Die FDP ist umgefallen. Wieder einmal. Nachdem die Liberalen in Bayern wochenlang im Landtag von Freien Wählern, SPD und Grünen vor sich hergetrieben wurden, sich der außerparlamentarische Druck durch den drohenden Volksentscheid zum Thema Wegfall der Studiengebühren weiter verstärkte und sich CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer wieder einmal als begnadeter Wendehals präsentierte.
Die FDP stand mit dem Rücken zur Wand. Doch die CSU musste ihr nur noch einen kleinen Schubs geben. In Bayern wird im Herbst gewählt. Kurz danach im Bund. Und sämtliche Studenten gegen sich zu haben, das konnten und wollten zumindest die Christsozialen nicht ertragen. Nun haben CSU und FDP in Bayern das Modell der Studiengebühren gemeinsam zu Grabe getragen. Zum Beginn des Wintersemesters können die Studiengebühren per Landtagsbeschluss gekippt werden. Das ist der Kompromiss zwischen Seehofer und Bayerns FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Für Bayern ist die Abschaffung gut. Und sie ist gut für Deutschland. Jetzt ist nur noch die neue Bildungsministerin - und alte niedersächsische Kultusministerin - Johanna Wanka für Studiengebühren. Doch glücklicherweise gibt es in diesen Fragen Länderhoheit. Somit ist Wanka kalt gestellt. Ein Hoch dem Föderalismus (in dieser Frage)!
Niedersachsen war vor der Ein-Stimmen-Mehrheit von Rot-Grün das vorletzte Refugium für diese sonderbare Idee, den maroden Hochschulen zu helfen, in dem die Studenten neben ihrem Lebensunterhalt noch etwas für ihre Bildung bezahlen mussten. Alle anderen Bastionen dieses überkommenden Spleens waren schon längst gefallen.
Doch die FDP in Bayern hielt daran fest, felsenfest. Sie spielte mit dem Feuer des Koalitionsbruchs. Auch mit der Begründung, dass es nicht sein könne, dass Kitaplätze mehr kosten würden als ein Studienplatz. Doch hier werden Äpfel mit Birnen verrechnet. In Deutschland muss Bildungsfreiheit herrschen, damit nicht der elterliche Geldbeutel darüber entscheidet, wer eine gute Ausbildung bekommt und wer nicht. Erst damit wird eine der Voraussetzungen für Chancengleichheit geschaffen.
Klientelpartei an der Fünf-Prozent-Hürde
Bis zu diesem Samstagabend in München präsentiert sich die FDP wieder einmal als Klientelpartei. Als Vertreterin der Zahnärzte, Steuerberater und Immobilienmakler. Eine kleine Personengruppe also, die entweder ein sorgenfreies Double-Income-No-Kids-Leben führen oder eben so viel Geld haben, dass die Finanzierung des Studienplatzes für ihre Kinder in etwa der wöchentlichen Höhe der Reinigung des privaten Schwimmbades im Keller des Eigenheims im Speckgürtel Münchens entspricht - und somit ein zu vernachlässigender Beitrag war.
Dass sich die FDP nie für Arbeiter und kleinere Angestellte einsetzte, daraus hat sie nie ein Geheimnis gemacht. Die FDP war und ist eine Partei für die Freiheit der Märkte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Historisch stand sie nur einmal an der Seite der SPD in den siebziger Jahren, auch für Liberalität auf allen gesellschaftlichen Bereichen, für Menschenrechte, für Ausgleich, für Entspannung in einer Zeit des Kalten Krieges. Für eine Idee, die sich weltweit für Freiheit einsetzt. Die Köpfe dieser großen sozial-liberalen Zeit: Willy Brandt/Walter Scheel und Helmut Schmidt/Hans-Dietrich Genscher.
Nachdem Genscher umfiel in Richtung Helmut Kohl, war die FDP wieder in ihrer Glaubens- und Gedankenwelt, der sie entspringt: Der Markt wird alles regeln. Das ist ihr eigentliches und einziges Credo. Deshalb ist und bleibt sie eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde klebt und nur in Ausnahmefällen so große Sprünge macht wie in einzelnen Bundesländern und bei der vergangenen Bundestagswahl vor vier Jahren.
Nun hat sie aber mal etwas richtig gemacht. Aber eben nicht aus freien Stücken, sondern weil sie getrieben wurde.
Aber manchmal werden politische Entscheidungen eben so getroffen. Und wenn sich die FDP eine letzte Chance im Wahljahr 2013 wahren wollte, dann hat sie richtig gehandelt. Nicht mehr und nicht weniger. Und niemand glaube, sie habe es aus Überzeugung getan.