Parteitag in Greding:AfD-Fraktionschef fällt bei Delegierten durch

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Ingo Hahn ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag - gut ist die Stimmung unter den Abgeordneten dort nicht gerade. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ingo Hahn bewirbt sich um einen Listenplatz für die Bundestagswahl - ohne Wissen der Fraktion. Das befeuert den ewigen Streit unter den Landtagsabgeordneten.

Von Johann Osel, München

Zwei gescheiterte Anläufe des AfD-Fraktionschefs Ingo Hahn, sich einen Listenplatz für die Bundestagswahl zu sichern, haben intern Unmut ausgelöst und dürften die Konflikte in der zerstrittenen Landtagsfraktion verschärfen. Beim Parteitag in Greding, der an den vergangenen Wochenenden und an Fronleichnam stattfand, kandidierte Hahn zunächst für Listenplatz acht, später für die weniger aussichtsreiche Position 16 - beide Male unterlag er in Stichwahlen.

"Viele in der Fraktion hat es sehr überrascht, dass ausgerechnet der Fraktionsvorsitzende in den Bundestag strebt, ohne uns über diese Ambitionen vorher wenigstens in Kenntnis zu setzen", sagt der Münchner Abgeordnete Uli Henkel. Die Delegierten hätten die Kandidatur "offensichtlich als den Versuch einer Exit-Option gesehen, aber nicht goutiert". Die Fraktionsspitze um Hahn und Katrin Ebner-Steiner hat derzeit keine Mehrheit.

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Die AfD wählt Finanzpolitiker Boehringer als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Landeschefin Miazga landet auf Platz zwei. Beide gelten nicht als Rechtsaußen-Vertreter - üben sich beim Parteitag aber in radikaler Wortwahl.

Von Johann Osel

Hahn bewarb sich mit dem Argument, seine Expertise als Professor für Geografie und Landschaftsökologie sei im Bundestag gefragt. Auf der Bühne sagte er: "Ob wir es wollen oder nicht - die Musik spielt in Berlin. Wir können keine bayerische Blase aufrecht erhalten." Das gebe "ein wirklich schlechtes Bild" ab, meint Henkel, Teil einer Elfer-Gruppe, die in der Fraktion gegen die Führung opponiert: "Wenn der Vorsitzende öffentlich erklärt, die Musik spiele in Berlin, kommt das in meinen Augen geradezu einer Abwertung unserer doch wichtigen Arbeit im Landtag gleich." Dass Hahn nicht mal auf 16 reüssierte, "zeugt nicht gerade von einem starken Rückhalt bei den Delegierten, die ja alle wissen, dass Ende September turnusmäßige Neuwahlen zum Fraktionsvorstand anstehen".

Hahn sagte auf Anfrage der SZ: "Aus Reihen der Partei und Mitglieder hatten viele Personen meine Kandidatur befürwortet, um die wichtigen Themen Umwelt und Klima im Bundestag kompetent vertreten zu sehen." In der "Debatte" in Greding habe sich gezeigt, "dass meine Arbeit im Landtag als mindestens genauso wichtig eingeschätzt wird". Er werde die Fraktion daher "mit vollen Engagement weiter führen".

Worum es bei dem Konflikt geht? Animositäten und Stilfragen

Nach langem Patt im Machtkampf hatte sich im vergangenen Sommer ein Zwölferbündnis dem sechsköpfigen Fraktionsvorstand (mit zwei Getreuen) offen entgegen gestellt. Nach einem Austritt sind es heute elf. Für eine Abwahl wäre laut Satzung eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig; bei regulären Neuwahlen wie im September reicht die einfache. Wie stabil oder volatil die Verhältnisse sind, ist offen. Die Führung wird von dezidierten Vertretern des formal aufgelösten völkischen "Flügel" dominiert; Hahn selbst will sich nicht kategorisieren lassen.

Der interne Konflikt verläuft aber weniger nach politischer Richtung. So zählen auch zu den elf nicht nur gemäßigte Köpfe. Vielmehr geht es um Animositäten und Stilfragen. In einem Brief warf die Gruppe der Spitze mangelnde Professionalität und fehlenden Teamgeist vor. 2019 wurde Hahn an Ebner-Steiners Seite gewählt, zuvor war er Vize. Er ist in der Pandemie zum Gesicht der AfD-Fraktion avanciert, antwortete anstelle der selten präsenten Co-Chefin oft auf Regierungserklärungen.

Weitere Überraschung bei der Liste: Hansjörg Müller, stellvertretender Landeschef, fiel mehrmals durch, sogar auf hinteren Plätzen. Mit Thesen zu angeblichen Verschwörungen globaler Eliten hat er womöglich viele Delegierte verstört. Müller selbst sagte der SZ, als "unabhängiger Geist" komme er "parteiinternen Machtstrukturen in die Quere, welche die AfD nach dem Muster der Altparteien umgebaut haben".

Bis Platz elf behaupteten sich nur Bundestagsabgeordnete. Spitzenkandidat ist Peter Boehringer, dahinter steht Landeschefin Corinna Miazga. Die Treffen fanden unter Auflagen wie Maskenpflicht und fixen Plätzen statt. "Die AfD hat hochprofessionell gezeigt, dass Großveranstaltungen rechtssicher durchführbar sind, trotz beschwerlicher Auflagen", sagte Landesvize Gerd Mannes. Auf Platz zwölf kam Gerrit Huy, neben Miazga einzige Frau bis Platz 25. Ein Wahlergebnis wie 2017 würde den Frauenanteil der zurzeit 14-köpfigen Landesgruppe in Berlin verdoppeln - von einer auf zwei.

© SZ vom 08.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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