Covid Kids Bavaria:Studie: Kinder sind keine Pandemietreiber

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Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU), Professor Christoph Klein und Johannes Hübner (von links) vom Haunerschen Kinderhospital stellten die Ergebnisse der Studie am Donnerstag im Münchner Presseclub vor. (Foto: Robert Haas)

Monatelang haben Wissenschaftler die Entwicklungen in ganz Bayern untersucht. Die Corona-Zahlen in Krippen, Kitas und Schulen waren nicht höher als im Rest der Bevölkerung. Das Dilemma vieler Eltern löst das dennoch nicht.

Von Viktoria Spinrad, München

Kinder haben das Infektionsgeschehen in der Vergangenheit nicht mehr angeheizt als der Rest der Gesellschaft. Das zeigt die groß angelegte Langzeitstudie "Covid Kids Bavaria", deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden. Demnach waren die Corona-Fallzahlen in Krippen, Kitas und Schulen in der zweiten und dritten Welle der Pandemie in etwa so hoch wie in der Gesamtbevölkerung - nicht aber überproportional, wie anfangs teils kolportiert.

"Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Kinder die Virenschleudern waren, für die manche sie gehalten haben", sagte einer der Studienleiter, Christoph Klein, der Direktor der Kinderheilkunde am Haunerschen Kinderspital der LMU München. "Relativ unspektakulär" nannte er die Ergebnisse, nicht ohne Grund: Fügen sie sich doch in das Bild ein, das ähnliche Studien gezeichnet haben. "Es gibt keine Pandemietreiber, wir sind alle verantwortlich", sagte der Berliner Virologe Christian Drosten mal.

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Die Wissenschaftler waren zwischen Oktober 2020 und März 2021 in 99 Kitas und 100 Grundschulen und nahmen mehr als 7000 Abstriche und später noch Antikörper. Es wurde die bislang umfassendste Kooperation der bayerischen Uni-Kinderkliniken - und die bundesweit erste flächendeckende Studie dieser Art. Entsprechend lang dauerte die Auswertung: Die Ergebnisse sind fast ein Jahr später erschienen als angepeilt. Dafür sind sie fundiert, wenn auch nicht perfekt.

Klein deutete an, dass die freiwilligen Teilnehmer nicht ganz repräsentativ seien. "Unter denen, die nicht mitgemacht haben, fanden sich mehr Menschen, die sagten: Alles nicht so schlimm, wir halten uns nicht ganz so an die Maßnahmen", sagte er. Das seien aber keine groben Verzerrungen.

Die Ergebnisse ließen sich nicht eins zu eins auf die aktuelle Omikron-Welle übertragen, so Klein. Doch erste Daten aus England, den USA und Südafrika zeigten, dass Kinder auch bei der hochansteckenden, aber weniger lungeninvasiven Mutante nicht mehr betroffen seien als Erwachsene.

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Das Spannungsfeld zwischen der emotional diskutierten Frage, ob man Infektionen bei Kindern möglichst verhindern solle oder besser milde Verläufe hinnehmen angesichts der psychischen Kollateralschäden, löst das freilich nicht auf. Für viele Eltern ist das ein Dilemma. Während sich die psychischen Folgen eines langen Lockdowns bei Kindern als dramatisch abzeichnen, ist die Bedeutung von Langzeitfolgen einer Infektion für Kinder noch nicht abschließend geklärt. Die Fallzahlen in den Long-Covid-Ambulanzen sind bislang überschaubar, derweil hat sich die Zahl der behandlungsbedürftigen psychischen Probleme bei Kindern und Jugendlichen nahezu verdoppelt. Auch nicht-infizierte Kinder klagen über Kopfschmerzen, Müdigkeit, Erschöpfung, was die Differenzierung zwischen beidem noch schwieriger macht.

Zurzeit schnellen die Sieben-Tage-Inzidenzen auf Rekordhöhen, vor allem bei jungen Menschen, die aber auch besonders viel getestet werden. Johannes Hübner, der stellvertretende Direktor der Kinderheilkunde am Haunerschen Kinderspital, mahnte am Donnerstag zur Besonnenheit. Er verwies auf die Kinderkliniken in England und den USA, die nicht mit Patienten überbelegt seien, auch wenn die Inzidenzen dort ebenfalls hoch sind. "Mit den entsprechenden Maßnahmen ist Schulunterricht auch in Zeiten der Pandemie möglich und sicher", sagte er - und betonte: "Schließungen verursachen Kollateralschäden."

Auch über diese soll "Covid Kids Bavaria" noch Aufschluss geben. Die Datensätze hierbei sind sogar umfangreicher als die der bisherigen Untersuchungen. Mehr als 10 000 Fragebögen werden derzeit an der LMU von einer Spezialistin ausgewertet. Es dürfte also noch ein wenig dauern, bis die Ergebnisse veröffentlicht werden. Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) sah sich am Donnerstag indes vom bisherigen Öffnungskurs bestätigt: "Kinder leben von sozialen Kontakten und benötigen Strukturen und Stabilität", sagte er.

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