Volksfeste in Bayern:Totale Melancholie

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Eigentlich braucht der Bayer Volksfeste wie das Straubinger Gäubodenfest - in diesem Jahr fehlt ihm ein elementarer Teil seines Menschseins. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Gäubodenfest, Sandkerwa, Dulten oder Festwiesen - es hätte so schön sein können. Gerade den Bayern fehlt dieses Jahr ein Stück Grundinventar ihres Menschseins.

Kolumne von Johann Osel

Ein Kollege ist viel in Bayern unterwegs und deckt sich dabei gern mit lokalen Bieren ein - sodass es kürzlich eine üppige Verkostung gab. Mit dabei war das Vollbier vom Friedel-Bräu in Zentbechhofen im Kreis Erlangen-Höchstadt, süffig und mit fruchtiger Note. Viel Aufmerksamkeit erregte jedoch die Rückseite der Flasche. Wie es kleine Brauereien oft machen, ist auf das Etikett stolz der Festplan fürs Jahr 2020 gedruckt: Brauereifest, Kirchweih, Karpfenpartie, Bockbieranstich.

Das ist ja die beste Werbung, der Stammkunde muss nichts im Kalender notieren, sondern die Termine setzen sich übers Jahr Schluck für Schluck im Gehirn fest. Jetzt hat Corona dem Bierfestsommer den Garaus gemacht, nun gut, die Karpfen dürften sie in Zentbechhofen trotzdem verspeist haben, das Bockbier wird Abnehmer finden. Dem treuen Friedeltrinker aber wird wohl mit jeder Flasche eine üble Erinnerung frei Haus geliefert: an den Sommer, der nicht sein sollte.

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Überall in Bayern hört man gerade dieses große, melancholische "Wäre". Gäubodenfest und Sandkerwa wären gerade gewesen, dazu quer durch den Freistaat all die Kirchweihen, Dulten und Festwiesen. Über die Not der Schausteller und Wirte wurde viel geschrieben, weniger über das emotionale Leid der Bürger. Der Bayer besucht ja nicht einfach so mal irgendein Volksfest.

"Während man anderwärts zu einer bestimmten Zeit auf ein Volksfest geht, mit dem Vorsatz, sich zu amüsieren, sich dort vielleicht amüsiert und danach in den häuslichen Alltag zurückkehrt, empfindet der Bayer ein Volksfest total", lässt sich der Schriftsteller Herbert Rosendorfer zitieren. Er werfe seine Persönlichkeit "voll und ganz dem Volksfest in den Rachen". Es fehlt den Bayern dieses Jahr also nicht nur ein bisschen Hulapalu und Oans-zwoa-gsufffa - sondern ein Stück Grundinventar ihres Menschseins.

Der Moderator Hannes Ringlstetter, Fan des Gäubodenfests, erörterte neulich weitere Funktionen des Festwesens. Speziell der Niederbayer, sonst reserviert, werde offen und gehe aus sich raus. Plötzlich seien ihm alle willkommen, während es sonst heiße: "Wer is'n er, wos wui'n der?" Fazit: "Wir müssen aufpassen, dass das nicht stirbt." Es bleibt Hoffnung aufs nächste Jahr, Ringlstetter wähnt "das beste Volksfest aller Zeiten". Und spannend wird, wie "total" da noch zu steigern ist.

© SZ vom 26.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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