Öffentlicher Nahverkehr:Augsburg beschließt 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende

Lesezeit: 3 min

Ein symbolischer Euro für jeden Tag: Ein solches Jahresticket gibt es auch schon in anderen Städten - auf eine bayernweite Einführung wird wird man wohl trotzdem noch lange warten.

Von Florian Fuchs, Maximilian Gerl und Olaf Przybilla, Augsburg

Der Augsburger Verkehrsverbund (AVV) reicht vom nördlichsten Zipfel Dillingens hinunter bis fast vor die Tore Münchens. 2329 Quadratkilometer ist die Verbundfläche groß, mehr als 700 000 Einwohner leben dort. Die Jüngeren unter ihnen werden voraussichtlich von August an deutlich billiger mit Bus, Tram und Bahn unterwegs sein als bislang: Die AVV-Gesellschafter haben ein 365-Euro-Jahresticket für Schüler und Auszubildende beschlossen. Sie erhoffen sich davon einen Zuwachs an Fahrgästen und vor allem eine Bindung künftiger Generationen an den öffentlichen Nahverkehr.

Ein Jahresticket für 365 Euro, einen symbolischen Euro pro Tag: Damit zieht Augsburg nach, was andere bayerische Städte und Verkehrsverbünde teils schon eingeführt haben. Und man kommt gewissermaßen einem Wunsch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach. Er hatte das Thema einst hierzulande aufs große Tableau gehoben. Im Herbst 2020, so der Plan, solle die Umsetzung bayernweit beginnen. Richtung 2030 überlegte Söder gar mal laut, das Ticket auf alle Altersgruppen auszuweiten, so wie es in Wien der Fall ist. Die Hauptstadt Österreichs gilt in puncto 365-Euro-Ticket als Vorbild.

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So weit ist es in Augsburg freilich nicht - auch wenn etwa die örtlichen Grünen bereits verkündet haben, dass das Ziel eine 365-Euro-Jahreskarte für alle bleibe. Trotzdem bedeutet die Einführung des Tickets für Jugendliche einen ersten Schritt für Stadt und Umland mit den Landkreisen Dillingen, Aichach-Friedberg und Augsburg. Der AVV rechnet mit Mindereinnahmen von zwölf Millionen Euro pro Jahr durch das neue Ticket. Zwei Drittel der Kosten werden vom Freistaat aufgefangen. Die Einführung ist zunächst befristet auf zwei Jahre, dann wird evaluiert.

Wie überall fahren zwar Corona-bedingt momentan weniger Leute mit den Öffentlichen. Nach der Pandemie könnten durch das 365-Euro-Ticket aber die Folgekosten steigen: Wer mehr Fahrgäste lockt, muss eine höhere Taktung und mehr Linien anbieten. Die Auswirkungen eines solchen Tickets sind insofern noch unklar.

Bislang ist in Bayern das 365-Euro-Ticket vorwiegend in Ballungsräumen Realität geworden. Als Ausgangspunkt gilt ein ÖPNV-Gipfel im April 2019. Vertreter der kommunalen Spitzenverbände waren damals nach München gekommen, um über die Ausgestaltung der Ticket-Pläne zu sprechen - und um darauf zu verweisen, dass bayernweit einheitliche Pläne womöglich kontraproduktiv seien.

Im ländlichen Raum etwa steht die Frage im Vordergrund, wie sich trotz niedriger Fahrgastzahlen flexible Angebote schaffen lassen. Denn ein günstiges Ticket allein bringt wenig, wenn kein Bus vorbeifährt, der sich damit nutzen ließe. Erschwerend kommt hinzu, dass im Freistaat ein einheitliches Tarifsystem fehlt. Manche Städte und Kreise haben sich einem Verkehrsverbund angeschlossen, andere bestellen und bezahlen den Schülerverkehr aus eigener Tasche.

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Seit jenem Gipfel liegt das Augenmerk auf regionalen Wegen zum 365-Euro-Ticket. Der Freistaat übernimmt dabei grundsätzlich zwei Drittel der Kosten, etwa in Würzburg, wo das 365-Euro-Ticket für Schüler und Azubis seit August 2020 im Angebot ist. Es ist in der Stadt sowie in den umliegenden Landkreisen Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart zu jeder Uhrzeit, an jedem Wochentag und in allen Verkehrsmitteln gültig. Auch der Regensburger Verkehrsverbund führte das Ticket im Sommer ein, trotz aller Verluste durch die Corona-Krise. Für den Raum München gibt es ebenfalls eine 365-Euro-Jahreskarte für Schüler und Azubis. Für Studierende gelten vielerorts spezielle Semestertickets.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind 365-Euro-Tickets selten rentabel, schon in normaleren Zeiten nicht, in denen Bus und Bahn voller sind. Für Verkehrsverbünde stellt der Ticketverkauf die größte Einnahmequelle dar, was hier fehlt, muss an anderer Stelle ausgeglichen werden. Entsprechend hart wurde und wird bisweilen um die Lastenverteilung gerungen. So laufen in der Verkehrsgemeinschaft Region Ingolstadt (VGI) derzeit die Verhandlungen über ein 365-Euro-Ticket für junge Menschen, die Einführung ist für Sommer geplant. VGI-Geschäftsführer Robert Frank schätzt die Kosten auf acht bis neun Millionen Euro.

Immerhin: Corona hat keinen großen Effekt auf den Verkauf von Schülerkarten, das macht Kalkulieren etwas einfacher. Und Geld ist für alle Verbünde derzeit noch mehr Thema als sonst. Das bayerische Verkehrsministerium teilt mit, man habe seit Einführung der 365-Euro-Tickets hierfür "insgesamt 21 Millionen Euro an die Kommunen und an die Verkehrsunternehmen in den Verkehrsverbünden geleistet". Hinzu kämen weitere Förderungen; allein im gemeinsamen ÖPNV-Rettungsschirm von Bund und Land habe man 2020 rund 572 Millionen Euro ausgereicht.

In Nürnberg dagegen will man "Geschichte schreiben" - diese Parole gab Oberbürgermeister Marcus König (CSU) im Juni 2020 überraschend aus. Als erste Großstadt Deutschlands plant man ein 365-Euro-Ticket für alle. Eingeführt werden soll es am 1. Januar 2023. Ganz freiwillig war die Ankündigung jedoch nicht. Eine Initiative hatte 20 000 Unterschriften gesammelt, dem OB musste also klar sein, dass ein Bürgerentscheid zum Thema ins Haus hätte stehen können.

Seither ist viel passiert; angesichts der pandemiebedingten Flaute in der Stadtkasse sind beispielsweise die Pläne für ein neues Konzerthaus auf Eis gelegt worden. Der Plan für ein billiges Jahresticket wurde Anfang des Jahres vom Stadtrat aber noch einmal bekräftigt. Er traue grundsätzlich keinem, sagt Titus Schüller, Mitinitiator des Bürgerbegehrens und Stadtrat der Linken. Im Fall des billigen Jahrestickets für alle aber sei er zuversichtlich, dass die Stadt keinen Rückzieher versuchen werde: "Weil, wenn sie es doch machen würde - wir hätten schnell wieder die notwendigen Unterschriften für einen Bürgerentscheid zusammen."

© SZ vom 12.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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