Augsburg und Nürnberg:"Die Tiere leben im Zoo in Saus und Braus"

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Das Buffet ist immer gedeckt, Feinde sind nie in Sicht: Damit den Tieren in ihren Gehegen nicht langweilig wird, tüfteln die Mitarbeiter an immer neuen Beschäftigungen.

Von Florian Fuchs, Augsburg/Nürnberg

Die Magellan-Pinguine im Augsburger Zoo wissen noch nichts von ihrem Glück, aber bald, wenn ihre Anlage fertig umgebaut ist, werden sie fitter und gesünder. Weil sie dann zu ihren Höhlen einen weiteren und auch steileren Weg watscheln müssen. Das klinge ein bisschen gemein, sagt Zookurator Thomas Lipp, ist aber sehr sinnvoll.

In ihrer Heimat, den felsigen Küsten Südamerikas, müssen sich die Pinguine so anstrengen, um zu ihren Höhlen zu gelangen, dass ihr vom Meer nasses Gefieder am Ziel auf jeden Fall trocken ist: So vermeiden sie Lungenkrankheiten. Also stellt der Augsburger Zoo diese natürlichen Begebenheiten so gut wie möglich nach - und baut für alle Fälle noch Abluftkamine in die Bruthöhlen.

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Es ist kein neues Gehege, das die Pinguine da bekommen, es ist auch kein aufwendiger und teurer Umbau. Mit kleinen Veränderungen aber, das zeigt das Beispiel, können Zoos viel bewirken für ihre Tiere. Das geht nicht nur baulich, sondern auch mit anderen Reizen und Herausforderungen, die Pfleger ihren Tieren stellen.

"Behavioral Enrichment" nennt man das in der Sprache der Zoologen, wenn etwa im Tigergehege Zebrakot ausgelegt wird oder die Eisbären Eisbomben als Futter bekommen, also in Eis eingefasste Früchte. Im Tiergarten in Nürnberg läuft derzeit eine Ausstellung zu dem Thema, und immer wieder gibt es Projekte mit Schulklassen, die sich dann Aufgaben für verschiedene Tiere ausdenken - die Note im Fach Biologie fließt ins Abitur ein.

"Man muss sich das vorstellen wie in einem Fünf-Sterne-Ressort", sagt Nicola Ohnemus, die im Tiergarten in Nürnberg die Projekte mit den Schulklassen leitet: "Die Tiere leben im Zoo in Saus und Braus." Das Buffet ist immer gedeckt, Feinde sind nie in Sicht. "Und hat mal ein Tier Bauchweh, kommt sofort der Doktor." Auch Lipp sagt, dass die Tiere optimal ernährt werden und sich kaum anstrengen müssen in ihrem Leben.

Die Ideen werden auch nach Sicherheitsaspekten für die Tiere eingeschätzt

Genau da aber liegt das Problem: Langeweile und zu wenig Abwechslung, heißt es beim Verband der Zoologischen Gärten, können unter Umständen zu Veränderungen im Verhalten von Tieren führen. Ohnemus drückt es so aus: "Die Totenkopfäffchen wissen, dass um 9 Uhr morgens die Scheiben geputzt werden und pünktlich um 12 Uhr das Essen kommt. Die sind extrem getaktet." Enrichment ist in Zoos laut Verband daher zu "einem der "wichtigsten Elemente in einer tier- und verhaltensgerechten Betreuung" geworden.

Und so spielen Eisbären schon mal mit Matten, die aus alten Feuerwehrschläuchen gebastelt wurden und Ziegen bekommen eine Wippe in ihre Gehege gestellt. Extrem bereichernd, sagt Ohnemus, seien die Ideen der Schüler des Christoph-Jacob-Treu-Gymnasiums in Lauf an der Pegnitz, die sie immer wieder betreut. 16 Schüler bekommen dort 18 Tiere zur Auswahl gestellt, die Jugendlichen müssen sich dann je fünf Aufgaben für je ein Tier ausdenken.

Ohnemus legt die Vorschläge den zuständigen Tierpflegern vor, die die Ideen auch nach Sicherheitsaspekten für die Tiere einschätzen. Die besten Ideen werden umgesetzt: Die Schüler laufen in einen Baumarkt und fotografieren Material, das in Frage kommt. Auch hier schauen die Tierpfleger vor dem Kauf noch einmal drüber, es soll ja keine Gefahr für die Tiere bestehen. Die Jugendlichen bauen unter Anleitung. Und dann beobachten sie.

Der Gepard musste sich mächtig anstrengen

Die Schüler machen erst einmal eine sogenannte Nullbeobachtung, sie schauen also den Tieren drei Stunden lang bei ihrem Alltag zu. Schließlich kommt das gebastelte Projekte ins Gehege - und dann ist meistens richtig was geboten. "Das finden die Tiere natürlich interessant, wenn sich etwas verändert", sagt Ohnemus. An den Matten aus alten Feuerwehrschläuchen hatten die Eisbären wochenlang Spaß. Oft geht es aber auch um die Futtersuche.

Da reicht es manchmal schon, wie im Zoo in Augsburg, wenn die Tierpfleger ein totes Kaninchen mit Fell ins Löwengehege legen. "Damit ist das Tier deutlich länger beschäftigt als mit einem Stück Rindfleisch", sagt Kurator Lipp. Sie müssen sich erst mal des Fells entledigen. Der Bär steht auf Zimt, das Kugelgürteltier freut sich über Insekten im Totholz. Und die Tiger werden eben neugierig, wenn plötzlich etwas Kot von Huftieren in ihrer Anlage liegt.

In Nürnberg haben sie Fleisch in einem Sack in drei Meter Höhe aufgehängt, der Gepard musste sich mächtig anstrengen, um dort hinzukommen. Und die stark gefährdeten Hyazinth-Aras, die weltweit größte Papageienart, müssen schon mal Schaschlikspieße aus Löchern in einem Plexiglasröhrchen ziehen, damit das Futter nach unten durchfällt und sie schließlich rankommen. Die Mehrzahl der Besucher, sagt Nicola Ohnemus, sei begeistert, weil sie die Tiere so in Aktion erleben können. Auch normale Zoobesucher können sich für Projekte anmelden und Spielzeuge für Tiere basteln - was dann wiederum den Tieren Spaß bereitet.

In Augsburg baut der Zoo gerade eine neue Anlage für die Elefanten, dort haben sie sich auch etwas einfallen lassen: Die Automaten im Gehege schleudern das Futter mal nach links, mal nach rechts. So kommen die Tiere in Bewegung. Und die Pfleger haben die Kontrolle über hängende Heunetze, die sie mal hier und mal dort herunterfahren, damit die Elefanten rankommen. So wird die Nahrungssuche simuliert, die in freier Wildbahn oft sehr anstrengend und kräftezehrend ist. "Im Gegensatz zum Zoo verbringen Tiere damit in der freien Natur oft Stunden", sagt Lipp. So werden die Elefanten in Augsburg in Zukunft weniger Speck ansetzen, wenn sie von Netz zu Netz laufen müssen - und vom Futterautomat getriezt werden.

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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