"Angriff auf die Pressefreiheit":Bauern blockieren Allgäuer Zeitung

Lesezeit: 3 min

Landwirte blockieren am 5. Februar den Zugang zur "Allgäuer Zeitung". (Foto: Matthias Becker)

Landwirte protestieren unangemeldet am Medienzentrum in Kempten. Die Polizei spricht von einer Grenze, die überschritten worden sei - die Bauernproteste dürften nicht weiter eskalieren.

Von Florian Fuchs, Kempten

Was die Aufmerksamkeit und den medialen Aufschlag über die seit Wochen andauernden Bauernproteste anbelangt, ist der Bayerische Bauernverband eigentlich ganz zufrieden. "Die Kritik an den Plänen der Bundesregierung ist laut und sie ist berechtigt. Die Bauernproteste schlagen große politische Wellen und sorgen für enorme gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit", sagt Generalsekretär Carl von Butler. Umso misslicher für den Bauernverband ist der Protest, den einige Landwirte in der Nacht auf Montag vor dem Medienzentrum der Allgäuer Zeitung organisiert haben, offenbar weil sie sich eben nicht ausreichend gehört fühlen: Die Landwirte blockierten die Zufahrten, behinderten die Ausfuhr der Zeitung und bauten, so sieht es der Bayerische Journalistenverband, eine Drohkulisse auf mit dem Versuch, die Berichterstattung zu beeinflussen. Der nicht angemeldete Protest wurde friedlich aufgelöst - die Polizei in Kempten ermittelt dennoch wegen des Anfangsverdachts der Nötigung.

Bereits am 9. Januar versuchten wenige Landwirte, die Redaktion des Fränkischen Tag in Bamberg zu blockieren, in den vergangenen Tagen waren zum Beispiel auch der NDR in Niedersachsen und der BR in Unterföhring betroffen. Mit dem Unterschied, dass der Protest beim Bayerischen Rundfunk einschließlich Gespräch mit dem Chefredakteur angemeldet und deshalb unproblematisch war. Mit der Blockade bei der Allgäuer Zeitung aber, findet nicht nur die Polizei in Kempten, hätten die Landwirte "eine Grenze überschritten". Und auch von Butler vom Bauernverband sagt: "Zu Presse- und Meinungsfreiheit ist die Position des Bayerischen Bauernverbandes klar: Aktionen, die sie einschränken oder eine freie, unabhängige Berichterstattung behindern, sind inakzeptabel und können nicht toleriert werden."

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Gegen 22.30 Uhr fuhren die Landwirte laut Polizei vor dem Medienzentrum in Kempten vor: 400 Teilnehmer kamen zusammen, mit etwa 175 Traktoren und 30 Pkw. Erst gegen Mitternacht zogen sie wieder ab. Es sei eine Aktion gewesen, sagt Markus Raffler, Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung, "die wir in der Art und Weise nicht kennen und nicht erwartet haben." Die Landwirte stellten den Protest laut Allgäuer Zeitung als "Hilferuf" dar, weil sie sich von der Politik im Stich gelassen fühlten und ihre Anliegen von den Medien nicht ausreichend und teilweise falsch dargestellt würden. Geschäftsführung und Redaktionsleitung der Zeitung stellten klar, dass man Aktionen dieser Art nicht tolerieren könne.

Raffler sagt: "In Summe waren die Bauern wohl ein bisschen hilflos, wie sie mit uns ins Gespräch kommen." Inzwischen hat eine Gesprächsrunde stattgefunden mit Vertretern der Zeitung, der Landwirte, des Bayerischen Bauernverbandes, der Stadt Kempten, des Kreises Oberallgäu sowie der Kemptener Staatsanwaltschaft. "Es war ein sehr gutes Gespräch", betont Raffler. Die Redaktion habe den Landwirten an einer Pinnwand gezeigt, wie umfangreich das Blatt über die Proteste berichtet hat. Eine Gesprächsrunde, sagt er, hätte die Redaktion aber auch anders einberufen. "So eine Drohkulisse hätte es dafür nicht gebraucht."

Der Schaden vor allem für die Sache der Landwirte aber ist angerichtet. Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West sieht sich in einer Stellungnahme zu der Klarstellung veranlasst, dass die Lage im Kontext der Bauernproteste nicht weiter eskalieren dürfe und Recht und Gesetz einzuhalten seien. "Der Versuch einer Einflussnahme durch eine nicht angezeigte Versammlung und zeitweiser Blockaden ist nicht akzeptabel und mit dem Rechtsstaatsprinzip in einer Demokratie nicht in Einklang zu bringen." Der Bayerische Journalistenverband spricht von einem "Angriff auf die Pressefreiheit". Für den Austausch von unterschiedlichen Meinungen seien Leserbriefe und Gespräche der richtige Weg.

"Wir beobachten, dass Angriffe auf die Presse unter protestierenden Landwirten gezielter werden und mehr Anhänger finden", sagt Andrea Roth, stellvertretende Vorsitzende des BJV. "Dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten liegt auch in der Verantwortung des Bayerischen Bauernverbands." Dessen Generalsekretär von Butler distanziert sich deutlich von der Aktion und sagt, dass eine freie, unabhängige Berichterstattung ebenso wie die Versammlungs-, Demonstrations- und Meinungsfreiheit überlebenswichtig für die Landwirtschaft und alle anderen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Gruppen seien, um sich das notwendige Gehör zu verschaffen. Gespräche und Austausch seien dabei wichtig und wertvoll.

Solch einen Austausch will die Allgäuer Zeitung weiterhin mit den Landwirten pflegen. Mit den vernünftigen Vertretern, wie Redaktionsleiter Raffler sagt. Seiner Einschätzung nach demonstrierte vor dem Medienzentrum in Kempten eine teils inhomogene Gruppe, die nicht nur die Anliegen der Bauern im Blick hat. Seine Zeitung wolle weiter intensiv über Themen aus der Landwirtschaft berichten, um die Öffentlichkeit über die Probleme dieses Berufsstandes zu informieren.

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