die Pandemie sei wirklich zu ernst, um die Maßnahmen der Staatsregierung "ins Lächerliche" zu ziehen. "Des Hohen Hauses ist das hier nicht würdig", sagt Herrmann. Dann spricht er Toni Schuberl (Grüne) direkt an: "Machen Sie Ihre Punkte im Kabarett." Er selbst mache seine Punkte lieber "im Dienste der Bevölkerung".

Was ist geschehen? Bevor Herrmann ans Pult trat, hatte Schuberl einen Auftritt hingelegt, der einige Lacher auslöste, jedenfalls in seiner eigenen Fraktion. Er hatte einfach mal die Widersprüche in der Infektionsschutzverordnung aufgezählt, die derzeit in Bayern gilt. Dass Tanzen auf Hochzeiten erlaubt ist, in Gaststätten dagegen verboten. Dass in Gaststätten wiederum Musik erlaubt ist, auf kleinen Märkten jedoch verboten. Dass Feiern zu Hause erlaubt ist, auch mit Fremden, auf öffentlichen Plätzen aber verboten, selbst wenn die Familie unter sich bleibt. "Die Regeln der Staatsregierung sind unverständlich und chaotisch" sagt Schuberl", "möglicherweise sogar rechtswidrig." Deshalb brauche es ein Gesetz, "das diese Probleme löst", sagt Schuberl.

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Doch so wenig lustig der Staatskanzleichef Schuberls Auftritt findet, so ungnädig fällt dann auch sein Urteil über den Entwurf des Corona-Maßnahmengesetzes aus, das die Grünen-Fraktion dem Plenum am Donnerstag vorstellt. "Durchgefallen", sagt Florian Herrmann.

Was am Donnerstag im Landtag stattfindet, ist die Fortsetzung einer Debatte, die Staatsregierung und Opposition seit Monaten führen. Es geht in dieser Debatte nicht nur um die Frage, wer wo mit wem feiern darf, wo das Tanzen erlaubt ist und wo nicht. Es geht um eine grundsätzliche Frage: Darf die Staatsregierung in der Krise am Parlament vorbeiregieren? "Es geht um die Aufrechterhaltung unserer Demokratie", sagt Schuberl.

In der Pandemie erlaubt das Bundesinfektionsschutzgesetz der Staatsregierung, mit Rechtsverordnungen zu regieren, ohne den Landtag zu beteiligen. Anfangs sei das nachvollziehbar gewesen, sagt Schuberl, aber nun gehe es darum, "die zentralen Regeln des Infektionsschutzes auf gesetzliche Füße zu stellen" statt die Regeln weiterhin in Verordnungen festzuschreiben, "das ist konzeptloser Regelwirrwarr".

Toni Schuberl von den Grünen erntete Lacher von seiner Fraktion. Und Kritik vom Staatskanzleichef. (Foto: Privat)

Die Staatsregierung könne ruhig "die Details regeln", aber die Grundregeln "legen wir fest". Mit "wir" meint Schuberl das Parlament. Und mit Grundregeln meint er die Vorschläge, die im Gesetzentwurf der Grünen stehen. Etwa, dass überall eine Maskenpflicht gelten soll, wo kein Mindestabstand möglich ist. Dass es strengere Auflagen in besonders betroffenen Regionen erst bei 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche geben soll, nicht wie bisher schon bei 35.

CSU und Freie Wähler wiederholen am Donnerstag die Argumente, mit denen sie vor der Sommerpause bereits Anträge von SPD und FDP abgelehnt hatten, die dem Landtag wieder mehr Mitsprache sichern wollten. Das Virus "orientiert sich nicht am Sitzungsplan des Landtags", sagt Staatskanzleichef Herrmann. "Wir brauchen jedenfalls keine Verfahren, die lähmen, wir brauchen weiterhin eine hohe Flexibilität", sagt auch Tobias Reiß (CSU) über den Plan der Grünen, den Rahmen für die Corona-Maßnahmen gesetzlich festzulegen. Noch dazu sei das "kein Rahmen, das ist ein löchriger Eimer" und obendrein "verfassungswidrig", sagt Reiß. So sieht das auch Herrmann, der argumentiert, dass man die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht einfach auf den Landtag übertragen könne. Die Grünen sehen das anders. Sie argumentieren, dass Grundrechte nur kurzfristig durch Verordnungen beschränkt werden dürften. Die Pandemie sei nun aber ein langfristiges Phänomen und langfristige Einschränkungen dürfe nur das Parlament beschließen.

Nachdem klar ist, dass sich die Grünen mit ihrem Gesetz nicht durchsetzen können, präsentieren die Freien Wähler am Nachmittag einen eigenen Antrag zur Parlamentsbeteiligung in der Corona-Krise. Darin geht es um den Ethikrat, der die Staatsregierung künftig beraten soll. Das Gremium mit Vertreterinnen und Vertretern aus Medizin, Philosophie, Wissenschaft und Kirche soll "eng mit dem Landtag zusammenarbeiten" und das Parlament "über seine Empfehlungen informieren", schlägt die FW-Fraktion in ihrem Antrag vor. Der Landtag stimmt dem Antrag zwar zu - allerdings nur mit den Stimmen von CSU und FW. Die Opposition lehnt geschlossen ab.

Man gebe sich nicht mit "einem kleinen Brocken an Information" zufrieden, sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Es brauche endlich wieder "ein starkes Parlament und keine Placebo-Beteiligung", sagt Horst Arnold (SPD). Auch Martin Hagen (FDP) fordert eine "Reparlamentarisierung". Die Politik müsse "vom Notstandsmodus zurückkommen zur demokratischen, zur parlamentarischen Normalität".

© SZ vom 09.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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