Wirtschaft in Bayern:Neuer Ärger über die Corona-Soforthilfen

Lesezeit: 3 min

Mit dem Sonderfonds Corona-Pandemie finanzierte die Staatsregierung zum Beispiel Liquiditätshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen im Freistaat, die geschlossen bleiben mussten. (Foto: Tobias Hase/picture alliance/dpa)

Wirtschaftsminister Aiwanger will kleinere Betriebe von der Rückzahlung der Corona-Soforthilfe befreien. Der Frust in der Wirtschaft ist trotzdem weiter groß: Ein Verband ruft nun zum Widerstand gegen das Rückzahlungsverfahren auf.

Von Maximilian Gerl, München

Als Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) vergangene Woche vor die Presse trat, hatte er eine Art Friedensangebot dabei: an all die Unternehmerinnen und Unternehmer in Bayern, denen derzeit die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe droht und die deshalb gefrustet sind. "Unsere Maxime lautet: Niemand soll durch die Rückzahlung zu viel gezahlter Hilfen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten", wird Aiwanger in einer Mitteilung seines Hauses zitiert. Selbständigen mit einem geringen Jahreseinkommen werde daher die Rückzahlung der Soforthilfe erlassen. Man wolle "die Spielräume, die wir juristisch sehen, maximal ausschöpfen". Und: Damit habe man eine "gute Lösung" gefunden.

Tatsächlich? Das sehen nicht alle in der Wirtschaft so, groß ist weiter der Frust über die bayerischen Soforthilfen. Mit denen wollte die Staatsregierung im Frühjahr 2020 pandemiebedingte Einbußen abfedern, rund 2,2 Milliarden Euro wurden an 260 000 Betriebe ausgezahlt. Doch statt Frieden herrscht Streit, seit die Empfänger online nachweisen sollen, dass sie damals das Geld zu Recht erhalten haben. Und der Streit könnte noch größer werden: Inzwischen hat der erste Wirtschaftsverband quasi zum Widerstand gegen das Rückzahlungsverfahren aufgerufen.

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Dabei ist noch nicht einmal klar, wer wie viel zurückzuzahlen hätte und ob überhaupt. Das Rückmeldeverfahren läuft noch bis Ende Juni. Ob die Rückforderung aber rechtlich überhaupt zulässig ist, daran hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) Zweifel angemeldet. Ein Grund aus seiner Sicht, vereinfacht: Sowohl die Kriterien der Soforthilfe als auch nun die Prüfbescheide seien zu unklar formuliert, als dass sich daraus eine Rückzahlungspflicht ergäbe. "Es ist gut, dass es die Hilfen gegeben hat", sagt Sprecher Achim von Michel, viele Betriebe seien damals in finanzieller Not gewesen. Aber: "Ich kann nur prüfen, was eine klare Vorgabe ist." Der Verband empfiehlt daher seinen Mitgliedern, am Rückmeldeverfahren erst gar nicht teilzunehmen und stattdessen per Anwalt Widerspruch einzulegen.

Unklare Vorgaben sind so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt des Soforthilfe-Frusts, nicht erst, seit vergangenen Herbst die ersten Bescheide in den Briefkästen lagen. Schon zum Start des Programms verwiesen Unternehmer und Verbände darauf, dass die Richtlinien für den Erhalt der Soforthilfe zu viel Spielraum für Fragezeichen ließen. Als problematisch erwies sich etwa die Definition des sogenannten Liquiditätsengpasses. Dieser berechnet sich zwar vereinfacht aus Umsatz minus Kosten - doch Personalausgaben ließ der Freistaat zur Überraschung etlicher Unternehmer nicht gelten, im Gegensatz zu anderen Bundesländern. Die Verwirrung über die Bedingungen ging damals so weit, dass die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gar ihre ursprüngliche Empfehlung für die Soforthilfe widerrief: Für viele Soloselbständige sei das Ganze eine "Mogelpackung".

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Als die Hilfszahlungen im Frühjahr 2020 starteten, rühmte sich die Staatsregierung, bundesweit Erster zu sein - trotz aller Warnungen vor unklaren Vorgaben. Die Fehler baden nun die Unternehmer aus, die das Geld zurückzahlen müssen.

Kommentar von Maximilian Gerl

Ein weiteres Problem: Eine Rückzahlung der Hilfen hatte die Staatsregierung stets ausgeschlossen - obwohl dieser Mechanismus bei Hilfsgeldern aller Art durchaus üblich ist, um Betrug und Steuergeldverschwendung vorzubeugen. Darauf aber ließ sich der Bund nicht ein, der den größten Teil der Hilfsmilliarden stemmt. Stichproben erhärteten schließlich den Verdacht, dass wohl eine "erhebliche Zahl" an Empfängern "rückblickend zu hohe Hilfszahlungen erhalten" habe, wie das Wirtschaftsministerium im Dezember auf SZ-Anfrage mitteilte. Inzwischen haben gut 50 000 Soforthilfe-Bezieher gemeinsam rund 362 Millionen Euro zurücküberwiesen; manche bereits vor Eingang der Bescheide, manche danach.

"Pressemeldungen der Staatskanzlei sind mit Vorsicht zu genießen"

Angesichts dieser Vorgeschichte drohen die von Aiwanger angekündigten Ausnahmen nun eher den Frust zu befeuern, als ihn zu beenden. Wer sich in Bayern umhört, stößt zwar auch auf Unternehmer, die aufatmen: plötzlich ein paar Tausend Euro zurückzahlen, jetzt mitten in der Krise, das wäre gerade für kleinere Betriebe schwierig. Doch für viele andere bleibt der Status Quo, sei es, weil die Ausnahmen auf sie nicht zutreffen, sei es, weil der Ärger zu tief sitzt. "Pressemeldungen der Staatskanzlei sind mit Vorsicht zu genießen", kommentiert eine Selbständige die Nachricht. Mehr Misstrauen geht eigentlich kaum.

Nicht auszuschließen ist derzeit auch, dass die Ausnahmen, die eigentlich die Wogen glätten sollen, das genaue Gegenteil bewirken werden. Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass zumindest Geringverdiener entlastet werden sollen, heißt es vom BVWM. Das Problem: Die Neuregelung gehe erstens an den Fakten vorbei und schaffe zweitens neue Unterschiede, wie Antragsteller behandelt würden. Der Verband geht auch deshalb davon aus, dass Gerichte die ganze Angelegenheit letztlich klären werden. In Nordrhein-Westfalen, sagt Michel, sei bezüglich der Soforthilfe bereits zugunsten der Unternehmen entschieden worden.

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