Politik in der Kommune:Am Wahlabend geht es auch um Sachfragen

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In Oberaudorf geht es um einen Streit über einen Supermarkt, der nebst Drogeriemarkt auf einer freien Wiese entstehen soll. (Foto: Matthias Köpf)

Am 8. Oktober geht es nicht nur um einen neuen Landtag und die Bezirkstage, in vielen Gemeinden stehen zudem Bürgerentscheide zu kommunalen Themen an. Eine Auswahl.

Von Felix Hamann und Matthias Köpf, Oberaudorf

Wenn am Sonntag fast 9,4 Millionen Wahlberechtigte in Bayern über die künftige Zusammensetzung des Landtags und ihres jeweiligen Bezirkstags entschieden dürfen, können einige von ihnen per Briefwahl oder in der Wahlkabine noch weitere Entscheidungen fällen. Im Landkreis Regen in Niederbayern etwa geht es um die Nachfolge von SPD-Landrätin Rita Röhrl, im Landkreis Lichtenfels in Oberfranken strebt Christian Meißner (CSU) eine dritte Amtszeit als Landrat an und in der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz möchte Thomas Thumann schon zum vierten Mal zum Oberbürgermeister gewählt werden. Auch in 13 kleineren Gemeinden geht es am Sonntag um die Chefposten im Rathaus, darunter in Pähl im Landkreis Weilheim-Schongau, wo erst Anfang Mai ein neuer Bürgermeister gewählt worden war, der sein Amt im Juni aber gar nicht mehr antreten wollte. In insgesamt 18 bayerischen Kommunen geht es am 8. Oktober nicht vorrangig ums politische Personal, sondern um einzelne Sachfragen. Eine Auswahl anstehender Bürgerentscheide.

Supermarkt Oberaudorf

In Oberaudorf im Landkreis Rosenheim geht es in zwei verschiedenen Fragestellungen um eine Art Supermarkt-Rochade. Aus dem bestehenden kleineren Supermarkt soll ein Discounter werden, dafür möchten ein Grundbesitzer und die Gemeinde auf der freien Wiese nebenan einen größeren Supermarkt nebst Drogeriemarkt plus Parkplätzen ansiedeln. Eine zuletzt auch von den musikkabarettistischen Well-Brüdern mit einigen Gstanzln unterstützte Bürgerinitiative beklagt eine weitere Versiegelung des im engen Inntal ohnehin knappen Bodens und fürchtet um die kleinen Geschäfte im Ortszentrum. Ihrem Bürgerbegehren hat die Mehrheit im Gemeinderat ein Ratsbegehren pro Neubau entgegengestellt, von dem sie sich ein größeres Warenangebot sowie mehr Kaufkraft und mehr Gewerbesteuer im Ort verspricht.

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Discounter Tuntenhausen

Im ebenfalls im Kreis Rosenheim gelegenen Tuntenhausen lauten die Argumente für einen neuen Discounter plus erweiterten Supermarkt plus eventuell Drogeriemarkt ganz ähnlich. Zwar hatte der Gemeinderat die nötige Planung im Mai mit knapper Mehrheit abgelehnt. Danach aber gingen die Wogen hoch in der kleinen Gemeinde, worauf sich im Rathaus eine neue Mehrheit für ein Ratsbegehren zugunsten des Discounters fand, um - so die von Kritikern als suggestiv kritisierte Fragestellung - "eine Verbesserung der Nahversorgung insbesondere im Lebensmittelbereich im Gemeindebereich zu erreichen". Entscheiden müssen nun die Bürger.

Energiezentrale in Weilheim

In der oberbayerischen Kreisstadt Weilheim geht es am Sonntag um den richtigen Standort für eine neue Fernwärme-Energiezentrale der Stadtwerke. Die Stadt bevorzugt dafür das Gelände einer ehemaligen Gärtnerei, eine Bürgerinitiative zieht einen anderen Standort näher am Stadtrand vor. Auch hier gibt es zwei getrennte Fragen für das Bürger- und das Ratsbegehren plus eine Stichfrage bei unklarem Meinungsbild.

Freiflächen-Photovoltaikanlagen gibt es im Freistaat bereits mehrere - im Wallgau sollen die Bürger darüber abstimmen, ob auch dort eine gebaut wird. (Foto: Claus Schunk)

Solaranlage in Wallgau

In Wallgau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen kommt es am Sonntag zum allerersten Bürgerentscheid in der urkundlich seit 1260 Jahren belegten Dorfgeschichte. Formelle Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gibt es in Bayern freilich erst seit 1995. Der erste in Wallgau dreht sich um die Frage, ob auf der Fläche eines Kieswerks auch gegen den Mehrheitswillen im Gemeinderat eine Freiflächen-Photovoltaikanlage entstehen soll.

Südumgehung in Herzogenaurach

In Herzogenaurach im Landkreis Erlangen-Höchstadt wird die Bevölkerung kommenden Sonntag über den Bau einer Südumgehung in Niederndorf abstimmen. Und das nicht zum ersten Mal. Schon seit den 2000er-Jahren wird in der Region diskutiert, wie die Ortsteile Niederndorf in Herzogenaurach und Neuses in Erlangen verkehrstechnisch entlastet werden könnten. Hintergrund ist, dass sowohl durch Niederndorf als auch Neuses die Staatsstraße 2263 verläuft, die Erlangen, die Autobahn A 3 und Herzogenaurach verbindet. Die Initiatoren des neuen Bürgerbegehrens fordern eine Fortsetzung aller Maßnahmen zum Bau der Ortsumgehung, die aufgrund eines früheren Referendums eingestellt wurden.

Geplantes Einkaufszentrum in Schweinfurt

In Schweinfurt wird über ein geplantes Einkaufszentrum im Stadtteil Oberndorf abgestimmt, nachdem eine Bürgerinitiative mit ihrem Bürgerbegehren "Natur statt Beton" zuvor mehr als 4200 Unterschriften gegen das Bauvorhaben gesammelt hatte. Mit dem Bürgerentscheid soll die Ansiedelung des Einkaufszentrums am Rand von Oberndorf verhindert werden, dessen Bau laut Initiative unter anderem Flächenfraß verursache und eine Verkleinerung von landwirtschaftlicher Nutzfläche nach sich ziehe.

Die Ausweisung von Gebieten für Windkraftanlagen stößt immer wieder in Gemeinden auf Widerstand. In Wartenberg entscheiden die Bürger über die Weiterführung des Bauleitverfahrens. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Windanlage in Wartenberg

Im Februar dieses Jahres hatte der Gemeinderat der Marktgemeinde Wartenberg bei Erding das "Sondergebiet Windenergie Auerbach" auf den Weg gebracht. Am kommenden Sonntag soll über die Weiterführung des Bauleitverfahrens abgestimmt werden.

Pflegeheim in Egling a. d. Paar

Etwa 100 stationäre Pflegeplätze, 60 Plätze im betreuten Wohnen sowie 50 bis 60 Personalwohnungen inklusive Betriebskindergarten - so zumindest sieht die Planung für Pflegeheim in Egling a. d. Paar im Landkreis Landsberg am Lech aus. Zu groß und zu viel für eine Gemeinde mit rund 2400 Einwohnern, sagen dazu manche. "Die derzeitige Dorfstruktur ist nicht ausgelegt für ein so großes Wirtschaftsunternehmen", heißt es deshalb in einem offenen Brief, wobei mitunter auch das hohe Verkehrsaufkommen sowohl beim Bau als auch später kritisiert wird.

In Kirchseeon wird darüber entschieden, was aus dem ehemaligen Bahnschwellengelände werden soll. (Foto: ECE Work & Live/oh)

Bahnschwellenwerk Kirchseeon

In der Marktgemeinde Kirchseeon im Landkreis Ebersberg sollen die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, wie es auf dem Gelände des ehemaligen Bahnschwellenwerks weitergehen soll. Die Gemeinderäte haben ihnen per Ratsbegehren die Frage vorgelegt, ob auf der mehr als 16 Hektar großen Brachfläche ein völlig neues Wohnviertel für bis zu 3000 Menschen samt Marktplatz, Geschäften, Grundschule, Kindertagesstätten und sogar einem kleinen See entstehen soll oder nicht.

Neuer Bebauungsplan in Altdorf

Beim Ratsbegehren in Altdorf bei Nürnberg geht es um die Frage, ob ein bestehender Bebauungsplan geändert wird. Derzeit sieht er um den Bauhof ein Industriegebiet vor, künftig soll es aber lieber ein Gewerbegebiet sein, damit sich dort Handwerksbetriebe aus dem Stadtgebiet vergrößern und Einzelhändler ansiedeln können. Die Stadt argumentiert, dass sie auf die so gewonnenen Einnahmen dringend angewiesen sei, um mit dem Geld beispielsweise die Kinderbetreuung auszubauen.

Ortsverbindungsstraße in Marloffstein

In Marloffstein im Landkreis Erlangen-Höchstadt plant die Gemeinde, ein rund 10 000 Quadratmeter großes Areal an der Ortsverbindungsstraße von Adlitz nach Atzelsberg zu bebauen. Dafür sei es nötig, das geplante Baugebiet "Adlitz Südwest" an diese Straße anzubinden. Das sieht die Bürgerinitiative "Adlitz bewahren!" anders. Laut ihr sei die Erschließung des Baugebietes über die Ortsverbindungsstraße "völlig ungeeignet". Die Entscheidung darüber liegt nun bei den Bürgern.

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