Nürnberg:Mordanklage gegen zwei Männer im Fall der vermissten Alexandra R.

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Die Ermittler haben die Leiche nie gefunden. Die Polizei hatte unter anderem den Main-Donau-Kanal bei Nürnberg abgesucht. (Foto: Heiko Becker/dpa)

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass ihr ehemaliger Lebensgefährte und ihr früherer Geschäftspartner die damals Hochschwangere getötet haben. Die Männer sitzen in U-Haft und schweigen.

Von Max Weinhold, Nürnberg

Seit nunmehr exakt 13 Monaten ist Alexandra R. aus Nürnberg verschwunden. Die hochschwangere 39-Jährige hatte ihre Pflegetochter am Morgen des 9. Dezember 2022 in eine Kita nach Schwabach gebracht, danach verlor sich ihre Spur. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass ihr ehemaliger Lebensgefährte Dejan B., 50, und ihr früherer Geschäftspartner Ugur T., 48, Alexandra R. entführt und getötet haben, obwohl die Ermittler nie die Leiche der werdenden Mutter gefunden haben. Am Dienstag nun hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen die Männer Anklage wegen des Vorwurfs der Geiselnahme und des Mordes sowie weiterer Delikte erhoben.

In einer Pressemitteilung geht sie erstmals ausführlicher darauf ein, was aus Sicht der Ermittler am Tag des Verschwindens von Alexandra R. geschehen ist - bisher blieb das der Öffentlichkeit weitgehend verborgen. So seien die Männer ihr, nachdem sie das Kind in die Kita gebracht hatte, in einem geliehenen Auto zu einem leerstehenden Grundstück in Schwabach gefolgt, das sie besaß. Dort hätten sie Alexandra R. "überwältigt" und im Anschluss in eine Lagerhalle im etwa 25 Kilometer südlich davon gelegenen Hilpoltstein gebracht. Dass R. in dieser Halle war, wissen die Ermittler durch ihre DNA-Spuren vor Ort und das Bewegungsprofil ihres Telefons.

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Spätestens hier, in der Hiltpoltsteiner Halle, hätten Dejan B. und Ugur T. Alexandra R. veranlasst, ihre Strafanzeigen in zwei laufenden Ermittlungsverfahren (es ging hierbei um versuchte Nötigung nach mutmaßlichen Bedrohungen durch die Männer gegen R. und Betrugsvorwürfe wegen einer Art Mahnbescheid) gegen die beiden Angeschuldigten durch einen handschriftlichen Brief zurückzunehmen. Dieser Brief ging zu einem späteren Zeitpunkt bei der Justiz ein. "Anschließend töteten sie Alexandra R. und versteckten die Leiche an einem bisher unbekannten Ort", ist die Staatsanwaltschaft überzeugt.

Über konkrete Hinweise oder Ansätze dazu, wo sich die Leiche befindet, verfügen die Ermittler nicht. Aber, betont Heike Klotzbücher, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, im Gespräch mit der SZ: "Aufgegeben ist die Suche nach der Leiche noch nicht."

Hinsichtlich der Indizien, die die Staatsanwaltschaft von einem Mord ausgehen lassen, hält sich die Behörde weiterhin bedeckt. Sprecherin Klotzbücher teilt auf Nachfrage lediglich mit, dass es sich um "das Zusammenspiel der verschiedenen Beweismittel" handele. Dabei existierten neben DNA-Spuren auch Bewegungsprofile von Mobiltelefonen, die dafür sprächen, dass die beiden Angeschuldigten R. "in ihre Gewalt gebracht haben". Die Ermittlungen hätten zudem "ein ganz starkes Motiv" der Männer ergeben, Alexandra R. zu töten - und "nicht den geringsten Hinweis darauf, dass sie freiwillig untergetaucht ist". Die Anklage stützt sich in Summe auf die Aussagen von mehr als 100 Zeugen und zehn Sachverständigen.

Die Staatsanwaltschaft nimmt in ihrer Mitteilung auch Stellung zu Abschiedsnachrichten, die nach R.s Verschwinden bei Bekannten eingingen: Die Angeschuldigten hätten vorgetäuscht, dass Alexandra R. "sich freiwillig ins Ausland abgesetzt" habe und ihr Telefon danach nach Italien verbracht, "um eine falsche Spur zu legen". Dort wurde das Smartphone von einem Lkw-Fahrer befestigt an seinem Fahrzeug gefunden.

Das Motiv für den Mord, den die Staatsanwaltschaft vermutet, sieht die Ermittlungsbehörde "im persönlichen und wirtschaftlichen Bereich". Bei letzterem geht es um Streitigkeiten um Geschäftsbeziehungen. In solchen stand Alexandra R. mit beiden Männern, an ihrer Adresse im Nürnberger Stadtteil Katzwang waren unterschiedliche von Ugur T. geführte Firmen gemeldet. In einem der Unternehmen war Alexandra R. zeitweise Gesellschafterin und Dejan B. bis zu seiner Verhaftung im September Angestellter. In dieser Funktion nutzte er nach Angaben der Staatsanwaltschaft Alexandra R.s Vermögen, um für sie insgesamt 27 Immobilien auf Kredit zu erwerben. Diese habe Ugur T.s Unternehmen saniert, vermietet und veräußert.

B. durfte sich Alexandra R. nicht mehr nähern

Nach ihrer Trennung von Dejan B., der nicht Vater des ungeborenen Kindes war, im Frühjahr 2022 hat Alexandra R. ihrem Ex-Partner der Staatsanwaltschaft zufolge den Zugang zu gemeinsamen Konten verwehrt, was die Geschäfte von B. und T. beeinträchtigte. Nach Angaben Klotzbüchers sei Alexandra R. für das Unternehmen "essenziell" gewesen. Als Reaktion auf die verwehrten Kontenzugänge soll B. die Frau bei persönlichen Treffen bedroht haben. Gegen ihn erging danach ein Kontaktverbot. Er durfte sich Alexandra R. nicht mehr nähern.

Nachdem die Männer nicht mehr über R.s Geld verfügen konnten, sollen Ugur T. und Dejan B. darüber hinaus einen sogenannten Vollstreckungstitel in Höhe von 784 660,82 Euro gegen die Frau erwirkt haben, aus Sicht der Staatsanwaltschaft "auf betrügerische Weise". Weil diese sich dagegen zivilrechtlich wehrte, sei sie entführt und getötet worden, so die Anklagebehörde - eine Woche nach Alexandra R.s Verschwinden hätte in dem Fall die entscheidende Verhandlung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth stattfinden sollen. Die Staatsanwaltschaft sieht die Mordmerkmale der Habgier, niedrige Beweggründe und die Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen und zu verdecken, als erfüllt an.

Die angeklagten Männer schweigen zu den Vorwürfen, seit sie die Untersuchungshaft im September vergangenen Jahres angetreten haben. Für sie gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Ob sie sich in einem Prozess äußern würden, falls das Gericht die Anklage der Staatsanwaltschaft zulassen sollte, ist unklar.

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