Personalmangel:Junger Afghanin droht Abschiebung - kurz vor Ausbildungsbeginn

Lesezeit: 3 Min.

Der Gasthof Adler in Ziemetshausen - hier wird die junge Frau nun ihre Ausbildung absolvieren. Ihr Chef braucht sie dringend. (Foto: privat)

Die Verträge für ihre Lehre in einem schwäbischen Gasthof sind schon fertig, trotzdem wird sie zur Ausreise gezwungen - bis ein Gericht in letzter Minute eingreift.

Von Nina von Hardenberg, Augsburg

Jan Hiller versteht die Welt nicht mehr. Seit Monaten sucht der Besitzer des Gasthofs Adler in Ziemetshausen bei Augsburg nach Mitarbeitern. Zu zweit stehen sie derzeit in der Küche, wo sie eigentlich sechs sein müssten. Manchmal spült er selbst bis in die Nacht das Geschirr ab. Im Oktober aber gab es einen Lichtblick: "Da kam diese freundliche, nette, gepflegte Afghanin in unser Restaurant und fragte, ob sie bei uns eine Ausbildung beginnen kann."

Hiller musste nicht lange überredet werden. Die 21-jährige Madina A. sprach fließend Englisch und schon recht gutes Deutsch. Sie hatte in Kabul eine Ausbildung zur Fluglotsin gemacht. Nach einem Tag Kennenlernen bot Hiller ihr einen Ausbildungsvertrag an. Im Dezember reichten sie diesen bei der Ausländerbehörde ein. Anfangen aber durfte die junge Frau im Gasthof nicht.

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Stattdessen holte die Polizei sie am Montag in aller Früh ab, um sie zum Münchner Flughafen zu bringen, von wo aus sie nach Ungarn abgeschoben werden sollte. Dabei besteht im Grunde kein Zweifel, dass die Familie Schutz braucht. Der Vater hat in Afghanistan für die Nato gearbeitet. Nach der Machtübernahme durch die Taliban wurde es für die Familie dort lebensgefährlich. Da sie aber über Ungarn eingereist sind, ist Ungarn für ihren Asylprozess zuständig. Dorthin sollen sie zurück. Da Madina A. schon volljährig ist, lief für sie ein eigenes Asylverfahren. Am Montag sollte sie alleine auf die Reise gehen.

Zurück blieb ein Gastronom, der nicht weiß, wer seine Gäste bewirten soll. Und eine Bundesregierung, die mit viel Aufwand versucht, Fachkräfte aus dem Ausland anzulocken. "Das ist so verrückt", sagt Hiller.

Noch verrückter wurde es dann am Nachmittag: Denn da durfte die junge Frau plötzlich wieder umdrehen. Ein Gericht hatte die Abschiebung auf Antrag ihres Anwalts hin gestoppt: Aufgrund von systemischen Mängeln im ungarischen Asylsystem dürfe dorthin derzeit nicht abgeschoben werden. Die Beamten, die die junge Frau begleiteten, brachten sie in einem Polizeiwagen zurück zum Münchner Hauptbahnhof.

Unternehmer kritisieren solche Abschiebungen als unmenschlich und unverständlich

Ende gut, alles gut? Weit gefehlt, findet Monika Sanou von der Unternehmerinitiative Bayern. Es sei unmenschlich und unverständlich, solche Abschiebungen überhaupt durchzuführen. Hier werde ohne Not eine junge Frau von ihrer Familie getrennt und noch dazu ein Gastrobetrieb von einer vielversprechenden Mitarbeiterin. In Restaurants und Hotels herrsche unglaublicher Arbeitskräftemangel. Die Unternehmerinitiative setzt sich bereits seit 2019 dafür ein, dass Flüchtlinge, die eine Anstellung oder Ausbildung gefunden haben, auch bleiben dürfen.

Tatsächlich gibt es für Flüchtlinge durchaus Möglichkeiten vom Asyl auf die Spur der Arbeitsmigration zu wechseln. Gelingt es Flüchtlingen etwa eine Ausbildung zu beginnen, während ihr Asylverfahren noch läuft, so dürfen sie diese in der Regel fertig machen. Danach haben sie dann auch gute Chancen, im Land bleiben zu dürfen.

Mit dem Chancenaufenthaltsgesetz hat die Bundesregierung zudem eine Art Altfallregelung für die Flüchtlinge aus der großen Fluchtbewegung von 2015/16 geschaffen. Wer damals kam, und nun immer noch als abgelehnter Flüchtling in Deutschland lebt, erhält ein Jahr Zeit, Passfragen zu klären und sich einen Job zu suchen - und kann sich damit ein Bleiberecht erkämpfen.

Die Abschiebung lief bereits, als das Ausbildungsangebot kam

Der jungen Afghanin aber halfen beide Regeln nicht. Sie war zu kurz im Land für die Altfallregelung und sie hatte zwar seit Dezember ein Ausbildungsangebot. Da sie aber ja für ihr Asylverfahren nach Ungarn zurückgeschickt werden sollte, lehnte es die zentrale Ausländerbehörde ab, die junge Frau für die Dauer der Ausbildung in Deutschland zu dulden.

Sie habe es satt, Artikel über Fachkräftemangel zu lesen, sagt Josefine Steiger, wenn Deutschland gleichzeitig arbeitswillige Ausländer im Land derart schlecht behandle. Die inzwischen pensionierte Leiterin des Bereichs Bildung bei der IHK Schwaben setzt sich seit Jahren dafür ein, Geflüchtete in Deutschland in Ausbildung zu bringen. Um Abschiebungen ihrer Schützlinge zu verhindern, reiste sie sogar schon mit einigen zurück in deren Heimat, um von dort eine legale Arbeitserlaubnis zu beantragen.

Steiger war es auch, die sich bis zuletzt für die Afghanin einsetzte. "Ich bin überglücklich, dass sie zurück in München ist", sagt Steiger. Die junge Frau sei ungewöhnlich fit, habe sich in nur 14 Monaten Deutsch auf B2-Niveau beigebracht und eigenständig für sich einen Ausbildungsplatz gefunden. Deutschland könne es sich schlicht nicht erlauben, solche Leute rauszuschmeißen, glaubt die ehemalige IHK-Frau Steiger. Sie wird nun dafür kämpfen, dass Madina A. auch ihre Ausbildung beginnen kann.

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