Neue Zahlen des statistischen Landesamtes heizen die Debatte um den Flächenverbrauch weiter an. Anders als viele erwartet hatten, nimmt der Flächenverbrauch im Freistaat nicht zu, sondern ab. Wurden 2017 noch 11,7 Hektar am Tag verbraucht, sind es 2018 nur noch zehn Hektar. Das entspricht in etwa einer Fläche von 14 Fußballfeldern, wie das Landesamt für Statistik am Mittwoch mitteilte. Während Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Politik der Staatsregierung durch den leichten Rückgang bestätigt sieht, warnen die Grünen davor, sich auf den Zahlen "auszuruhen" und kündigen ein weiteres Volksbegehren an.
Der Flächenverbrauch befinde sich nach wie vor auf einem "sehr hohen Niveau", sagte Christian Zwanziger, Sprecher für Landesentwicklung der Grünen im Landtag. In einer Woche würden damit zwei landwirtschaftliche Betriebe verschwinden, da einer etwa 35 Hektar umfasse. "Von den fünf Hektar, die sich auch die Staatsregierung in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, sind wir weit weg." Die Koalition aus CSU und Freien Wählern hat sich zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch bis 2030 auf fünf Hektar pro Tag zu reduzieren. Anders als die Grünen setzen sie aber auf freiwillige Maßnahmen. "Die reine Freiwilligkeit ist gescheitert", sagte Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag und ehemaliger Sprecher des Bündnisses, das 2016 ein Volksbegehren gegen den Flächenverbrauch gestartet hatte. Damals lag der Verbrauch bei 9,8 Hektar pro Tag, trotzdem erfuhr das Bündnis hohe Zustimmung. Etwa 50 000 Menschen unterstützten die Forderung nach einer verbindlichen Obergrenze von fünf Hektar pro Tag mit ihrer Unterschrift. Doch das Volksbegehren scheiterte vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof.
Flächenfraß:Unterwegs in Betonbayern
13 Hektar freie Landschaft gehen jeden Tag in Bayern verloren. Der Fotograf Robert Schlaug hat dokumentiert, was die Bauwut schon angerichtet hat.
Die Verbindung zwischen den einstigen Bündnispartnern, darunter Naturschutzverbände und die ÖDP, sind noch intakt. Am Mittwoch veröffentlichten sie eine Mitteilung, in der sie die neuen Zahlen "bedrückend" nennen. Die Staatsregierung solle ihr gemeinsames Auftreten als "Signal" werten. "Wenn sich die Regierung nicht bewegt, muss die Betonflut über die Volksgesetzgebung eingedämmt werden", sagte Hartmann und kündigt damit ein erneutes Volksbegehren an, falls der Gesetzentwurf der Grünen zum Flächenverbrauch keine Mehrheit findet. In diesem wollen die Grünen das Fünf-Hektar-Ziel nicht mehr mit einem Stichtag durchsetzen, sondern dadurch, dass von 2021 an jedes Jahr ein Hektar weniger verbraucht wird, bis das Ziel erreicht ist. Dass FW und CSU dem zustimmen, ist mehr als unwahrscheinlich.
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kündigte sogar ein "Gegenbündnis" an, falls es zu einem erneuten Volksbegehren kommt. "Da würde ich diesmal dagegen halten", sagte Aiwanger und spielt damit auf das Volksbegehren "Rettet die Bienen" an, das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte des Freistaats, dem CSU und Freie Wähler am Ende im Landtag zugestimmt haben. "Bei ,Rettet die Bienen' ist es ihnen gelungen, uns zu überrumpeln. Diesmal wird es ihnen nicht gelingen", sagte Aiwanger. Eine Anfrage aus der Staatskanzlei wurde bis zum frühen Abend unbeantwortet gelassen.
Umweltminister Thorsten Glauber (ebenfalls Freie Wähler) aber verteidigte den Weg der Staatsregierung, die "auf eine enge Partnerschaft mit den Kommunen statt auf starre Flächengrenzen vor Ort und Verbote" setze. Zwar sei man noch nicht am Ziel, die aktuelle Entwicklung aber zeige in die richtige Richtung. Während die Experten im Landesamt für Statistik den leichten Rückgang mit gewöhnlichen Schwankungen erklären, führt Aiwanger ihn auf eine höhere Sensibilisierung für das Thema zurück: "Die Botschaft ist angekommen da draußen." Ähnlich sieht das der Städtetag. Man könne nur spekulieren, sagte ein Sprecher, wertete den leichten Rückgang aber auch als "positives Signal, dass es sich lohnt, auf dem bisherigen Weg weiterzugehen". Sowohl Städte-, als auch Gemeindetag lehnen eine verbindliche Obergrenze ab und setzen auf Freiwilligkeit.
Kommunen sollen künftig genauer erklären, warum ein Gewerbegebiet nötig ist
Am Donnerstag will Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bei einer Offensive zum Flächensparen weitere Vorschläge präsentieren. So sollen in Zukunft Kommunen etwas genauer erklären müssen, warum ein Gewerbegebiet wirklich nötig sei. Zudem sollen dem Gemeinderat auch die Folgekosten präsentiert werden, die bei der Errichtung eines Gewerbegebiets entstehen. Inwiefern diese Vorgaben verbindlich sein sollen, das müsse man sehen, sagte Aiwanger. Auch Landtagsabgeordnete der Grünen sind zu der Veranstaltung eingeladen. "Jede Debatte zu dem Thema ist mir willkommen", sagte Aiwanger.
Zumindest in diesem Punkt sind die Grünen und der Wirtschaftsminister einer Meinung. Sie wollen im Landtag eine Expertenanhörung zum Flächenverbrauch im Wirtschaftsausschuss beantragen. Zusammen mit Albert Duin von der FDP, der ihren Antrag unterstützt, könnten sie diese durchsetzen.
Obwohl der Flächenverbrauch im Durchschnitt abnimmt, steigt der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflächen an der Gesamtfläche Bayerns. 2018 gibt es 0,4 Prozent und damit etwa 3600 Hektar mehr davon. Etwa zwölf Prozent der gesamten Landesfläche sind damit von Straßen, Wohnungen, Gewerbe oder Spielplätzen bedeckt. Da in Siedlungs- und Verkehrsflächen auch Grünanlagen beinhaltet sind, kann der Flächenverbrauch nicht mit Versiegelung gleichgesetzt werden. Nach Studien des Umweltbundesamtes seien von den zehn Hektar pro Tag nur zwischen 45 und 55 Prozent versiegelt, verschwinden also wirklich unter Beton.