Corona:Sind Bayerns Inzidenzzahlen falsch? Das LGL hat seine eigene Zählweise

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Die Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat ist am Sonntag zum neunten Mal in Folge gesunken - laut RKI auf 529,6. (Foto: imago images/Rüdiger Wölk)

Das Landesamt für Gesundheit zählt die mit dem Coronavirus infizierten Personen, von denen kein Impfstatus bekannt ist, zu den Ungeimpften. Auch deswegen ergeben sich die hohen Inzidenzen in dieser Gruppe. FDP-Chef Hagen spricht von einem Skandal.

Von Andreas Glas, München

Für Martin Hagen ist die Sache ein "Skandal". Er fühle sich "hinters Licht geführt" von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), twitterte der Chef der FDP-Landtagsfraktion am Samstag. Was macht ihn so zornig? Es geht um eine Corona-Statistik, die wiederum Söder am 18. November twitterte. Demnach lag in Bayern die Sieben-Tage-Inzidenz bei Ungeimpften (1469) mehr als 13 Mal so hoch wie bei Geimpften (110). "Dramatisch", schrieb Söder. Das Problem: Die Zahlen stimmen so nicht. Hagen spricht von "Manipulation", fordert "rückhaltlose Aufklärung" und fragt, "wer davon wusste".

Tatsächlich ist es so, dass das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zwar die Infektionen in Bayern erfasst - aber längst nicht immer den Impfstatus der Infizierten kennt. Dies könnte daran liegen, dass die Gesundheitsämter derzeit so beansprucht sind, dass sie es nicht mehr schaffen, jeden Impfstatus abzufragen. Doch statt dies gesondert zu erfassen, rechnet das LGL alle Personen, deren Impfstatus unbekannt ist, den Ungeimpften zu - was die Inzidenz dieser Gruppe nach oben treibt. Über diese Zählweise hatte die Welt am Wochenende berichtet und Martin Hagen zum Wut-Tweet veranlasst.

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Bekannt ist die Zählweise schon länger, das LGL informiert auf seiner Homepage selbst darüber: "Als ungeimpfte Covid-19 Fälle werden Personen gezählt, die zum Zeitpunkt der Infektion keine Impfung erhalten hatten oder bei denen keine Angabe dazu vorliegt." Trotzdem stellt sich die Frage: Warum weist der Freistaat die unbekannten Fälle nicht einfach als unbekannt aus? Andere Bundesländer tun das, zum Beispiel Schleswig-Holstein, das von der Pandemie wesentlich weniger stark betroffen ist. Entsprechend stark unterscheidet sich die Statistik der beiden Länder. Zum Zeitpunkt des umstrittenen Söder-Tweets lag in Schleswig-Holstein die Inzidenz der Ungeimpften bei 113, die der Geimpften bei 48 - also etwa zweieinhalb Mal höher.

"Auch die unverfälschten Zahlen zeigen, dass die Impfung das Infektionsrisiko erheblich reduziert", findet FDP-Fraktionschef Hagen. Die bayerische Zählweise untergrabe das Vertrauen der Bürger. "Nur durch Ehrlichkeit und Transparenz können wir Querdenkern und anderen Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segel nehmen." Hat Söder die LGL-Zählweise als Grundlage für all seine Berechnungen genommen, könnte auch diese Zahl falsch sein: 0,5 Prozent. So niedrig bezifferte er kürzlich die Quote der Impfdurchbrüche.

Das LGL unternimmt am Sonntag einen Versuch der Rechtfertigung. "Wir haben uns entschieden, die Fälle ohne Angaben zum Impfstatus zunächst zu den Ungeimpften zu zählen. Denn es hat sich herausgestellt, dass diese - nach später vorliegenden Daten - in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle ungeimpft waren. Ein bloßes Weglassen der fehlenden Werte hätte zu völlig falschen Inzidenzverhältnissen geführt", teilte LGL-Chef Walter Jonas mit. Auch eine andere Zählweise würde nichts daran "ändern, dass die Inzidenz bei den Ungeimpften um ein Vielfaches höher ist als bei den Geimpften". FDP-Mann Hagen findet dagegen, dass "Geimpften eine trügerische Sicherheit suggeriert und sie möglicherweise zu riskantem Verhalten verleitet." Er fordert: "Die Verantwortlichen müssen Konsequenzen ziehen."

Und Markus Söder? Schiebt jede Verantwortung von sich. Auf Nachfrage teilt ein Sprecher der Staatskanzlei am Sonntag mit: "Wie diese Zahlen zustande kommen, liegt allein in der Zuständigkeit des LGL" und des Gesundheitsministeriums.

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