Flüchtlingsunterkünfte:Letzter Halt Landratsamt

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Reisebusse gelten in der aktuellen Debatte allzu oft als Maß für staatliche Zuweisungen weiterer Geflüchteter an die einzelnen Landkreise. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Die Regierungen schicken den Landräten in Bayern regelmäßig Busse mit Geflüchteten, die sie dann irgendwo unterbringen müssen. Selbst haben sie allerdings keine solchen Durchgriffsrechte auf die einzelnen Gemeinden.

Von Matthias Köpf und Johann Osel, München/Rott

Wenn es darum geht, ihre wachsenden Schwierigkeiten beim Unterbringen weiterer Geflüchteter zu beschreiben, sprechen Bayerns Landräte oft von Reisebussen. Alle zwei Wochen schicke ihm die Regierung einfach einen Bus voller Schutzsuchender, für die er dann irgendwo Unterkünfte finden müsse. Das hat etwa der Rosenheimer Landrat Otto Lederer (CSU) zuletzt immer wieder in Gemeinden vorgetragen, in denen er neue Flüchtlingsunterkünfte einrichten will. Auf offene Arme stößt er dabei selten, manchmal eher auf offenen Widerstand. Deswegen hätte Lederer erklärtermaßen gern eine gesetzlich geregelte Handhabe, um Geflüchtete leichter auf die Kommunen verteilen zu können. Doch in Bayern blieben die Landräte vorerst auf die Solidarität der Gemeinden untereinander angewiesen. Das hat eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts München nun bestätigt.

Mit dem Beschluss hat das Gericht dem Landratsamt in Bad Tölz vorläufig verboten, der kleinen Gemeinde Greiling Flüchtlinge einfach zuzuweisen, damit sie diese auf ihrem Gemeindegebiet selbständig irgendwo unterbringt. Diesen Schritt hatte der Tölzer Landrat Josef Niedermaier (FW) im Sommer angekündigt, weil Greiling und einige andere Dörfer auch im Verhältnis zu ihrer geringen Einwohnerzahl viel weniger Geflüchtete aufgenommen hatten als andere Kommunen. Greiling hat gegen das Landratsamt und damit formell gegen den Freistaat geklagt und nun vorläufig recht bekommen. Dass das Gericht in einem späteren Hauptverfahren anders entscheidet, ist angesichts seiner Begründung für den Eilentschluss unwahrscheinlich.

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Ein schlichtes Zuweisen von Asylbewerbern an die Gemeinde, die dann selbst für Unterkünfte sorgen müsste, würde nach Ansicht der Richter gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht verstoßen. Dieses besage nicht nur, dass eine Kommune ihre Angelegenheiten selbst regeln dürfe, sondern schütze sie auch davor, übergeordnete Aufgaben übertragen zu bekommen, solange es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Und anders als etwa in Nordrhein-Westfalen existiert in Bayern in diesem Fall kein solches Gesetz. Das Unterbringen von Asylbewerbern bleibt allein staatliche Aufgabe, und der Arm des Staates reicht da nur bis in die Landratsämter als unterste staatliche Behörden.

Wenn es nach dem bayerischen Gemeindetag geht, soll das auch so bleiben. Die Interessenvertretung der kleineren Kommunen sieht sich durch den Gerichtsbeschluss bestätigt. Zwangszuweisungen, wie sie der Tölzer Landrat angekündigt hatte, dürfe es nicht geben. Die Gemeinden kennen die Nöte der Landräte demnach sehr genau, setzen aber weiterhin auf die Solidarität untereinander. Dieses System hat sich auch in den Augen von Thomas Karmasin bewährt. Er ist Präsident des bayerischen Landkreistags. "Die Debatte über Zwangsmöglichkeiten der Landratsämter ist nur die traurige Konsequenz der irrlichternden Migrationspolitik des Bundes und verfehlt den eigentlichen Kern des Problems", sagt der CSU-Politiker. An der "massiven Überlastung der Kommunen" ändere auch eine Zwangsmöglichkeit der Landratsämter nichts.

"Eine Totalverweigerung können wir nicht tolerieren"

Das bayerische Innenministerium betont, das Unterbringen von Geflüchteten sei und bliebe eine staatliche Aufgabe. Die Gemeinden hingegen seien anders als in anderen Bundesländern nicht dazu verpflichtet. Eine grundlegende Änderung dieser Zuständigkeiten stehe nicht zur Debatte und auch "eine Verschärfung der gesetzlichen Mitwirkungspflicht" sei aktuell nicht geboten, teilt das Ministerium mit. Denn "mitwirken" müssen die Gemeinden auch laut bayerischer Gesetzeslage. "Das bedeutet, dass eine kreisangehörige Gemeinde gerade nicht nach dem St.-Florians-Prinzip vorgehen kann, eine Totalverweigerung können wir nicht tolerieren." Die allermeisten Gemeinden träten aber ohnehin sehr kooperativ auf. "Auch wenn das staatliche Landratsamt unterbringt, bringt es die Menschen faktisch immer in einer Gemeinde unter."

Das jedoch geschieht beileibe nicht immer im Konsens. So hat der Rosenheimer Landrat Lederer im Herbst der 4200-Einwohner-Gemeinde Rott am Inn mitgeteilt, dass er im örtlichen Gewerbegebiet ein Objekt gemietet habe und dort eine Erstaufnahme für bis zu 500 Asylbewerber einrichten wolle, um andernorts zwei Turnhallen freizubekommen. Seither ist die Stimmung in Rott aufgeheizt bis explosiv. Die Gemeinde versucht unter anderem, sich mit Mitteln des Baurechts gegen die Unterkunft zu wehren. Die sei viel zu groß für die Gemeinde und könne wegen der beengten Lage im Gewerbegebiet auch den Geflüchteten keine angemessenen Bedingungen bieten.

Doch die Unterkunft würde auch in Rott nicht von der Gemeinde eingerichtet, sondern vom Freistaat. Lederer ist bisher nicht von seinen Plänen abgerückt. Am Samstag hat die AfD einige Dutzend Menschen zu einer Demonstration in Rott versammelt. Dem Aufruf linker Gruppen zur Gegendemonstration sind einige Hundert Menschen gefolgt, und die Gemeinde und die Bürgerinitiative "Rott rot(t)iert" sahen sich zu einer eigenen, dritten Demonstration genötigt, um den Widerstand gegen die Unterkunft nicht von der AfD vereinnahmen zu lassen.

Die Möglichkeiten, Menschen aufzunehmen, sind ohnehin unterschiedlich verteilt. Was Unterkünfte betrifft, hat etwa die klagende Gemeinde Greiling bisher kaum Kapazitäten. Bis Mitte des Jahres will sie aber zusammen mit zwei Nachbargemeinden Plätze für 250 Geflüchtete schaffen.

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