Politik:Ende des grün-roten Bündnisses in Bamberg

Lesezeit: 3 Min.

In Bambergs Rathaus war in den vergangenen anderthalb Jahren eine Menge Unruhe entstanden. Nun wird mit Spannung erwartet, wie es weitergeht. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Nach der Fake-Account-Affäre will die SPD einfach weitermachen wie bisher. Die Grünen kündigen daraufhin die Kooperation auf - während der Oberbürgermeister den Rücktritt des eigenen Fraktionschefs fordert. Was ist da los in Bamberg?

Von Olaf Przybilla, Bamberg

Am Morgen danach klingt Ulrike Sänger ebenso verwundert wie bestürzt. Es waren keine schlechten Zeiten mit der SPD, sagt die Grünen-Fraktionschefin im Bamberger Stadtrat. Man habe "gute Arbeit" geleistet, gemeinsam Projekte vorangetrieben, jetzt aber sei Schluss damit - keine zwei Jahre nach der Kommunalwahl. Die zwölf Grünen im Stadtrat haben am Dienstag das Ende des grün-roten Rathausbündnisses in Bamberg erklärt.

Überraschend kam das nach der Nachtsitzung der SPD-Fraktion nicht mehr - überraschend war vielmehr das Resultat dieser Sitzung. Nachdem der schwer angeschlagene Fraktionschef Klaus Stieringer Mitte Dezember sein Amt in der sogenannten Fake-Account-Affäre hatte ruhen lassen und sich die öffentliche Meinung seither nicht zu seinen Gunsten gewendet hatte, waren viele davon ausgegangen, Stieringer würde nicht mehr ins Amt zurückkehren. Immerhin hatten sich die Grünen in der Zwischenzeit unmissverständlich positioniert und erklärt, Stieringer habe das "Vertrauensverhältnis" durch sein Fehlverhalten stark beschädigt. Eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit der SPD könne es für die Grünen künftig nur noch geben, wenn die SPD Stieringer nicht "weiter ein Amt im Fraktionsvorstand" übertrage.

Klaus Stieringer ist nicht nur Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat, sondern auch Geschäftsführer des Stadtmarketings - und in der Stadt nicht unumstritten. (Foto: Alexander Pohl/imago)

In Bambergs siebenköpfiger SPD-Fraktion aber wird Stieringer künftig nicht nur ein Amt im Vorstand innehaben. Er will sie sogar wieder anführen. Um dies am Dienstag zu erklären, haben die Sozialdemokraten ein Fraktionsmitglied erkoren, das alleine Rede und Antwort stehen soll. Die Wahl ist auf einen altgedienten Fahrensmann der Partei gefallen, Heinz Kuntke. "Leider", sagt er und lässt offen, wie ernst das gemeint ist. Die Fraktion habe die Bekanntgabe Stieringers, die Fraktion ab sofort wieder anführen zu wollen, "zur Kenntnis genommen". Es habe in der Sitzung "keinen Antrag" auf dessen Abwahl gegeben, insofern sei die Haltung der SPD-Fraktion "einheitlich". Auch wolle man die Kooperation mit den Grünen weiterführen, immerhin gebe es ja nun einen "neuen Stand" in der Causa. Als Kuntke das sagt, haben die Grünen sich längst entschieden: Schluss mit dem Bündnis.

Die Antwort löst eine Welle der Empörung aus

Einen neuen Stand? Der bestehe darin, sagt Kuntke, dass Stieringer nicht nur seine Entschuldigung wiederholt - sondern in der abendlichen Sitzung betont haben soll, er habe mit mehreren ins Gerede gekommenen Fake-Accounts "nichts zu tun". Überdies wolle er einen Rechtsbeistand einschalten, um seine Persönlichkeitsrechte zu sichern - also offenbar gegen Behauptungen vorgehen, er stehe selbst hinter jenen inzwischen gelöschten Profilen, mithilfe derer unter falschem Namen parteiische Meinungsäußerungen ins Netz gestellt worden sind.

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Stieringer war im Dezember im BR-Magazin "Quer" dazu befragt worden, was er von Fake-Accounts in sozialen Netzwerken halte, die in Bamberg offenkundig die öffentliche Meinung manipulieren sollten - nicht selten zu Gunsten der örtlichen SPD und deren Oberbürgermeister, gerade in der sogenannten Boni-Affäre im Rathaus. "Fake-Accounts geben ja den Menschen erst mal die Möglichkeit, sich auch anonym unter dem Schutz der Persönlichkeitsrechte in den sozialen Netzwerken zu bewegen. Das finde ich okay", hatte Stieringer geantwortet - und damit eine Welle der Empörung ausgelöst.

Nicht zuletzt bei den Grünen. "Mit Fake-Accounts Politik zu gestalten und die Meinungsbildung zu beeinflussen, ist genauso wenig akzeptabel wie dieses Vorgehen gutzuheißen oder zu akzeptieren", konstatierten sie. In der SPD sehen das viele nicht anders. So erklärte deren Unterbezirksvorsitzender Andreas Schwarz, es dürfe nicht sein, "dass die SPD mit dem Betrieb von Fake-Accounts in Verbindung gebracht" werde. Das sei "Politikstil der AfD", ein "absolutes No-Go für die Sozialdemokratie".

Mit der Bekanntgabe Stieringers, sein Amt wieder aktiv bekleiden zu wollen, dürfte Bambergs SPD nun umso mehr vor einer Zerreißprobe stehen. Zumal seit Dienstag ein Schreiben Stieringers - das der Süddeutschen Zeitung vorliegt - an SPD-Mitglieder die Runde macht, in dem er eine "einzigartige Medienkampagne" brandmarkt; und seinem Partei-Antipoden Schwarz vorwirft, dieser habe 2020 als SPD-Landratskandidat die AfD angeblich dazu aufgefordert, einen eigenen Kandidaten aufzustellen - um seine "Aussichten auf eine Stichwahl zu verbessern". Schwarz reagiert auf diese Konter-Anwürfe Stieringers fassungslos. Was ihm dieser da vorwerfe, sei "absurd" und 2020 von ihm längst als "völliges Konstrukt" widerlegt worden.

Starke empfiehlt Stieringer den Rücktritt

Stieringer selbst will sich nicht zu seiner Wiederkehr auf der politischen Bühne äußern - bestätigt aber die Authentizität des Schreibens, mit dem er nun den SPD-Bundestagsabgeordneten Schwarz frontal attackiert. Und SPD-Oberbürgermeister Andreas Starke? Der galt lange als eine Art "Männerfreund" des Marketingmanns Stieringer, hat durch diesen nun aber ein politisches Bündnis verloren, mit dem er die Stadt kontinuierlich regieren kann. Starke erklärt sich schriftlich. Er empfehle Stieringer "weiterhin einen Rücktritt", weil seine Äußerung im BR "nicht akzeptabel" sei.

Wie aber soll es nun weitergehen im Rathaus? Starke will alle Fraktionschefs an einen Tisch holen, um eine "Allianz für die Bürgerschaft" ins Leben zu rufen. "Wichtig und möglich" sei nun eine "parteiübergreifende Zusammenarbeit", es sei gerade "nicht die Stunde für Befindlichkeiten und Eitelkeiten", erklärt er. Bamberg soll Starkes Ansicht nach also offenbar künftig mit wechselnden Mehrheiten im Stadtrat regiert werden, eine Ausnahmesituation für eine große Kommune in Bayern. Dies dürfte vorläufig aber auch nur bis zu dem Zeitpunkt gelten, bis sich die Staatsanwaltschaft Hof erklärt, ob sie Anklage erhebt in der Bamberger Boni-Affäre. In der geht es um Untreue-Vorwürfe im Rathaus.

Wie es in der Bamberger SPD weitergehen soll bis dahin? Er habe schon "viel erlebt" in seinem politischen Leben, sagt einer aus der Parteispitze. Aber dass da nun "ohne jeden Wertekompass" aufeinander losgegangen werde unter Genossen, das erschüttere ihn "bis ins Mark" - und mache ihn "sprachlos". In die SPD-Zukunft in Bamberg blicke er "absolut ratlos".

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