Computerspiele aus Bayern:Ein ständiges Gamen und Nehmen

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Qualitativ hochwertig, kulturell oder pädagogisch bedeutsam: Spiele wie "Townsmen VR" müssen diese Kriterien erfüllen, um gefördert zu werden. (Foto: Handy Games)
  • Im Jahr 2019 gab der Film-Fernseh-Fonds Bayern bisher knapp 2,4 Millionen Euro für die Games-Förderung aus.
  • Das ist das Zehnfache als noch vor zehn Jahren, aber nur rund ein Zehntel, was es 2018 für Film- und Fernsehproduktionen gab.
  • Dabei hat die Games-Branche die Film- und Musikbranche längst überrundet, mehr als 100 Milliarden Euro werden weltweit jährlich umgesetzt.

Von Jürgen Moises

Vom Bauernhof zum Biergarten, vom Weizen bis zum Edelweiß werden so gut wie alle Klischees durchgespielt, die man in Bezug auf Bayern erwartet. Lederhosen und Dirndl gibt es ebenfalls in "Pretzel Land". Es wird getanzt, gejodelt und getrunken. Der Bezug zu Deutschland, zur Alltagskultur, er ist beim Handy-Game des Münchner Entwicklerstudios Games In Flames damit gegeben. Auch Setting und Charaktere sind deutsch (beziehungsweise bayerisch). Nun müsste man noch schauen, was an der bonbonfarbenen Wirtschaftssimulation innovativ ist (die Erzählstruktur, das Design oder die Musik vielleicht) - und der Kulturtest für die Games-Förderung durch den Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF Bayern) wäre bestanden.

Eingeführt wurde der "Kulturtest" 2018, seit die Förderrichtlinie des FFF Bayern eine EU-Notifizierung hat. Diese war nötig, um die maximale Fördersumme für Video- und Computerspielproduktionen von 300 000 auf 500 000 Euro zu erhöhen. Die EU hat dafür den Nachweis der "kulturellen Wertigkeit" gefordert, der nun in Form eines downloadbaren Fragenkatalogs vorliegt. Die Jahre zuvor sollten die beim FFF Bayern eingereichten Konzepte, Prototypen oder Produktionsvorhaben zwar auch schon "qualitativ hochwertig, kulturell oder pädagogisch bedeutsam" sein. Aber die Vorgaben waren weniger festgezurrt, und die Entwickler mussten die entsprechende "Wertigkeit" in eigenen Worten erklären.

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Das war auch bei "Pretzel Land" noch so, das bereits 2010 vom FFF Bayern 20 000 Euro Förderung für die Konzeptentwicklung bekam. Das Spiel, das zeitweise auch mal "German Town" oder "Bavaria Ville" hieß und 2018 herauskam, gehörte damit zum zweiten Games-Förderungs-Jahrgang. 2009 hat der FFF Bayern zum ersten Mal Gelder an Spieleentwickler vergeben. Insgesamt 240 000 Euro wurden damals auf fünf Spiele oder Spielideen verteilt. Darunter war etwa "Word Wizards" von Chimera Entertainment, das heute eines der größten Münchner Studios für Mobile- und Online-Games ist. Oder "Oktoberfest für Anfänger" von Remote Control Productions, das sich von einer kleinen Firma zu einem "Produktionshaus" entwickelt hat, das mehrere Studios vereint.

Sowohl für Chimera als auch Remote Control Productions war die damalige Förderung sehr wichtig, wie deren Geschäftsführer Christian Kluckner und Hendrik Lesser in der aktuellen Ausgabe des Branchenblattes Gamesmarkt+ erzählen. Weil sie ihnen finanzielle Sicherheit bei der Entwicklung gab. Das dürfte ähnlich auch für andere Studios hinter den 74 Konzepten, 56 Prototypen und 29 Produktionen gelten, die der FFF Bayern seit 2009 mit 9,8 Millionen Euro unterstützt hat. Die Förderung von Games hat sich damit neben der von Film- und TV-Produktionen beim FFF Bayern fest etabliert. Und diese Tatsache wird an diesem Donnerstag mit einem Empfang im Café Reitschule gefeiert.

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159 geförderte Projekte bedeutet aber nicht, dass aus allen auch fertige Spiele wurden. Tatsächlich wurden bis heute 31 realisiert und veröffentlicht. Wie etwa das 3-D-Aufbau-Strategie-Spiel "Townsmen VR" von Handy Games aus dem unterfränkischen Giebelstadt, für das es 2018 den Deutschen Computerspielpreis für das beste Game-Design gab. Oder "The Last Tinker: City of Colors", ein 3-D-Action-Adventure vom Münchner Studio Mimimi Games, das 2015 ebenfalls den Game-Design-Preis erhielt und sich zudem gut verkaufte. Damit konnte Mimimi 2016 als erstes Studio überhaupt das erhaltene Fördergeld zurückzahlen. Denn die Förderung für Produktion und Prototypen ist kein "Geschenk", sondern wird als bedingt rückzahlbares Darlehen vergeben.

Dass der Freistaat Bayern als Haupt-Gesellschafter des FFF (der Bayerische Rundfunk und das ZDF sitzen unter anderem ebenfalls im Boot) überhaupt Computer- und Videospiele fördert, das war zumindest vor zehn Jahren nicht selbstverständlich. War Bayern ein paar Jahre zuvor doch noch das Bundesland, in dem die sogenannte "Killerspieldebatte" am heftigsten geführt wurde. Tatsächlich ist "Gewaltfreiheit" auch eine Voraussetzung zur Förderung. Spiele ab 18 Jahren werden nicht gefördert. Vorhaben, die "das sittliche oder religiöse Gefühl verletzen" werden laut Richtlinien ebenfalls nicht unterstützt.

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Ob diese Vorgaben und noch einige andere erfüllt werden, darüber entscheidet dreimal im Jahr ein siebenköpfiger Vergabeausschuss. Diesem gehören aktuell neben Dorothee Erpenstein, der Geschäftsführerin des FFF Bayern, etwa der ehemalige Geschäftsführer von Travian Games, Lars Janssen, und Jochen Koubek, Professor für Digitale Medien in Bayreuth, an. Durch dieses alle drei Jahre wechselnde Gremium hat es "Pretzel Land" ganze viermal geschafft. Als einziges Spiel, das in allen vier Phasen (Konzept, Prototyp, Produktion, Release) mit insgesamt 160 000 Euro gefördert wurde. Womit man es fast schon als FFF-Bayern-Spiel bezeichnen kann.

Im Jahr 2019 gab der FFF Bayern bisher knapp 2,4 Millionen Euro für die Games-Förderung aus. Das ist das Zehnfache als noch vor zehn Jahren, aber nur rund ein Zehntel, was es 2018 für Film- und Fernsehproduktionen gab. Dabei hat die Games-Branche die Film- und Musikbranche längst überrundet. Mehr als 100 Milliarden Euro werden weltweit jährlich umgesetzt, allein in Deutschland waren es im ersten Halbjahr 2019 mehr als 2,8 Milliarden Euro. Aber: Der Anteil deutscher Produktionen machte davon kaum mehr als fünf Prozent aus. Müsste man also die Budgets weiter erhöhen?

Die Branche sieht das jedenfalls so und auch die Politik hat Games inzwischen zumindest als "Wirtschaftsfaktor" und "Innovationstreiber" erkannt, was auch ein Blick in andere Bundesländer oder auf Bundes-Ebene beweist. Auch gibt es CSU-Politiker, die diese mittlerweile ein "Kulturgut" nennen.

Und dass Videospiele tatsächlich mehr sein können als nur bloße Unterhaltung, das lässt sich wie gesagt inzwischen auch durch einen offiziellen, von der EU anerkannten "Kulturtest" belegen.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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